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Ausgabe:

1950 Nr. 9

Spalte:

560

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kooiman, Willem Jan

Titel/Untertitel:

Martin Luther 1950

Rezensent:

Heckel, Theodor

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559

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 9

560

Schlüsse der Herren Scholarchen zur Kenntnis des ganzen Rates kamen, weshalb
das Durcharbeiten der Universitätsakten hier besonders aufschlußreich
ist, so fällt doch auf, daß nur in zwei Sitzungen der Herren Eltern vom 23. I.
und 2. III. 1585 eine solche Angelegenheit zur Sprache kam (Mitteilungen,
S. 94 Anm. 193).

Leider fehlt noch eine Darstellung der kirchlichen Verhältnisse
in Nürnberg für die Zeit ab 1585—1625. So ist es
auch nicht möglich, die vielen neuen Ergebnisse dieser Arbeit
in das Größere einzuordnen, ja sie erst in ihrer Bedeutung voll
zu würdigen. Äußerlich angesehen zunächst eine Zeit der
Ruhe; es ist aber die Ruhe vor dem Sturm. Die Fronten
sammeln sich. Der Einfluß der kalvinischen Richtung wird
immer stärker; aber auch die Gegner nähern sich immer mehr
den Lutheranern. Der Rat selbst scheint befriedigt, daß er sich
mit keinen theologischen Streitigkeiten zu befassen hat. Da
erleuchtet em Pasquill gegen Schelhamer 1597 blitzartig die
ganze Lage. Zu seinein Schrecken sieht der Rat, als man die
Papiere des Konstantin Fabricius, in dem man den Autor dieser
Schrift vermutet, mustert, daß ehi regelrechter Briefverkehr
zwischen Beza und Nürnberg bestand, daß auch der bekannte
Jurist Gg. Jacob Monau (das ist der S. 103 erwähnte Monapius)
hier Gesinnungsgenossen hat. Es muß etwas geschehen, um
dem Verdacht, den Kalvhiern zuzuneigen, entgegenzutreten.
Das verlangt schon die Rücksicht auf den Kaiser. Darum beruft
man nach Altdorf Jacob Schopper. Er war kein Unbekannter
. 21. Mai 1588 hatte er als fürstlich brandenburgischer
Hofprediger von Ansbach in St. Lorenz Sabine, die Tochter
des ehrbaren Arsacius Schechner geheiratet. Wie nicht anders
zu erwarten, kommt es nun zu den wechselvollen Kämpfen,
die uns Scheurl anschaulich schildert. Die Nürnberger norma
doctrinaeliat er nicht unterschrieben. Von einer höheren Warte
aus gesellen, ist es ein Ringen um Gewinnen einer neuen Position
. Der Philippismus neigt sich dem Ende zu; es kostet aber
manchen Kampf, bis er sich dem aufstrebenden Luthertum
beugt; und dieser Kampf wird nicht hier, sondern in Nürnberg
durch Saubertus entschieden. Bloß die Spuren dieses Kampfes
sind noch lange in der Universitätsstadt wahrzunehmen: ihr
mangeln alle Promotionsrechte in der theologischen Fakultät.
Gerade dieses letzte Kapitel, das die Bedeutung der soziniani-
schen Kämpfe vor allem offenbart, wird seine volle Aufklärung
finden, wenn die Verhandlungen am Kaiserhof vollkommen
aufgehellt sind. Darüber geben uns allerdings die vom Verf.
zum erstenmal so erfolgreich erschlossenen Akten der Universität
keinen Aufschluß. Es kann zum Schlüsse nur dem
Wunsch Ausdruck gegeben werden, daß dieser Studie eine
Reihe gleich bedeutsamer Arbeiten folgen möchte.

Etliche Kleinigkeiten: Der S. 24 Anm. 24 zitierte Erlaß ist genommen aus
dem Dekret vom 19.4. 1577, gedr. Zeltner, vita Helingi S. 137ff. — S. 31
Z. 8 v.u.: „und" — S. 35 Z. 11 v.o.: über die Stellung der Lutheraner zur
Einführung der Ordination wissen wir nichts — S. 37 Z. 2 v.o.: „wider" —
S. 42: die 7. X. 1585 verlesene Erklärung ist doch etwas anderes als ein Ratsverlaß
— S. 43 Z. 8 v.u.: der Kaplan von Hersbruck hieß Melchior Diem —
S. 46 Z. 9 v. o.: „rixas" — S. 70 Z. 10 v. o.: „intricatas" — zu S. 79: Um die
wirklichen Einnahmen, besonders der Kapläne, festzustellen, sind die Pfarramtsrechnungen
, später geistlichen Güterrechnungen des Pflegeamts Altdorf
(ab 1550) heranzuziehen; es waren sämtliche Pfründen vereinigt worden
, um daraus die Besoldung der Geistlichen zu bestreiten.— S. 75 zu c:
Diese Sache hat ihren Grund in der dem Rat zustehenden völligen Episkopalgewalt
, dem jus in Sacra sowohl als circa Sacra.— S. 99 Z. 11 v.o.: „für".
— S. 59: Die Orte hießen Penzenhofen, Pühlheim, Ernhofen. — S. 105
Anm. 45: lies statt 154 „11". — S. 111 Z. 10 v.u.: statt „Küchlein"
„Kügelchen". — S. 112 Z. 4 v.u.: statt ,,143f." lies 170. — S. 116 Z. 12
v.u.: lies „177" statt 149. — S. 121 Z. 4 v.u.: „Ubiquitisten". — S. 131
Z. 11 v. o.: „geht". — Zu Spremberger wäre zu vergleichen Jegel, Aus
den religiösen Kämpfen in Nürnberg am Anfang des 17.Jahrhunderts. Blätter
für pfälzische Kirchengeschichte 1929. V, 175ff. Doch bringt er nur den
äußeren Lebensverlauf. Unter den Akten des Landpflegamts Nürnberg
(Pflegamt Altdorf) ist eine Beschwerde Schoppers über seine Lehre 1606.
S. I, L. 306, N. 9. Unter den von Ungarn an Bayern ausgelieferten Archivalien
(Rep. 82 Norica aus Ungarn) befindet sich ein Schreiben Sprembergers an
den Landpfleger Wolfg. Löffelholz wegen der Thesen, die mit Schopper disputiert
werden sollen 9. III. 1612 (Lit. 14). Bei dem ängstlichen Bemühen des
Rates, möglichst wenigen untergeordneten Stellen, ja auch Ratsmitgliedern in
diese Angelegenheiten Einblick zu gewähren, um so wichtiger. Die Unterschrift
, die er 5. Juli 1605 unter die Nürnberger Bekenntnisgrundlage (S. 134)
setzte: Johannes Christianus Spremberger corde manuque subscripsit normae
doctrinae Nurmbergensis manu propria. juravit. Bekenne auch hiermit, daß
ich meiner günstigen und gebietenden Herrn normam vleißig durchlesen, gedenke
auch demjenigen, was ich vor den Herrn scholarchis bekennet, vleißig
nachzukommen, endlich wolle ich auch Herrn Lutherum und Philippum in
der Lehr keineswegs zutrennen lassen. M. J. C. S. — S. 140 Z. 4 v. o.: „einschieben
" dülfte hier keinen schlimmen Sinn haben, sondern soviel als „einführen
" bedeuten. — Zu S. 152 Z. 6 v. u.: Tagebuchblätter Soners sind auch

im Germanischen Museum. — Zu S. 155 Z. 15 v. o. und S. 159 Z. 16 v. u.wäre
eine Erklärung der Personen Osterod und Grauer gut. — S. 167 Z. 14 v. o.: lies
„priesterliches". — S. 175 Z. 8 v. o.: lies „Theologen".

Nürnberg Schornbaum
Kooiman,Willem Jan: Martin Luther. Doktor der Heiligen Schrift.Reformator
der Kirche. München: Chr. Kaiser [1949J. 248 S. 8°. Hlw. DM8.50.

Dieses Buch ist, wie der Verf. in der Vorrede betont, aus
der praktischen Arbeit im Konf irmandenunterricht entstanden
und dabei erprobt worden. Wir freuen uns darüber, daß enie
solch sorgfältige, anschauliche und wesentliche Einführung in
Luthers Leben und Werk in Holland gepflegt wird, wir treuen
uns auch darüber, daß diese Arbeit jetzt in deutscher Sprache
erschienen ist. Dem Verf. ist es gelungen, die Ergebnisse der
Lutherforschung so zu berücksichtigen, daß die gelehrte V or-
arbeit den flüssigen Gang der Darstellung nicht belastet und
doch in allen wesentlichen Punkten durchscheint. Daß der
Autor überall den Kern der Lutherischen Lehre in Leben und
Werk in die Mitte rückt, macht den bleibenden Wert dieses
Buches aus, das wir in erster Lüiie in die Hand vieler Erzieher
der Jugend empfehlen, das aber auch den Gemeiiidegliedeni
einen wertvollen Dienst tun kann, um in den Wirren dieser
Zeit klare Erkenntnis und Wegweisung übet den lutherischen
Staudpunkt zu gewinnen.

Erlangen Theodor Heckel

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Benz, Ernst: Swedenborg in Deutschland. F. C. Oetingers und Immanuel
Kants Auseinandersetzung mit der Person und Lehre Emanuel Swedenborgs
. Nach neuen Quellen bearb. Frankfurt/M.: Klostermann [1947]. XI,
351 S. 8°. DM20.— ; geb. DM25.—.

Das vorliegende Buch gibt zu dem größeren Werk des
Verf.s über Swedenborg eine wertvolle Ergänzung. Wir sind
jetzt in der Lage, von der vielfach verdunkelten Gestalt dieser
ungewöhnlichen Persönlichkeit ein klareres Bild zu bekommen
als es bislang möglich war. Es ist gerade das „Unzeitgemäße ,
das die Stellung dieses seherischen Christen zwischen den
Fronten so exponiert sein läßt, das Swedenborg für unsere
eigene Zeit bemerkenswert macht. Denn das Bewußtsein des
Menschen befindet sich heute in einer tiefgehenden Wandlung
seiner gesamten Denkstruktur. Seit jener Zeit, da Kant die
„Träume eines Geistersehers" schrieb, hat die Entwicklung
über Feuerbach und Nietzsche zu einem völligen Verlust des
Glaubens an die Wirklichkeit der transzendenten Welt geführt.
Inmitten der Einöde des geistigen Bewußtseins unserer Zeit
erscheint heute das Zeichen Swedenborgs, des Naturforschers
und Visionärs, zwischen „Aufklärung" und „Orthodoxie" auf
einer erhöhten Ebene und mit radikalem Vorzeichen.

Das vorliegende Buch behandelt das Thema „Swedenborg
in Deutschland" in zwei Hauptteilen, deren erster dem Verhältnis
Swedenborgs zu Oetinger und deren zweiter der
Auseinandersetzung Kants mit Swedenborg gewidmet ist.

Der erste Hauptteil berichtet zunächst von Oetingers Begegnung
mit dem philosophischen und visionären Schrifttum
des großen Schweden. Oetinger war 1762 zu Tode erkrankt
und von dem Gedanken bewegt, welche Gestalt er wohl nach
seinem unmittelbar bevorstehenden Tode haben würde.

Neben den theosophischen Schriften Jakob Boehmes, den
Visionen der Heiligen Schrift vom Gottesreich und bestimmten
Gedanken der Kabbala sind es die Schriften Swedenborgs, die
in diesem Moment von entscheidendem Einfluß auf sein theologisches
System, vor allem auf seine Idee von der Leiblich-
keit des Geistes geworden sind.

Die Untersuchung wendet sich dann Oetingers erster
Swedenborg-Schrift zu, die unter folgendem Titel erschien:
„Swedenborgs und anderer Irrdische und himmlische Philosophie
, zur Prüfung des Besten ans Licht gestellt". Diese
Schrift trug Oetinger einen kirchlichen Prozeß von Seiten des
Stuttgarter Konsistoriums ein. Oetinger wird mit einer harten
Strafe und Rüge durch herzogliches Rescript belegt, die Auflage
beschlagnahmt.

Die Darstellung geht dann zum Briefwechsel Oetinger-
Swedenborg über, die zu den bedeutendsten Kapiteln des
Buches gehört.

Was Oetinger an Swedenborg fesselte, waren dessen Visionen
und Offenbarungen vom Zustand nach dem Tode. Es
waren gleichsam die Beweisstücke über die himmlischen Realitäten
des christlichen Glaubens. Was ihn indes von ihm
trennte, war für den biblizistischen Realismus Oetingers ein
sehr Gewichtiges. Es war die „geistlich-hieroglyphische" Auslegung
der Schrift, nach der Swedenborg, gemäß seiner Lehre