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Ausgabe:

1950 Nr. 9

Spalte:

554-555

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Rauscher, Julius

Titel/Untertitel:

Aus dem Lande von Brenz und Bengel 1950

Rezensent:

Bizer, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 9

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kommen für ihn nicht in Betracht. Ein Metropolitan wird
a lerdings erst 789 aufgestellt. Bonifatius wendet sich vor
allem gegen die Iroschotten, denen allerdings kehie Bestrebungen
, sich von Rom zu trennen, zugeschrieben werden
dürfen; er stützt sich vor allem auf Angelsachsen. Gegenüber
der der Kirche äußerst wohlwollend gesinnten Herrschaft der
Agilolfinger — Tassilo III. wird eingehend gewürdigt und in
Schutz genommen —, erweist sich der Unitarismus Karls des
großen doch in mancher Hinsicht als Beeinträchtigung der
Freiheit der Kirche. Eine Fülle von Problemen berührt das
Kapitel „Mönchtum". Es handelt sich nicht um Missionsklöster
, sie dienen vielmehr in dieser Periode der Befestigung
?f.s christlichen Glaubens. Es gab bischöfliche und Sippenklöster
, Frauen- und Doppelklöster. Wenig ist über die Anlage
derselben, mehr über Verfassung, Lebensführung und Betätigimg
bekannt. Kurz behandelt der Verf. die Missionstätig-
keit der bayrischen Kirche in jener Zeit im Süden um Innichen,
'm Osten in Pannonien und Mähren, und im Norden: in Verden
a d. Aller. Auch die Wendenfrage wird hier berührt. Recht
ertragreich ist das Kapitel: Das innerkirchliche Leben. Wir
erhalten eine Fülle von Mitteilungen über das gottesdienstliche
ljnd kirchliche Leben jeuer Zeit. Wie eingehend geht der Verf.
den mannigfachen Heiligen jener Tage nach. Besondere Sorgfalt
aber widmet er dem Kapitel: Schrifttum und Kunst. Neben
den Schriftstellern Arbeo und Hugeberg hat er den bei Aventin
genannten ,,Krantz" als den Kanzler Tassilo III. ,,Fater"
identifiziert, der eine Lebensbeschreibung seüies Herzogs verlaßt
hat. Zwei Glossare kann er Freisiug zuweisen. Das Wesso-
hnuiner Gebet möchte er im Bischofskloster (?) im Staffelsee
entstanden sehen; das Muspilli dürfte in Regensburg oder
Salzburg gedichtet worden sein. Auch die Pflege der Musik
läßt sich schon in jener Zeit nachweisen; Papst Johann VIII.
erbittet sich von Freising eine Orgel und einen Orgelbauer. Das
Oktogon von Altötting, „Die heilige Kapelle", ist ein altchristliches
Baptisterium; sonst ist von Gebäuden aus jener Zeit
kaum mehr etwas vorhanden. Von kunstgewerblichen Gegenständen
haben sich zwei in unsere Zeit gerettet: der Tassilo-
kelch und ein Tragaltärchen Kaiser Arnulfs. Mit dem Zusammenbruch
der Kirche unter der Hunnenplage schließt der
Hand. Der Untergang der vielen Klöster ist durch die keineswegs
zu rechtfertigende Einziehung Arnulfs und die Einverleibung
derselben in die Domstifte bedingt. Den Abschluß
bilden die Bischofsreihen der bayr. Diözesen bis 1000 und die
Karte über die bayrische Bistunisorganisation, die ja in den
Grmulzügen heute noch Geltung hat.

Druckfehler: S. XI. 11. 16. 18. 104: „Noricum". S. 18 Z. 3 v. u.:
■ .Mönclisgemeinden". S. 22 Z. 7 v.u. ist unverständlich. S. 54: Suffersheim
Hegt im Landkreis Weiücnburg. S. 100: „arrengen". S. 157 Z. 1 v.u.:
Anm. 6. S. 180 Z. I v.o.: „907". S. 133. Sehr fraglich ist das „geschlossene
slavische Siedlungsgebiet".

Zu der Liste der Würzburger Bischöfe: Schöffel, der Quellenwart des
ältesten Würzburger Bischofskatalogs. Z. b. K. O. XV, lff. Das Register enthält
nur eine Auswahl. Das Auffinden der vielen Verweise ist deshalb erschwert
.

Nürnberg Schornbaum

Schoeps, Hans Joachim, Prof.: Das war Christian-Erlang. Berichte zur
Geistesgeschichte der Universität Erlangen im ersten Jahrhundert ihres Bestehens
. Erlangen: Palm u. Enke 1950. 96 S., mehr. Bi. Abb. 8°. DM 4.20.
In der Erkenntnis des Wertes und der Bedeutung gleichzeitiger
Äußerungen haben 1898 Frch. Stern und L. Müller in
ihrer Geschichte von Erlangen — Schubert, Hebel, Tieck, von
Platen, Fr. Rückert selbst zu Wort kommen lassen. Schöps
hat diesen Rahmen weit ausgedelmt. In ehier Fülle von Äußerungen
vergangener Zeit läßt er die Universitätsstadt Erlangen
hl dem ersten Jahrhundert üires Bestehens 1743—1843 vor
uns lebendig werden. Er lenkt den Blick auf bisher wenig Beachtete
wie Bardeleben (S. 39) und Joh. Michael Füssel
(S. 27); es sind nicht nur Deutsche, auch Schweden befinden
sich unter den Reisenden wie Nils Billingskiöld und Peter Ulr.
Keniell. Die Briefe des letzteren werden hier zum erstenmal
in deutscher Sprache zur Kenntnis gebracht. Gelegentliche
Bemerkungen aus den Universitätsakten wissen immer dem
Urteil einen gewissen Abschluß zu geben. Auch ganz Unbekanntes
wie der Brief des Theologiestudenten Konr.
v. Gerlach oder die Äußerungen Karl Raumers aus Göttingen
(S. 70 und 45) kommt zum erstenmal zu unserer Kenntnis.
Wovon erzählen doch alle diese vielen Stimmen ? Sie
schildern die Landschaft, in der Erlangen liegt, die Häuser und
Gebäude der Stadt. Sie geben Einblick in das Gebahren und
Leben der Bürger, der Einheimischen und der Refugies. Einen
breiten Raum nehmen natürlich die Berichte über die Studenten
eüi. Wir hören genugsam Bemerkungen über Fleiß und
Unfleiß; es wird eine Entwicklung des studentischen Verbindungswesens
in nuce gegeben; dem Charakter der Zeit entsprechend
tut sich das auch in der Tracht der Studenten kund.
Und nicht zuletzt, wie lebendig werden da die Gestalten so
mancher Professoren von Huth bis Mehmel. Gerade da zeigt
sich die Gabe des Herausgebers, mit wenig Worten, vielfach
gelegentlichen Notizen aus Akten eine ganze Persönlichkeit
richtig zu erfassen. Hier wird besonders viel Neues geboten.
Es sei nur erinnert an die Berufung Kants und Hegels. Sehr
eindrucksvoll die Schilderung der Wirksamkeit der einzelnen
Professoren, man denke an Schelling. Einen merklichen Einschnitt
bedeutet der Ubergang der Stadt an Bayern. Hier
hätte die Schilderung leicht ins Uferlose führen können, der
Verf. hat durch Herausholen einzelner Momente ein geschlossenes
Bild gegeben. Gerade dadurch ist manche Persönlichkeit
ins rechte Licht getreten. Daß solche Berichte immer
einen subjektiven Charakter tragen, ist dem Verf. nicht verborgen
. Wenn Schilderungen ab irato erfolgten (Rebmann),
hat er allen Ernstes darauf aufmerksam gemacht. Bei ganz
entgegengesetzten Urteilen wie G. Th. Chr. Harless weiß er die
rechte Synthese zu finden (S. 83). Es sind natürlich nur einzelne
Seiten, die in diesen Auszügen geboten werden. Manches
fehlt noch, wenn mau Erlangen in seiner Vergangenheit ganz
schauen will. Wir möchten etwas wissen von der Hofhaltung
der Markgräfin Sophie Charlotte und dem Einfluß derselben
auf die ganze Stadt. Im Fränkischen Kurier war eine hübsche
Schilderung ihrer Persönlichkeit und ihrer Wirkung einst zu
finden. Uber Goethe in Erlangen hat Kolde im Erlanger Tageblatt
13. Jan. 1908 eine kleine Studie veröffentlicht. Die Franzosenzeit
bedeutete für Erlangen eine große wirtschaftliche
Depression, die auch in der Folgezeit noch lange nachwirkte.
Das Heimarbeiterelend kannten die vielen Handschuhnähe-
rinnen genugsam. Das Wirken des Stadtvikars Schunck ist
vor allem dadurch bedingt gewesen. Und schließlich Christian-
Erlangs Geschichte ist nicht vollständig, wenn man nicht auch
die kirchlichen Verhältnisse in Betracht zieht. Die ganze hier
geschilderte Zeit zeigt die verschiedensten religiösen Strömungen
. Neben der Orthodoxie herrnhutische (S. 12) und
separatistische Einflüsse. Der Prosektor am anatomischen
Theater, Johann Nüzel, das Oberhaupt der Separatisten, starb
24. Nov. 1786 (G. W. A. Fikenscher, Gelehrtes Fürstentum
Baireut, Nürnberg 1803, VI, 131). Die neue Zeit kündet sich
an in der Zulassung der Katholiken. Der geistige Vater des
Rationalismus ward der praktische Theologe G. Fr. Seiler,
dessen Hauptwerk die Umgestaltung des Gottesdienstes war.
(Orthodox kann er wirklich nicht genannt werden. S. 50.) Volle
Beachtung verdienen auch die inhaltsreichen Anmerkungen
(S. 78 Z. 16 v. u. lies Aign; ebenso S. 94 Z. 1 v. o.) und die
charakteristischen Auszüge aus Stammbüchern. Mit Befriedigung
wird jeder das aufschlußreiche und inhaltsvolle Büchlein
mit seinen hübschen Illustrationen lesen.

Nürnberg Schornbaum
Rauscher, Julius, D. Dr.: Aus dem Lande von Brenz und Bengel.

50 Jahre württembergische Kirchengcschichtsforschung. Im Auftrag des
Vereines für württembergische Kirchengeschichte hrsg. Stuttgart: Quell-
Verlag 1946 228 S , 1 Taf. m. 6 Abb. 8° Kart. DM7.50.

Die Schrift enthält unter diesem verheißungsvollen Titel
zunächst einen vom Herausgeber verfaßten überblick über
die wichtigsten Erscheinungen zur württembergischen Kir-
chengeschichte seit 1896, d. h. seit der Begründung des Vereins
f. w. K.G., dankenswert, weil unter den heutigen Verhältnissen
der Zugang zur Arbeit der Vergangenheit so schwierig
ist, dankenswert auch als Einführung in diese seit 50 Jahren
sehr angeschwollene Arbeit. Man vermißt dabei freilich den
Hinweis auf die heutigen Aufgaben, unter denen immer noch
die Brenzausgabe an erster Stelle steht, wie auch der Hinweis
auf die Bedeutung dieser Forschung für die kirchliche Praxis.
In der Tat scheint sie ohne Verbindung mit dieser geblieben
zu sein und bleiben zu sollen.

Darauf folgen drei Aufsätze. Gustav Bossert schreibt
über Johann Geyling, den Schüler Luthers und Freund
Brenz', den ersten evangelischen Prediger in Württemberg,
von allgemeiner Bedeutung durch seine Beteiligung am Syn-
gramma der Schwaben und an der brandenburgisch-ansbachi-
schen Kirchenordnung 1530. Die beigegebene Sammlung von
Dokumenten enthält zum Teil unbekanntes Material. F. Fritz
handelt über Luthertum und Pietismus und korrigiert auf
Grund genauester Kenntnis der Einzelheiten das Bild des
Pietismus als des Retters aus der „toten" Orthodoxie. Der alte
Protestantismus, charakterisiert durch die Bedeutung der Predigt
und des (gesungenen) Liedes, nicht durch „Bücher oder
Schriften", hat auch auf sittlichem Gebiet Großes geleistet,
und der Pietismus war nicht eine mächtige Volksbewegung,
sondern die Sache ehier Müiderheit von bescheidener Be-