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Ausgabe:

1950 Nr. 1

Spalte:

38

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Merl, Otho

Titel/Untertitel:

Theologia Salmanticensis 1950

Rezensent:

Landgraf, Artur Michael

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 1

38

sich darum damit, die in der Erstausgabe behandelten Probleme
unter Berücksichtigung aller inzwischen neuerarbeiteten
Erkenntnisse erneut zur Darstellung zu bringen und damit
zugleich einen zuverlässigen Überblick über den Gang der
Forschung auf diesen Gebieten während der letzten Jahrzehnte
zu geben.

Da wegen des ersten Weltkrieges das 1914 erschienene
Werk in Deutschland viel zu wenig bekannt geworden ist und
auch nachher nicht genügend beachtet wurde, halte ich es für
notwendig, eine genauere Orientierung über den ungemein
reichen, jetzt wieder völlig erneuerten Inhalt zu geben. Das
dargebotene Material ist in fünf große Abschnitte aufgeteilt.
Im ersten Kapitel (S. 1—90) wird in kurzen Strichen, wie sie
nur ein Kenner der Spezialforschung vorzulegen imstande ist,
eine Vorgeschichte der im 12. Jahrhundert zu kräftigstem
Leben aufblühenden scholastischen Theologie geschrieben, angefangen
von der Zeit Augustins über die karolingische Renaissance
und die im 9.—11. Jahrhundert entstehenden kano-
nistischen Sammlungen bis zu den durch die Dialektik des
11. Jahrhunderts aufgeworfenen theologischen Problemen. Im
Anschluß an dieses wie an jedes der folgenden Kapitel werden
in einem Anhang verschiedene kleinere in den Rahmen der behandelten
Hauptthemen sich nicht gut einfügende Fragen
untersucht. Im ersten Anhang (S. 91—112) werden z. B. die
Bedeutung der Ubersetzung des Dionysius Areopagita, die
Hilduin und Johannes Scotus besorgt haben, und die Frage
der Echtheit der Glossa ordinaria des Walafrid Strabo besprochen
.

Am wichtigsten ist das zugleich umfangreichste zweite
Kapitel (S. 113—277). Hier wird die geistesgeschichtliche
Situation herausgearbeitet, aus der die Sentenzen des Petrus
Lombardus erwachsen sind. In ihrer Vorgeschichte spielt die
Schule von Laon, die durch Abälard und Gilbert von Porree
entfachte theologische Bewegung, ferner die Pariser Schulen,
insbesondere Hugo von St. Viktor und schließlich die von den
Kanonisten von Bologna (Gratian) herausgearbeitete Methode
eine entscheidende Rolle. Auf S. 213—249 wird der Lebensgang
und das Werk des Petrus Lombardus behandelt. Anschließend
wird dann die Geschichte der Opposition gegen die
Sentenzen bis zu ihrem endgültigen Sieg und ihre Bedeutung
als theologischen Lehrbuch bis ins 16. Jahrhundert geschrieben,
da das Werk des Lombarden durch die Summa theologica des
Thomas von Aquin abgelöst wurde. Aus den in den Appen-
dices erörterten Fragen hebe ich nur das Referat über die
Echtsfrage der Summa sententiarum (S. 293—296) und über
Spuren des Einflusses des Marius Victorinus in seinem Kommentar
zu Ciceros Schrift De inventione (S. 289—293) hervor.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Bedeutung der Sentenzen
des Gandulph von Bologna und sucht die Beziehungen
zu P. Lombardus durch Untersuchung der bei ihnen anzutreffenden
Zitate aus Johannes von Damascus zu präzisieren.
Gandulph erweist sich als der abhängige, später schreibende
Autor (S. 297—373).

Im Kapitel 4 (S. 374—412) wird uns eine Geschichte der
lateinischen Übersetzungen der Schrift De fide orthodoxa des
Johannes Damascenus durch Burgundio (1150) und der vier
weiteren vor 1500 verbreiteten Versionen dieses Werkes geschenkt
, und schließlich vermittelt das fünfte Kapitel (S. 416
bis 510) eine Vorstellung von der Bedeutung und. den engen
wechselseitigen Beziehungen zwischen der Theologie und der
damals entstehenden kirchlichen Rechtswissenschaft. Aus
diesem Abschnitt verdienen besondere Beachtung die Darlegungen
über die in beiden Wissenschaften gehandhabte Methode
, die bei der Harmonisierung der einander widersprechenden
Testimonia patrum angewandt wurde (S. 472—499), und
die Untersuchung über die in diesen Disziplinen sich entwickelnde
Diskussion über die Sakramentenlehre (S. 499 bis
510). Im Anhang (S. 511— 547) wird u.a. über die ältesten
abendländischen Listen von Kirchenlehrern gehandelt und
eine Übersicht über die neueste Diskussion zu den Thesen
R. Sohrns in seiner Beurteilung Gratians und des Kirchenrechts
geboten (S. 514—517; 517—532).

Jeder, der sich für die theologische Literatur- und Geistes-
geschichte interessiert und sich über den Stand der neuesten
Forschung schnell orientieren will, findet in dem großen Werk
einen kundigen Führer. Die einschlägige Literatur ist, nicht
selten unter Berücksichtigung wichtiger Rezensionen, wohl restlos
herangezogen und ausgenützt. Ausgezeichnete Indices
(S. 551—594) erschließen zuverlässig den ungewöhnlich reichen
Inhalt des wichtigen Werkes. Mit herzlichem Dank an den
greisen Verf. wird jeder Benützer das Buch aus der Hand
legen.

Würzburg Berthold Altaner

Merl, p. Otho, Dr. theol., OCD: Theologia Salmanticensis. Untersuchung
über Entstehung, Lehrrichtung und Quellen des theologischen Kurses der
spanischen Karmeliten. Regensburg: Jos. Habbel 1947. 323 S. 8°. Kart.
DM. 18.—.

Verf. hat sich der dankenswerten und, dies sei gleich von
vorneherein gesagt, von vielem Erfolg belohnten Arbeit unterzogen
, einmal den theologischen Kurs der Salmantizenser
Karmeliten einer gründlichen Analyse zu unterziehen, der
neben der seit den Forschungen Ehrles längst in ihrer Bedeutung
erkannten Dominikanerschule von Salamanca ein reichliches
Aschenbrödeldasein hat führen müssen. Nach lesenswerten
Ausführungen über das Werden des Karmelitenordens
und seines Studienbetriebes im allgemeinen und insbesondere
in Salamanca, werden die Autorenverhältnisse und die Geschichte
des Werdens des Cursus theologicus Salmanticensis
dargestellt, der ursprünglich in sechs Bänden geplant in den
schier hundert Jahren seines Werdens (1617—1712) auf zwölf
Bände angewachsen ist. Die Verfasser sind Antonius a Matre
Dei, Dominicus a S. Theresia, Johannes ab Annuntiatione, Antonius
a S. Joanne Baptista und Alphonsus ab Angelis. Wieweit
die Mitarbeit des Franciscus a S. Anna ging, ließ sich
nicht klären. Nach weiteren Mitteilungen über Gliederung
und Drucke des Cursus Salmanticensis, sowie einer vorzüglichen
kurzen Analyse seines Lehrinhaltes kommt die Darstellung
der Quellen, die den Hauptteil des Werkes ausmacht.
Nachweisen lassen sich als solche von Ungedrucktem nur
Werke der drei Dominikaner Alfonsus de Luna, Petrus de
Herrera und Petrus Godoy, sowie des Alfonsus Curiel. Wenn
auch Autoren der Frühscholastik zitiert werden, so scheint
doch, daß hier in den meisten Fällen die Kenntnis nicht durch
unmittelbare Einsichtnahme in die betreffenden Werke erworben
wurde. Das gleiche gilt für Albertus Magnus, und für
manch einen der späteren Autoren läßt sich diese Möglichkeit
entweder beweisen oder wenigstens nicht widerlegen. Aufgeführt
werden Autoren der mittelalterlichen Dominikaner-
und Franziskanerschule, Nominalisten, Dominikanertheologen
des 16. Jahrhundertsaus Salamanca und des 17. Jahrhunderts,
Franziskaner des 16. und 17. Jahrhunderts, Jesuiten und
andere Theologen. Auch den exegetischen, apologetisch-polemischen
, moraltheologischen und kirchenrechtlichen, sowie
den historischen Quellen geht der Verf. nach. Die besondere
Aufmerksamkeit des Verf.s gilt aber den Vorläufern aus dem
Karmelitenorden selber. Für den ganzen Cursus wird schließlich
die Summa theologica des hl. Thomas von Aquin als das
Substrat der Fragestellung und der Problemaufrollung erfunden
, ohne daß dabei alle Fragen der Summa behandelt
würden. Die Lösung der Probleme ist eigene Arbeit der Sal-
manticenses, allerdings unter ständiger Ausrichtung nach der
Lehre des Aquinaten. Dies hindert aber nicht, daß auch dem
hl. Thomas noch fremde Probleme aufgerollt und auf Grund
thomistischer Prinzipien zu lösen versucht werden. Nach Ausführungen
über die Methode des Cursus kommt zum Beschluß
ein Exkurs über die Beziehungen desselben zu den Theologen
des deutschen Raumes.

Man ist dem Verf. zu Dank verpflichtet dafür, daß er hier
eine schon lange ausstehende Arbeit geleistet hat. Er hat sich
in der Quellenanalyse auf die vom Cursus selber mit Namen
aufgeführten Autoren beschränkt. Die größere und unverhältnismäßig
mühevollere, dabei aber in den Ergebnissen auch
undankbarere Aufgabe, nämlich die heimlichen Quellen aufzusuchen
, ist noch zu lösen. Auch wäre noch eingehender die
Einwirkung der Salmantizenser auf die spätere Theologie nachzuprüfen
. Auch für den deutschen Raum ist die Zahl der
untersuchten Theologen — man denke nur an diejenigen, die
lateinisch schrieben — doch zu klein.

Bamberg A.M.Landgraf

Zumkeller, Adoiar, p. DDr. Lect., o. e. s.a.: Dionysius de Montina
ein neuentdeckter Augustinertheologe des Spätmittelalters. Würz-

burg: Augustinus-Verlag 1948. 88 S. 8° = Cassiciacum. Eine Sammlung
wissensch. Forsch, ü. d. hl. Augustinus u. d. Augustinerorden, sowie wissen-
schaftl. Arbeiten v. Augustinern aus anderen Wissensgebieten. Bd. IX.
2. Reihe: Schriften ü. d. Augustinerorden. 3. Bd. Kart. DM5.50.

Der Zisterzienser Joannes de Maceriis gab 1511 in
Paris den Sentenzenkommentar eines Dionysius Cister-
ciensis heraus. Auf Grund dieses Druckes nahm dann C. De
Visch den Dionysius Cisterciensis in seine Bibliotheca scrip-
torum ordinis Cisterciensis (Köln 1656) auf. Der belesene
Johannes Eck hatte zwar schon 1514 in seinem CÄryso/>ass«s
praedestinationis die Beobachtung geäußert, daß das Werk des
Dionysius Cisterciensis zum allergrößten Teil mit dem ungedruckten
Sentenzenkommentar des Konrad von Ebrach O.
Cist. übereinstimme. Dennoch wurde bis in die neueste Zeit