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Ausgabe:

1950 Nr. 10

Spalte:

604-606

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Seierstad, Ivar P.

Titel/Untertitel:

Die Offenbarungserlebnisse der Propheten Amos, Jesaja und Jeremia 1950

Rezensent:

Gruehn, Werner

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603

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 10

604

Liungman, Waldemar: Traditionswanderungen Rhein-Jenissei.

Eine Untersuchung über das Winter- und Todaustragen und einige hierhergehörige
Bräuche. T. 1. Helsinki: Academia Scientiarum Fennica U.Leipzig:
Harrassowitz i. Komm. 1941. 237 S., 2 Ktn. gr. 8° = FF-Communications
Vol. LIV, 1 = Nr. 129. Fmk 70.—.

Das vorliegende Heft ist ein Teil der groß angelegten
Untersuchungen, die in den FF-Communications Nr. 118 und
119 (1937/38) begonnen wurden. Diese beiden Hefte waren
den Fastnachtsaufzügen und ihren Vorbildern im Orient und
in der Antike gewidmet und verfolgten ihre Wanderung über
den Balkan bis an den Rhein. Hier, auf alemannischem Boden,
wurde bereits im 8. Jahrhundert „der Winter ausgetrieben".
Dieses Winteraustreiben und das einer anderen Traditions-
reihe angehörende Todaustragen, das sich östlich des Spessarts
bis weit in das ostslawische Gebiet verfolgen läßt, wird nun
in dem neuen Heft besprochen und es wird gezeigt, wie eine
Reihe von Bräuchen aus den Fastnachtsaufzügen in die Aufzüge
des Wintervertreibens, die an Lätare stattfinden, eindrangen
. Der Brauch des Soinmereinholens neben dem des
Wintervertreibens stammt aus dem weitverbreiteten Brauch
des Umherführens eines Frühlingszeichens (des Maien u. dgl.).
Auch hier wird wie für die Fastnachtsbräuche eine Wanderrichtung
von Süden nach Norden festgestellt. Wir haben also
in diesem Winteraustragen keinen uralten, auf dem Glauben
an einen „Vegetationsdämon" (im Mannhardtschen Sinn) beruhenden
Brauch zu erblicken, sondern es ist Traditionsgut,
durch Wanderung überbracht. In dem gleichzeitig (1941) erschienenen
Heft Nr. 130 der FF-Comm., das mir nicht vorliegt
, ist der Kampf zwischen Sommer und Winter, der kein
primäres Glied des Wintervertreibens ist, behandelt; ob der
zweite Teil der oben angezeigten Untersuchung erschienen ist,
ist mir unbekannt.

Würzburg Friedrich Pf ister

ALTES TESTAMENT

Bea, Augustinus, S.J.: Liber Ecclesiastae qui ab Hebraeis appellatur
Qohelet nova e textu primigenio interpretatio latina cum notis criticis et
exegiticis edita. Rom: Pontificium Institutum Biblicutn 1950. XIV, 30 S.
gr. 8°= Scripta Pontificii Instituti Biblici 100.

In früheren Nummern dieser Zeitschrift (ThLZ 73, 1948'
Sp. 203—208; 74, 1949, Sp. 681—683) hat A. Allgeier die neue
lateinische Psalmen-Ubersetzung gewürdigt, die am 24. März
1945 von Papst Pius XII. der Öffentlichkeit übergeben und
von A. Bea, dem Leiter der für sie verantwortlichen Kommission
, als „Psalterium Pianum" bezeichnet worden ist. Jetzt
legt A. Bea eine nach denselben Prinzipien wie dieses Psalterium
gefertigte Ubersetzung des Buches Qohelet samt Erklärung
vor. Auch hier ist der im Anschluß an die Editio
tertia der Kittelschen Biblia Hebraica kritisch einendierte
hebräische Text zugrundegelegt und eine Ubersetzung gelungen
, die Sinn und Wucht des Urtextes getreu wiedergibt
und zugleich ein glattes und klares Latein bietet. Prolego-
mena, die vom Verf. des Buches und von seiner Zeit, von
seiner Einheitlichkeit und Anordnung, von der in ihm vertretenen
Lehre, von der Art seines Textes und der alten Ubersetzungen
handeln sowie die wichtigsten Kommentare zu ihm
nennen, gehen der Ubersetzung voraus, und ganz knappe textkritische
sowie etwas ausführlichere sacherklärende Noten,
immer unten auf den Seiten angebracht, begleiten sie. Hervorhebung
daraus verdienen die Ausführungen über die Frage
der Einheitlichkeit und der Anordnung des Buches. Abgelehnt
wird sowohl die Aufteilung des Buches auf verschiedene Verfasser
verschiedener Zeiten und verschiedener Lebensauffassungen
als auch seine Zerlegung in etwa ein halbes Hundert
Sentenzen, die an sich von demselben Autor herrühren können.
Vielmehr stellt nach B eas Meinung das Buch Qohelet eine Art
Diatribe dar, die weniger einen straff gespannten Gedankengang
als ein zwischen den mannigfachen für die Lösung des
zur Erörterung stehenden Problems denkbaren Möglichkeiten
hin und her pendelndes Gespräch darbietet und dabei doch
für die Frage, wenn auch keine theoretisch befriedigende Antwort
, so doch eine praktisch brauchbare Lösung findet. Bea
stellt sich den Aufbau des Büchleins in dieser Weise vor:
Das 1, 1—3 angesclüagene Thema: Eitelkeit der Eitelkeiten
wird 1, 4—2, 26; 3, 1—7, 24; 7, 25—9, 17 in drei Gedanken-
komplexen erörtert und in 9, 18—12, 7 mit praktischen Ratschlägen
für die Lebensführung abgeschlossen; in 12, 9—13
folgt noch ein von dem Autor und seinem Buch handelnder
Epilog.

Beas lateinischer Qohelet reiht sich dem Psalterium

Pianum würdig an und weckt in dem Leser den Wunsch, daß
ihm noch andere Bücher des Alten Testaments in neuer
lateinischer Ubersetzung folgen möchten.

Halle/Saale Otto Eißteldt

Seierstad, ivar p., Prof. d.: Die Offenbarungserlebnisse der Propheten

Arnos, Jesaja und Jeremia. Eine Untersuchung der Erlebnisvorgänge
unter besonderer Berücksichtigung ihrer religiös-sittlichen Art und Auswirkung
. Oslo: Dybwad 1946. 253 S. = Abhandlungen der Norweg. Akademie
der Wissenschaften. Histor.-philol. Klasse 46 Nr. 2. Kr. 20.—.

1. Fortschritte in der Erforschung alttestamentlicher(vie
überhaupt geschichtlicher) Urkunden können nur auf zwei
Wegen erzielt werden: entweder durch die Entdeckung bisher
unbekannter, ergänzender Quellen oder durch eine neue, vertiefte
Deutung längst bekannter Urkunden. Solch eine neue
Deutung ist im Prinzip zwar jederzeit möglich, bedarf aber
doch sorgfältigster wissenschaftlicher Sicherstellung; andernfalls
kann sie sich nicht gegenüber den üblich gewordenen
Deutungen durchsetzen.

Die oben genannte Veröffentlichung stellt u.E. einen sehr
erheblichen Fortschritt dar. Dieser ist von besonderem Wert,
weil er den Höhepunkt der ganzen alttestamentlichen Literatur
— die israelitische Prophetie — betrifft. Können wir die
Propheten besser verstehen, so ist dadurch nicht nur die wichtigste
Brücke vom AT zum NT unserem Verständnis nähergerückt
, sondern es hebt sich dadurch auch das gesamte Niveau
der alttestamentlichen Literatur. Eine solche vertiefte,
neue Deutung ist in unserem Buch durch eine verbesserte
psychologische Auslegung erzielt worden.

Hier müssen wir einen Augenblick zurückschauen. Seit
den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gelang es bekanntlich
, einige auffallende seelische Vorgänge wie Hypnose,
Hysterie, Unterbewußtsein wissenschaftlich aufzuhellen. Ihr
Zusammenhang mit Halluzinationen (Visionen, Auditionen)
einerseits, mit Besessenheit, Ekstase, Magie andererseits begann
verständlich zu werden. Was lag näher, als diese neue Begriffswelt
auf jene merkwürdigen Erscheinungen anzuwenden,
die uns die Religionsgeschichte in überreicher Zahl überliefert:
auf Zauberei und Magie, auf Rauschzustände und Jogakult,
auf Entzückungen, Entrückungen und mystische Vorgänge
aller Art.

Sehr bald folgte auch die alttestamenltiche Forschung.
B. Duhm, G. Hölscher, H. Gunkel bis zu K. Oesterreich
(R.G.G.2) u. v. a. konnten sich nicht genug darin tun, die geheimnisvollen
Zustände, von denen die Propheten berichten,
kurzerhand als Besessenheit, Depersonalisation, Katalepsie,
Hypnose, Vision u. a. zu „erklären".

Was war damit gewonnen ? Eigentlich gar nichts. Denn
die einzelnen Begriffe dieser „mystischen" Erlebniswelt waren
noch in keiner Weise klargestellt: die allgemeine religiöse Forschung
hatte mit der medizinischen (Psychotherapie, Psychiatrie
) und der psychologischen (W. Wundt, O. Külpe) nicht
Schritt gehalten. So wurde eine Fülle unbekannter (also
eigentlich inhaltsleerer) oder völlig verschwommener Begriffe
dazu benutzt, die größten Erlebnisse der Propheten zu „deuten
". Meist findet man hier sämtliche Begriffe der okkulten
Welt durcheinander gewürfelt. Mit innerer Notwendigkeit
mündet eine solche Forschung im Irrationalismus eines R.
Otto oder K. Barth ein. Zum Vergleich ziehe man bloß die
noch unlängst maßgebende Literatur (etwa die beiden Bücher
von Achelis und Beck über die „Ekstase", 1902 und 1906,
oder auch Leuba, 1925) heran: sie erscheinen uns heute reichlich
naiv und überheblich. Die Zurückhaltung der anglo-
amerikanischen Exegeten diesen Deutungen gegenüber erscheint
heute nur allzu verständlich.

Erreicht war also mit diesen Deutungen nichts. Im Gegenteil
: die in der Weltgeschichte einzigartigen und von Geheimnis
umwitterten Gestalten der großen Prophetie wurden auf
ein tiefes Niveau herabgedrückt, das nicht allzufern dem
Schamanismus steht. Bleibt allerdings die Frage, warum
dieser Schamanismus nicht gleiche kulturgeschichtliche Blüten
hervorgebracht hat, wie die alttestamentliche Prophetie ?

Es bedurfte einer sehr mühsamen, durch Jahrzehnte in
aller Stille fortgeführten Arbeit, um die Verwirrung religionspsychologischer
Begriffe zu klären und Licht in den Zusammenhang
der einzelnen seelischen Funktionen hineinzutragen
. Zunächst mußten die Grundformen religiösen Lebens
geklärt, die Stellung^von Mystik und Ekstase in diesem Rahmen
aufgehellt, der konkrete Inhalt der Erlebnisse, wie Vision,
Entrückung, Entzückung, Hynose, Besessenheit usw. usw.,
wissenschaftlich sichergestellt werden. Diese Vorarbeit ist
(neben der Psychotherapie) in den letzten 40 Jahren weithin
geleistet worden. Manche zentrale Vorgänge (wie etwa der der
„Bekehrung") sind in große Zusammenhänge hineingestellt,