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Ausgabe:

1950 Nr. 9

Spalte:

568-571

Kategorie:

Katholische Theologie

Autor/Hrsg.:

Muckermann, Hermann

Titel/Untertitel:

Ewiges Gesetz 1950

Rezensent:

Kruska, Harald

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 9

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dienst, so daß für sie der Geltungsbereich der Sünde doch
stärker reduziert bleibt und dem Menschen auch nach der
Erbsünde noch die Freiheit „zu irgendwelchem religiös-sittlichen
Tun" (423) verblieb. Dieser Gegensatz muß sich dann
auch auf das Gotteserlebnis auswirken: die protestantische
Deutung, für die — wie man formuliert hat — Gott nur Liebe
ist, die katholische Deutung, für die Gott auch Liebe ist.

Dennoch werden auch von Schmaus die großen negativen
Mächte wie Sünde und Tod so gewertet, daß die Erlösung des
Menschen durch die übernatürliche Gnade als notwendig erscheint
. Von dieser Erlösung, die durch Christus Wirklichkeit
wurde, handelt der zweite Hauptabschnitt des Werkes. In
seinem Mittelpunkt steht daher die Christologie.

Die Einleitung zu den nun folgenden Ausführungen trägt
zunächst apologetischen Charakter. Sie verfährt nach dem
einfachen Schema: alle nichtbiblischen Erlösungslehren sind
Selbsterlösungslehren. Die außerbiblischen Religionen legen
dabei den Ton auf die Erlösung durch Gott, der aber ein vom
Menschen geschaffener Gott ist. Alle Philosophen legen den
Ton auf die Erlösung durch eigenes Bemühen. Bereits die Besprechung
des ersten Bandes hat darauf hingewiesen, daß eine
derartige Schematik den vorliegenden Sachverhalten nicht
gerecht wird. In diesem Zusammenhang sei nur auf folgende
Fragen hingewiesen. Darf man überhaupt die Philosophie
unter dem Gesichtspunkt der Erlösung sehen ? Bedeutet das
nicht, eine Fragestellung, die eigentlich nur innerhalb der
Religion zu Recht besteht, an die Philosophie herantragen ?
Kann es daher ein Vorwurf sein, wenn der Verf. bemerkt, daß
Heidegger und Jaspers im Grunde auf jede Erlösung verzichten
? Auf jeden Fall ist es falsch, wenn gesagt wird, daß
es nach Jaspers daher kein Entrinnen aus der endlichen Welt
gibt, weil es ,,keine echte Transzendenz gibt" (443). Gerade
das Denken dieser Philosophen ist unablösbar von der Transzendenz
bestimmt, nur daß seine Transzendenz eben eine
andere ist wie im Bereich des Christentums. Im Zusammenhang
mit der Erörterung des mythischen Erlösers in den primitiven
Religionen und den Mysterienkulten wird auch der
Entmythologisierungs versuch Bultmanns erwähnt und dieser
Theologe der liberalen protestantischen Theologie zugerechnet
. Ist das möglich ? Hat nicht gerade Bultmann — und mit
R echt — gegen solche Einordnung immer wieder protestiert ?
Und kann man sein bedeutsames Anliegen mit den wenigen
Sätzen erledigen, wie der Verf. es tut ? (444). Was heißt überhaupt
liberale Theologie ? Der Verf. scheint darunter eine
Theologie zu verstehen, die vornehmlich aus den Quellen der
Aufklärung gespeist wird und der historisch-kritischen bzw.
religionsgeschichtlichen Methode folgt (560). Wir fragen: gibt
es überhaupt noch eine derartige Theologie heute im Bereich
der protestantischen Kirchen ? Sodann aber scheint der Verf.
jede Theologie liberal zu nennen, die den Christus des Glaubens
aus dem Jesus der Geschichte entstehen läßt (561). Daun
wäre heute etwa die ganze protestantische Theologie — mit
Ausnahme der dialektischen — liberal. Vermutlich wäre der
Verf. doch zu anderen Ergebnissen gekommen, wenn er sich
eingehender mit den Erscheinungen der protestantischen Theologie
beschäftigt hätte.

Schon aus diesem rein ablehnenden Verhalten zu der
neueren protestantischen „liberalen" Theologie könnte mau
entnehmen, daß für die nun folgende Christologie das Problem
Geschichte im eigentlichen Sinne nicht existiert. Denn darin
scheint uns das besondere christologische Anliegen der protestantischen
Theologie heute zu bestehen, den Sachverhalt
der Geschichte ganz ernst zu nehmen und dann doch zum
Ubergeschichtlichen durchzustoßen. Scheinbar geht der Verf.
zunächst auf das Problem der historischen Forschung ein. Er
weist auf den Unterschied hin zwischen den synoptischen
Evangelien und dem Johannesevangelium. Aber: „Die Evangelisten
berichten, wenn auch nicht in allem form- und wortgetreu
, so doch sachgetreu die Werke und Worte Jesu". Die
„mancherlei Unebenheiten" sind bedeutungslos. Am stärksten
ist das Johannesevangelium durch die Denkweise und die Vorstellungsart
seines Verf.s geprägt. Aber: „Das beeinträchtigt
jedoch in keiner Weise die objektive Wahrheit des von ihm
Bezeugten!" Das ist durchaus folgerichtig, wenn — wie im
ersten Band des Werkes ausgeführt wurde — die Schriften
beider Testamente inspiriert sind. Das Eingehen auf die Geschichte
kann also von diesen Voraussetzungen aus nur
Schein sein.

Das wird bestätigt durch die nun folgende Christologie.
Zwar bemerkt der Verf. anfangs mit Recht, daß Person und
Werk Christi nicht zu trennen sind. Aber die Ausführung
trennt dann doch und behandelt im ersten Teil ausführlich die
Person ganz in den Bahnen der überlieferten Zweinaturenlehre
und in einem abschließenden zweiten Teil das Werk

Christi im Sinne des munus triplex. Der erste Teil ist eigentlich
nur eine Explizierung des Satzes, der seine Gedankenführung
eröffnet: „In Christus ist eine göttliche Person, nämlich
die Person des göttlichen Wortes, und in ihm sind zwei
Naturen, eine göttliche und eine menschliche" (566). Unter
Verwendung reichen dogmengeschichtlichen Materials und
unter Aufwendung eines beachtlichen Scharfsinns werden
beide Naturen aufeinander abgestimmt und wird dann ihre
Einheit begründet, die doch keine Einheit ist und sein kann.
Die Betonung liegt auf der göttlichen Person, denn auch das
Ich der menschlichen Natur ist der Logos (655). Aber besteht
dann noch das vere homo zu Recht ? Das Resultat muß der
unklare Kompromiß des Chalkedonense sein, der eigentlich
das Ende jeder menschlichen Spekulation über das vere homo
vere deus bedeutet. Aber warum dann noch heute die Zwei-
naturenlehre ? Ist sie nicht mehr geeignet, die Begegnung mit
dem geschichtlichen Jesus Christus zu erschweren als zu ermöglichen
? Es geht doch letzten Endes „nur" um Christus
als die Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes. Dann aber
liegt die Entscheidung in dem Aufweis, wie Christus diese
Offenbarung „für mich" wirkt.

Nur der letzte Teil des zweiten Hauptabschnittes handelt
von diesem Wirken. Christus der Mittler, der Hohepriester,
der Sieger, der Prophet, der König. Christus der Sieger — das
ist die Grundhaltung dieser ganzen Darstellung. Im Gegensatz
zu dem lutherischen crux sola est theologia nostra wird das
Kreuz nur peripher behandelt (S. 800—817). Und im Gegensatz
zu der protestantischen Deutung, wonach das Kreuz zugleich
Ausdruck der spontanen, unmotivierten Liebe Gottes
ist, im Gegensatz zu diesem gewaltigen Paradox: Kreuz und
doch Liebe, deutet der Verf. das Kreuz vorwiegend als Genugtuung
und Verdienst. Anselm wird Rechtgegeben: der Kreuzestod
war eine Wiederherstellung der verletzten Ehre Gottes,
da die Sünde eine „Störung der Rechtsordnung, eine Ehrverletzung
und Beleidigung Gottes" war (771, 808), und die Genugtuung
Christi war daher zugleich Verdienst, d. h. „eines
Lohnes würdig" (811). Wieder taucht hier die Frage auf, ob
diese Deutung nicht zu sehr alttestamentlich bestimmt ist, so
daß das eigentliche Anliegen christlichen Glaubens, die grundlose
Barmherzigkeit Gottes nicht zu Wort kommt. — Bei der
Erörterung der Höllenfahrt, Auferstehung und Himmelfahrt
wird dann noch einmal gegen die „liberale Theologie" Front
gemacht, die in diesen Glaubensaussagen nur Illusion und Betrug
sieht. Der Verf. betont demgegenüber, daß es sich bei
diesen Glaubeusvorstellungen um massiv geschichtliche Fakten
handelt. Er gibt die Unstimmigkeiten zwischen den neu-
testamentlichen Zeugnissen in „manchen Einzelheiten" zu, ist
aber der Meinung, daß dadurch ihr „voller geschichtlicher
Wert" nicht herabgesetzt wird. An anderen Stellen seines
Werkes faßt er die Möglichkeit ernsthaft ins Auge, daß die
Schriftsteller der Testamente sich zur Einkleidung der Offenbarung
auch einer mythischen Vorstellung bedienen konnten,
ja daß die Offenbarung „vielfach" im „mythischen Gewände
" erscheint (36, 444). In dem vorliegenden Zusammenhang
dagegen bleiben diese Fragen unerörtert. So wenig die
protestantische Theologie heute daran denkt, die Heilstateu
wie Auferstehung und Himmelfahrt zu entrealisieren, so sehr
beschäftigt sie doch das Anliegen, ob damit etwas gewonnen
wird, daß ihre Geschichtlichkeit besonders betont wird. Es
sind für uns religiöse Formen, deren Wirklichkeitsgeltung im
Zusammenhang mit der Gestalt Christi in sich selber ruht,
deren Mysterium dadurch nur verliert, wenn man sie auf die
Ebene des Profan-Geschichtlichen herabzieht.

Wir schließen damit unser Gespräch. Im Rahmen dieser
Besprechung konnten nur einige wenige Punkte erörtert werden
, die besonders die Distanz sichtbar werden ließen. Wir
hätten auch den umgekehrten Weg gehen können und das Gemeinsame
unserer beiderseitigen Haltung herausarbeiten können
. Auch das wäre durchaus möglich gewesen, denn des Gemeinsamen
ist, wie ich nochmals betone, viel. Aber wir
meinen mit dem von uns eingeschlagenen Weg der Sache
mehr dienen zu können. Diese Sache aber, der wir gemeinsam
dienen, ist allein Christus. Immer stärker zu wachsen in der
Erkenntnis und Verwirklichung seiner Wahrheit, darin kann
nur der letzte Sinn des Gespräches zwischen beiden Konfessioneil
gesehen werden.

Kiel Werner Schultz

MUCkermann, Hennann: Ewiges Gesetz. Berlin: Christophorus-Verlag
1947. 134 S. kl. 8°. Hlw. DM8.—.

Muekermanns Buch, dem Andenken seines Bruders Friedrich
gewidmet, bietet eine Auslegung der Zehn Gebote. Einleitend
wird eine historische Orientierung über die Offenbarung
auf dem Sinai gegeben („Vom Gottesberg in der