Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1950 Nr. 9

Spalte:

557-560

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Scheurl, Siegfried von

Titel/Untertitel:

Die theologische Fakultät Altdorf 1950

Rezensent:

Schornbaum, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

557

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 9

558

Ebenso besteht wohl Einigkeit darüber, daß die Christologie
jue .Mitte der lutherischen Lehre ist. Daß aber nun die Theologie
darum gerade an die altchristliche Theologie, und zwar
•*>iern sie nicht augustinisch beeinflußt ist, heranzurücken sei,
, eint mir nicht erwiesen. Maurer hat wiederholt eine ein-
g, endere Darstellung und Begründung in Aussicht gestellt,
aus sie hier gegeben werden konnte (S. 58, 77, 93, 134), von der
bl K aUch eine Klärun8 des Begriffs zu erhoffen sein wird. Mir
leibt es auffallend, daß Maurer zwar den Zusammenhang der
cnristologischen Anschauung mit dem „Wort" hervorhebt und
er >? Identität mit Christus betont (S. 52, 73, 115, 140), daß
aber gerade dieser Beziehung im einzelnen nicht nachgegangen
ist und ihre Bedeutung in der alten Kirche nicht
rortert, daß überhaupt die Predigt in der ganzen Unterteilung
kaum eüie Rolle spielt. Die Ausführungen dazu auf
ö- 52 f- sind mir nicht durchsichtig geworden.

Kleine Errata: S. 36, Anm.4 ist zu lesen: formetur; die Stellenangabe:
7™'31; S. 39, Anm.2 ist zu lesen: 101,2 f.; S. 108 lies Unterscheidung für
Untersuchung.

Bonn E. Bizer

Scheurl, Siegfried von: Die Theologische Fakultät Altdorf im Rahmen
der werdenden Universität 1575—1623. Nürnberg: Die Egge 1949. 188 s.
"° = Einzuarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns. 23. Band. DM6.—.

Der Universität Altdorf hat sich die Forschung bisher
wenig zugewandt. Sehr mit Unrecht. Wirkten da nicht Leute,
die noch heute unvergessen smd ? Es sei nur erinnert an Semler.
Lrn so dankenswerter ist es, wenn der junge Forscher daran
gegangen ist, wenigstens für die Anfangszeit der theologischen
Fakultät diese Lücke zu schließen. Er hat es getan in tiefschürfender
und deshalb erfolgreicher Forschung. Zum erstenmal
sind die Akten der Universität, die in Erlangen unbeachtet
hegen, der wissenschaftlichen Forschung zugeführt worden.

Die Arbeit zerfällt eigentlich in drei Teile. Zunächst zeigt
der Verf., wie von Anfang an der Rat von Nürnberg die Errichtung
emer Hochschule im Auge hatte und wie es ihm allmählich
gelaug die „Partikularschule" dazu umzugestalten.
Der zweite Teil schildert die Stellung der theologischen Fakultät
zu den religiösen und theologischen Problemen ihrer Zeit.
Zum Schluß würdigt er die bisher allein mehr beachtete Sozi-
nianische Bewegung in Altdorf. Die Regelung dieser Frage
steht in keinem Verhältnis zu ihrer Bedeutung; der Rat will
durch diese Aufmachung nur bestimmte Zwecke erreichen.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entschließt sich
der Rat zu Nürnberg wie so viele andere deutsche Territorien
zur Gründung einer Hochschule. Durch die Reformation ist
er an das Ziel langjähriger Wünsche gekommen. Die Episkopalgewalt
war ihm in vollem Umfang zugefallen. Eifersüchtig
wacht er über dieses Recht; auch die Kirchendiener werden
nur zur Beratung zugezogen; immer wieder wird betont, daß
das Recht zur Entscheidung ihm allem zustehe (S. 55. 28).
Aber er weiß auch, welche Pflichten sich daraus für ihn ergaben
; und wer die lange Zeit der Kirchenhoheit des Rates
einigermaßen kennt, kann ihm das Zeugnis nicht versagen,
daß er sich seiner Verpflichtung immer eingedenk war. Der
Rat hatte sich sowohl gegen Flacianer als Calvinisten entschieden
; seinem rationalen, vom Humanismus beeinflußten
Denken entsprach der Geist Melanchthons (S. 31). Das scriptum
declaratorium 1563, die norma doctrinae et judicii 1573
und das decretum Norimbergense 19. 4. 1577 hatten das klar
zum Ausdruck gebracht. 1585 wurden alle Kirchen- und Schul-
diener darauf feierlich verpflichtet. Diesem Geist sollte auch
die Altdorfer Schule dienen, anscheinend um so wichtiger,
nachdem die Wittenberger Hochschule dem Geist der Gnesio-
Jutheraner sich wieder geöffnet hatte. Dem Rate allerdings
kamen noch kerne Bedenken, ob nicht in dieser Geisteshaltung
Gefalirenmomente für seine neue Gründung lägen. Es waren
nur wenige, die hier erkannten, daß nur die Aussicht auf Bestand
hatten, die die tieferen Gedanken vertraten, um so mehr,
wenn sie auch für die berechtigten Gedanken des Philippismus
eintraten. Doch sollten die Entscheidungen nicht in Altdorf
getroffen werden; der Verf. sagt mit Recht, daß hier die
Fakultät geformt wurde (S. 14). Bestimmend war die Reichsstadt
selbst. Darum kann das Geschick der theologischen
Pakultät hi Altdorf nur dann vollkommen verstanden werden,
W-enn die Entwicklung der theologischen Haltung in Nürnberg
selbst ins Auge gefaßt wird. Und deren äußeren Verlauf wenigstens
von 1560—1585 schildern die Aufsätze im Archiv für
Reformationsgeschichte XIX, 175—193; XX, 1—33. Mitteilungen
des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg XL,
I—96.

Wie gesagt, der Verf. ist bis zu den Akten der Universität Altdorf vorgedrungen
. Im folgenden soll versucht werden, Ergänzungen zu geben, die geeignet
sind, das Bild noch schärfer zu erfassen. Mit Recht weist der Verf. darauf

hin, daß dem Rat von vornherein eine Hochschule vor Augen stand. Dies
dürften unzweifelhaft die Verhandlungen ergeben, die der Syndikus der Stadt,
Joachim König, mit der kaiserlichen Regierung, besonders dem Rat, Vizekanzler
Dr. Sigm. Viehauser, führte. Es scheiterte die Erlangung sämtlicher
Privilegien schließlich an der letzten Forderung desselben: 2000 fl. (Ratsverlaß
der Herrn Eltern 1. II. 1580), die der Rat ablehnte. Das wird allerdings nur
dann verständlich, wenn man daran denkt, daß der Rat noch eine andere Angelegenheit
, die für die wirtschaftliche und politische Stellung der Stadt von
ausschlagender Bedeutung war, zu einem erfolgreichen Abschluß bringen
mußte. Es handelte sich um die Lehensbestätigung des im bayrischen Erbfolgekrieg
1505 erworbenen Landbesitzes der Stadt, der Amter Altdorf, Lauf,
Hersbruch usw. (nicht wie S. 57 stellt, in Böhmen liegenden). Dies mußte in
jedem Fall erreicht werden, um die bayrischen Aspirationen hintanzuhalten;
und dagegen mußte die Gründung Altdorf und Erlangung der vollen kaiserlichen
Privilegien zurücktreten. Es wäre interessant aus den Stadtrechnungen
zu erfahren, wieviel Geld der Rat auf die Erlangung dieser Rechte und überhaupt
auf diese Sache ausgegeben hat. Der Verf. schreibt Heling entscheidenden
Einfluß auf die Gründung und Gestaltung der Hochschule zu (S. 31 f.).
Doch dürfen darüber die Juristen nicht vergessen werden. Männer wie Hieronymus
Baumgärtner und Philipp Geuder waren in theologischen Fragen gewiß
nicht weniger bewandert als die leitenden Geistlichen (S. 75, 97, 131). Und
sollte nicht auch auf Chr. Hardesheim hingewiesen werden dürfen, dessen theologische
Bücher es gewiß mit allen anderen jener Zeit aufnehmen können? Er,
der entscheidenden Einfluß auf die Politik des Rates Jahrzehnte hatte, hat gewiß
auch der neuen Hochschule seinen Geist eingeprägt. Von ihm schreibt der
Schaffer im Sebalder Totenbuch (Nr. 121, 26. Dez. 1585, Nr. 6775): Fuit vir
pietate, doctrina omniumque virtutum genere ornatissimus ac plane incom-
parabilis juris consultus et theologus praestantissimus, etiamsi crepet invidia,
cujus beata memoria Sit in benedictione. Der Verf. begründet den Einfluß
Helings schon aus dessen Stellung als „pastor", „Pfarramtsführer" bei S. Sebald
. Es darf darauf hingewiesen werden, daß es einen „pastor", oder „Pfarramtsführer
", oder „Archidiakon" im Nürnberger Gebiet damals nicht gegeben
hat. Da kannte man nur „Pfarrer" und „Kapläne" (gegen S. 33,57,44,73). Und in
der Stadt Nürnberg selbst hat man nach der Reformation nur den unbedeutenden
Vororten: St. Johannis, St. Leonhard, Wöhrd einen Pfarrer belassen. Die
beiden Pfarreien S. Sebald und S. Lorenz blieben nach dem Tode Georg
Peßlers und Hektor Pömers unbesetzt. Die pfarramtlichen Geschäfte übernahmen
die ältesten Kapläne, die Schaffer. Daneben wirkten seit 1522 die
Herren Prediger. Und die Predigerstelle bei S. Sebald war Mor. Heling übertragen
worden; dazu wurde er zum Superintendenten ernannt. Damit waren
aber keine Befugnisse in der Kirchenleitung verbunden, darüber wachte ängstlich
der Rat; auch hatte er keinerlei Amtsgewalt über die andern Geistlichen,
am wenigsten über die beiden anderen Superintendenten (gegen S. 33). Der
Verf. zweifelt mit Recht an der Behauptung, daß Heling am 2. III. 1575 zur
Ruhe gesetzt worden sei (S. 33). Die auf Gust. Gg. Zeltner, historiae Noriber-
gensis pericope in Manritii Helingi vita et fatis exhibita (Altdorf 1725, p. 82)
fußende Notiz beruht auf einem Mißverständnis. Der Rat entband ihn der
Verpflichtung zu predigen und gab ihm M. Heinr. Schmidtlein als Vikar bei.
Sowohl die Verlässe des Rates als die Verlässe der Herren Eltern erwähnen
eine Rullestandversetzung mit keinem Wort. Der Einfluß Helings beruht also
allein auf der Bedeutung seiner Persönlichkeit (S. 31). Die theologische Haltung
Helings entnimmt der Verf. dem scriptum declaratorium, dessen „auetor" =
Verfasser er ja gewesen sei (S. 36, aber S. 111). Nun ist aber dieses nach den
gewiß authentischen Angaben Schelhamers (war nie Pfarrer gegen S. 33) eine
gemeinsame Arbeit der drei Superintendenten Schelhamer, Lechner, Heling.
Nachdem sicli die Herrn Prediger an Sebald und Lorenz später als entschiedene
Gegner besonders im Punkt von der Realpräsenz gegenüberstanden, dürfte zunächst
wohl dieses Schriftstück zur Beurteilung der Auffassung Helings auszuscheiden
haben und anderes Material, vor allem seine Briefe, die in Hamburg
(Conspectus supelectilis epistolicae et literariae, quae extat apud Joh.
Christophorum Wolfium. Hamburg 1736, Vol. I, 36 [84 Briefe]), München
(Halm, Karl, Verzeichnis der handschriftlichen Sammlung des Canierarii.
München 1874, Tom. VII, 286—297; VIII, 314—316) und Bamberg (Katalog
der Handschriften der Kgl. Bibliothek zu Bamberg, bearbeitet von Hans
Fischer. Bamberg 1912, III, Mise. 70, 8) lagern, heranzuziehen sein. Dann
könnte festgestellt werden, worin die Gleichheit und worin die Abweichungen
beider bestehen. Der Hinweis auf einen Vermerk in einer Erlanger Handschrift
696: Scriptor fuit Mauritius Heling, antistes Sebaldinus, wobei scriptor
gleich auetor gefaßt wird, besagt nichts; diese Notiz auf einer Kopie ist
nicht gleichzeitig, sondern stammt erst von Gustav Georg Zeltner, der mit
Bedacht nur „scriptor" schrieb, weil er wohl die Erklärung Schelhamers vom
21. V. 1585 kannte, daß das scriptum declaratorium von Jacob Lechner und
ihm meistenteils begriffen und gestellt worden sei (Archiv für Reformationsgeschichte
XIX, 189). Diese Aufgabe ist um so wichtiger, weil dadurch erst
volles Licht auf die Stellung der Altdorfer Theologen fällt und manches in ein
anderes Licht rückt. Edo von Varel ist ja nach dem Verlaß der Herren Eltern
vom 14. III. 1581 durch Schelhamers Vermittlung berufen worden (gegen
S. 97). Es ist nicht gut denkbar, daß sie in ihren Anschauungen so verschieden
gewesen wären, daß dies der Anlaß zu der grundlegenden Aktion 1585, die dem
Gebiet Nürnbergs eine bis 1806 dauernde Lehrnorm gab, gewesen wäre (gegen
S. 102, 114). Die genaue Darstellung in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte
der Stadt Nürnberg, 40 S. 56ff. gibt ein anderes Bild. Dann verliert
aber auch die Aktion, die sich um die Person Siegels entspinnt, an Bedeutung
(zu S. 101). Und wenn auch hier gelten wird, daß die wenigsten Be-