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Ausgabe:

1950 Nr. 9

Spalte:

571-572

Kategorie:

Katholische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schauerte, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die volkstümliche Heiligenverehrung 1950

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 9

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Unterschied zwischen katholischer und evangelischer Lehre,
wenn es um das Grundsätzliche geht, eben doch stark auf.
Aber gerade darum sei am Schluß verwiesen auf das ökumenische
Anliegen, von dem M. bewegt ist: die Einheit aller
Christen in der Welt zu fördern. „Kein Zweifel kann darüber
sein, daß es nur eine Wahrheit gibt, eine einzige. Es ist die
von Christus in Lehre und Vorbild offenbarte. Wir wollen gemeinsam
beten und sine dolo, ohne Arg, um diese Wahrheit
ringen und sie bejahen mit der ganzen Glut eines innerlich
seiner Freiheit bewußten Menschen . . ." (129).

Berlin Harald Kruska

Schauerte, Heinrich: Die volkstümliche Heiligenverehrung. Münster:

Aschendorff 1948. 164 S. 8°. Kart. DM5.50.

Verf. liefert eine Arbeit zur religiösen Volkskundeforschung
. Er stellt sich die Aufgabe, „alle um die volkskund-
liche Heiligenverehning gruppierten Erscheinungen systematisch
zusammenzufassen" (5). Es kommt ihm darauf an, „das
Typische aufzuweisen, die psychologischen Wurzeln und auch
Kultzusammenhänge aufzudecken" (5). Nach einer Einleitung
behandelt er in,zehn Kapiteln die kirchliche Heiligenverehrung
, die Heiligenlegende, das Wesen der volkstümlichen
Heiligenverehrung, die Psychologie der volkstümlichen Heiligenverehrung
, Heiligengruppen, Heiligenpatronate, besondere
Schutzheilige, die Heiligen im Aberglauben, die Reliquienverehrung
im Volke und das Heiligenbild. Dabei entsteht ein
eindrucksvolles Bild von der Durchdringung des katholischen
Volkslebens mit der Heiligenverehrung und von den mancherlei
Wandlungen dieser Frömmigkeitsart im Laufe der Geschichte
und bei den verschiedenen Völkern. Der Heiligenklüt
des Volkes unterscheidet sich von der amtlich-kirchlichen
Heiligenverehrung; er wird leicht „undogmatisch", ja abergläubisch
. Darum ist die Orientierung des Volkes am Dogma
und an der Kirchenlehre notwendig; denn „die liturgische
Heiligenverehrung ist theozentrisch bzw. christozentrisch, die
katholische Volksfrömmigkeit und damit auch die Heiligenverehrung
des Volkes anthropozentrisch, weil egozentrisch eingestellt
" (59). Das Volk vernachlässigt „den Christuskult, die
Anbetung des Königs, zugunsten seines himmlischen Hofstaates
" (60). „Es betet zu den Heiligen als besonders machtbegabten
Wesen, die von sich aus den Gläubigen helfen können'
Das ist, an sich betrachtet, undogmatisch", aber entschuldbar
. Die „richtige von der Kirche gelehrte Heiligenverehrung
will das Volk üben, mögen Form und Ausdrucksweise auch
manches gewiß Allzunienschliche enthalten" (60). Allerdings
ist das dogmatisch zu beanstandende Gebet zu den Heiligen
um Hilfe im Laufe der Zeit sogar in die Meßformulare eingedrungen
! (61). Zu den abergläubischen und daher zu bekämpfenden
Formen des Heiligenkults rechnet Verf. u. a. das
Eintauchen der Bilder und Reliquien in Wasser, um Regen zu
erwirken, sowie die „Schluekbildchen" (135ff.).

Verf. preist die Weisheit der Kirche, die den Bedürfnissen
der Volksseele entgegenkommt, indem sie die Heiligen-
Verehrung in weiten Grenzen duldet und empfiehlt. „Luther
mutete der Volksseele Ungeheuerliches zu, indem er dem
Volke alles dieses nahm und es auf abstrakte Formen hinwies
(67). — Aber stammt diese ungeheuerliche Zumutung wirklich
von Luther und nicht vielmehr von dem Gott der Bibel ?
Man denke nur an die Forderung des bildlosen Gottesdienstes
im AT und an die immerwährenden Rückfälle Israels in den
Bilderdienst! Verf. weist darauf hin, daß „für das Volk die
Vorstellung von den Heiligen als Fürbitter den soziologischen
Menschheitsgebilden analoger, auch konkreter und leichter
faßbar ist als die monotheistische Vorstellung, zu der auf dem
Wege der natürlichen Gotteserkenntnis erst das logische
Denken führt" (63). Abergründet sich denn der Monotheismus
auf das logische Denken und nicht vielmehr auf Gottes Offenbarung
? Die Verdunkelung des Monotheismus, wie sie in der
Heiligenverehrung ohne Zweifel vorliegt, ist nicht nur ein Verstoß
gegen die Logik, sondern vor allem ein Verstoß gegen den
Glauben. Es ist doch sehr bezeichnend, daß Verf. die (nahen)
Heiligen dem „in unendliche Ferne gerückten Gott" (58)
gegenüberstellt. Die Kluft zwischen Gott und Mensch ist
durch den am Wort hängenden Glauben und nicht durch
Mittelwesen, wie die Heiligen sie darstellen, überwunden.
Auch das Moment des Selbstgewählten, das dem Heiligenkult
anhaftet (90), und die mit ihm notwendig verbundene kirchliche
Bevormundung („bedarf . . . der steten Leitung der
Kirche", 58) sind dem Glauben suspekt.

Dersekow bei Oreifswald E.Schott

BERICHTE UND MITTEILUNGEN

Die Opfer in den phönikischen Inschriften von Karatepe

Im Zusammenhang mit dem Bericht über die sakrale Ausstattung der
von dem König "in'K erbauten Stadt bringen die phönikischen Inschriften
von Karatepe einen Satz über Opferleistungen, der in den zwei vorliegenden
Fassungen, der vom Tor der Unterstadt (T II 19 — III 2) und der auf dem
Gottesbild der Oberstadt (S IV 2—6), zwar weder an genau der gleichen Stelle
steht noch genau den gleichen Wortlaut hat, aber offensichtlich auf eine gemeinsame
Vorlage zurückgeht'. Ich hin in meiner ersten Bearbeitung nicht
näher auf ihn eingegangen, weil mir sein Verständnis durch seine verschiedene
Stellung und Formulierung sowie durch ein paar kleine Verstümmelungen in
beiden Inschriften teilweise erschwert zu sein schien. Die übrigen Bearbeiter
haben sich durch diese Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen und sind unabhängig
voneinander, aber nahezu übereinstimmend zunächst für die Fassung
der Inschrift vom Tor der Unterstadt unter Mitberücksichtigung der Statueninschrift
zu einer Rekonstruktion gelangt, die dem Textbestand mit Einschluß
der Lücken gerecht wird und sprachlich kaum zu beanstanden ist2. Hingegen
gehen ihre Meinungen über den Sinn des Satzes in wichtigen Einzelheiten erheblich
auseinander, und für seine Fassung in der Statueninschrift, um die sich
nur ein Teil der Bearbeiter gekümmert hat, gilt dasselbe. Eine erneute Behandlung
erscheint mir daher geboten.

Nach der Ansicht der Bearbeiter hat der Satz in der Inschrift des Tores
der Unterstadt gelautet: I tjb« °-', FQl rOOBn tob rat "fm

31 m isp rwai 1 o ia-i[n rwßi

und da die hierbei vorgenommene Ergänzung der kleinen Lücke in der zweiten
Hälfte des Satzes auf dem erhaltenen Wortlaut der Parallelstelle in der Statuen-

') Von der Inschrift des Tores der Oberstadt ist die entsprechende Stelle,
die den veröffentlichten Zeilen vom Leib des Torlöwen in sehr geringem Abstand
folgen müßte, also wohl auf einem angrenzenden Orthostaten stand,
bisher nicht mitgeteilt und vermutlich nicht gefunden.

2) Dunand, Bulletin du Musee de Beyrouth 8 (1949), S. 1 ff.; Dupont-
Sommer, Revue d'Assyriologie 42 (1949), S. 161 ff.; Honeyman, Palestine
Exploration Quarterly 81 (1949), S. 27, 34; Marcus und Gelb, Journal of
Near Eastern Studies 8 (1949), S. 117ff.; Obermann, New Discoveries at
Karatepe (1949), S. 28ff.

3) Das Zahlwort 1 ist durch einen kurzen senkrechten Strich wiedergegeben
.

inschrift beruht, so ist gegen diese Rekonstruktion gewiß nichts einzuwenden.
Dunand übersetzt: „Et fut offert le sacrifice ä toutes leurs chapelles: sacrifice
annuel d'un boeuf, au tempsdu Iabourd'une brebis, au tempsde la moisson d'une
brebis"; Dupon t-Sommer: „Et l'on ameneradessacrificesätouteslesstatues:
sacrifice annuel: 1 boeuf, et au [temps du lalbour, 1 mouton, et au temps de
la moisson, 1 mouton"; Honeyman: „And they shall bring a sacrifice to
sustain this image, — a daily sacrifice of an ox, but in the season of ploughing
or of harvest a sheep or a goat"; Marcus und Gelb: „And there shall go a
sacrifice to all the molten images, a yearly sacrifice of an ox, and at the time
of plowing 1 sheep, and at the time of harvesting 1 sheep"; Obermann:
„Andllj have offered sacrifice to all molten images — (for) the daily offerings:
an ox, and at the season of ploughing: a sheep, and at the season of harvest:
a sheep". Von den hier zutage tretenden Meinungsverschiedenheiten ist die
hinsichtlich des Prädikats "p"1 am Anfang des Satzes ohne Zweifel für das
Gesamtverständnis am bedeutsamsten; denn je nach der Entscheidung darüber
, ob diese Verbalform als Perfekt oder als Imperfekt aufzufassen ist, wird
der erste Satz entweder zu einer Aussage über Geschehenes und damit zum
letzten Glied des ihm vorhergehenden und gerade hier endenden Tatenberichtes
des Königs, oder er gewinnt futurischen Sinn und leitet durch diese Hinwendung
zur Zukunft schon zur den Segens- und Fluchformeln über, die ihm
unmittelbar folgen. Es wäre sehr bedauerlich, wenn diese Alternative bestehen
bleiben müßte und auch die übrigen Diskrepanzen zwischen den oben wiedergegebenen
Übersetzungen nicht behoben werden könnten.

Da "p"1 ebensogut 3. Person Masc. Sing, (oder Plur.) des Perfekts
Jipliil oder des zu diesem gehörigen Passivs1 wie des Imperfekts dieser Konjugationen
oder auch des Qal des Verbums "pn „gehen" sein kann2, hängt
die Entscheidung über den Sinn des Wortes an unserer Stelle offenbar von der
Auffassung des Zusammenhanges ab, in dem es hier steht. Aber auch der Aufbau
des Satzes, dessen Prädikat "p1 ist, läßt die Wahl zwischen perfektischen
und imperfektischen Formen des Verbums noch offen oder scheint
dies wenigstens zu tun, wie die Übersetzungen zeigen. Man wird also wohl auch
noch den Zusammenhang des Satzes mit seiner Umgebung in Betracht ziehen

') Daß ein solches dem hebräischen Hophal entsprechendes Passiv zum
Jiphil bis jetzt meines Wissens in keiner phönikischen Inschrift festgestellt
worden ist, besagt natürlich nichts gegen sein tatsächliches Vorhandensein.

!) Dieses Verbum für „gehen" ist im Phönikischen sonst nicht belegt,
ebenso wenig aber auch ein anderes, das seine Stelle einnehmen könnte.