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Ausgabe:

1950 Nr. 9

Spalte:

552-553

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Bauerreiß, Romuald

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte Bayerns; Bd. 1: Von den Anfängen bis zu den Ungarneinfällen 1950

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 9

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zwischen der Himmelfahrt und der Wiederkunft, die Zeit „des Schweigens
Gottes": c. 13—16. „In der ersten Offenbarung ist der Mensch aufgefordert,
Gott dahin zu folgen, wohin er sich zurückzieht, den Weg des den Himmel
wieder einnehmenden Gottes im Glauben nachzugehen . . . Einem solchen
können die nunmehr auf die Erde gestürzten Dämonen wohl leiblich Schaden
tun und ihn töten, genau so wie sie ja auch den Sohn Gottes selbst getötet
haben, aber... sie können nicht heran an den ewigen Kern, der in ihn hineingepflanzt
wurde ... Er ist mit Gott versöhnt, er ist offen und bereit für den
Empfang der zweiten Offenbarung, die ihm die Erlösung bringt" (S. 10). Die
zweite Offenbarung schildern c. 17—20: „Nun erhebt Gott wieder seine
Stimme, um in seiner eigenen Sprache zu reden. Das Wort, das er jetzt redet,
das Wort der Majestät, bedeutet Erlösung für die Erwählten und Gericht für
alle, die dem Sohne nicht folgen wollten". Das Ende ist für die Erwählten
ein „Hindurchgehen", für die anderen ein Vergehen ins Nichts.

Dieses „Drama von Fall, Wiederbringung und Gericht" (S. 188), das die
Offenb. darstellt, ist nicht Beschreibung eines ablaufenden zeitlichen Geschehens
, sondern Offenbarung „des überzeitlichen Sinnes alles Zeitlichen und
der Zeit" (S. 13). Nur als solche ist es heilvoll. Der Mensch hat sich im Paradies
gegen Gott, also gegen die Ewigkeit für die Zeit entschieden. Er fiel in die Zeit
und suchte nun seine wahre Herkunft vergessend Herkunft und Hinkunft in
der Horizontalen (S. 11). So „kann die Erlösung nur stattfinden als Rückkehr
aus der Zeit". „Die Zukunft, in die uns die Gnade Gottes ruft und von der
auch die Offenb. spricht, liegt daher immer senkrecht oberhalb der Zeitstrecke
" (S. 12).

Die überzeitliche Deutung der Offenb., die Lolimeyer 1926
vorlegte, war ein durch exakte exegetische Arbeit begründeter,
der theologischen Neubesinnung jener Zeit entspringender
Weckruf zur Klärung der Vermengung von Geschichte und
Heilsgeschichte. Die von Reisner gebotene Weiterführung
dieser Deutungsweise ist weder exegetisch noch aligemein
theologisch gerechtfertigt. Das Zeugnis der Offenb. von dem
durch das Christusereignis zur Vollendung führenden Heilshandeln
Gottes wird hier von einem vorgefaßten Daseinsverständnis
aus umgeprägt in einen Erlösungsmythus, der
mancherlei Wahrheiten, aber nicht mehr die Wahrheit kundgibt
. Das Erlösungsdrama und die hinter ihm stehenden Wahrheiten
werden weithin mit Hilfe einer Stellenkombination und
Allegorese aus dem Text gewonnen, die, wie schon die oben eingestreuten
Proben zeigen, an phantasievoller Kühnheit dem
Verfahren eines Philo und der Gnostiker des 2. Jahrhunderts
nicht nachstehen. Diese Methode macht eine ernsthafte Diskussion
dieser Auslegung unmöglich. Die vorgefaßte Theologie
aber, die bei dieser Methode das Auslegungsergebnis bestimmt,
steht der gnostischen näher als der biblischen. So empfängt
das Bemühen um das Verständnis der Offenb. durch dieses
Buch wohl manche Anregung für die Anwendung des bereits
exegetisch Gesicherten, aber keinen Beitrag an begründeter
Exegese oder an tragfähigen grundsätzlichen Einsichten.

Hamburg Leonhard Goppelt

Gutzwiller, Richard: Jesus der Messias. Christus im Matthäus-Evangelium
. Einsiedeln/Zürich/Köln: Benziger Verl.[1949]. 383 S.8°. Lw. Fr. 16.80.

Das Buch verfolgt keine wissenschaftlichen Ziele. Es will vielmehr
„Christus dem heutigen Menschen nahebringen", und zwar indem es die
Christusdarstellung des Matthäus-Evangeliums „in ihrer Ursprünglichkeit aufzeigt
", d. h. ohne Seitenblicke auf die Darstellungen in anderen neutestament-
lichen Schriften, die vielmehr ebenfalls in entsprechender Weise für sich zu
behandeln seien. Das habe den Vorteil, daß der inspirierte Autor und damit
der hl. Geist selbst zum Worte komme, womit die Garantie der Echtheit gegeben
sei. Wenn gleichzeitig zum Lobe des Matthäus-Evangeliums bemerkt
wird, hier sei noch der erste, unmittelbare Eindruck der Gestalt und der Worte
Jesu auf jeder Seite spürbar, da ein Augenzeuge den Herrn schildere und
alle späteren Übermalungen und Interpretationen fehlen, so ist diese Begründung
seines Wertes also eigentlich überflüssig und, wiewohl sachlich nicht zutreffend
, nur als glückliche Inkonsequenz zu betrachten.

Der Text des Evangeliums wird in sieben große Abschnitte zerlegt, deren
fünf mittlere sich um die fünf großen Reden Jesu gruppieren. Um den Leser
wirklich an den Text heranzubringen, wird dieser zu Beginn der großen Abschnitte
oder ihrer Teile deutsch dargeboten. Statt einer Auslegung bietet der
Verf. weiter eine ziemlich summarische Behandlung der Grundgedanken und
am Schluß jeweils eine Zusammenfassung dessen, was über Christus in dem
betreffenden Abschnitt zu lesen sei. Das Entscheidende und für das ganze
Evangelium Bezeichnende sei, daß überall Jesus als Christus geschildert wird,
ohne daß doch dabei die Spannungen, mit welchen — auch ganz abgesehen
von dem Gegensatz zum politischen Messianismus — dieser Begriff geladen ist,
zum Bewußtsein gebracht, geschweige denn geklärt würden. Die Darstellung
ist rein thetisch, der Stil erbaulich, mit einem rhetorischen Einschlag. Alles,
was über Maria und Petrus gesagt wird, interpretiert die Texte nach der katholischen
Dogmatik. Schwierigkeiten, z. B. in 1,25 (itoe . . .) und 13, 55, bestehen
überhaupt nicht. Bedenken gegenüber der Echtheit von Matth. 16, 18
erklären'sich nur ausVoreingenommenheit — obwohl weder Markus,noch Paulus,
noch Johannes, noch die Apostelgeschichte von einer Primatsstellungdes Petrus
das geringste erkennen lassen. Auf die zahlreichen Fragen, die der Text
des Matthäusevangeliums, auch wenn man ihn für sich aljein betrachtet, erst

recht, wenn man ihn mit den anderen Evangelien vergleicht, jedem aufmerksamen
und nachdenklichen Leser in den Weg legt, wird nirgends eingegangen
.

Der methodische Grundgedanke, von dem der Verf. ausgeht, nämlich der
Fruchtbarkeit der sorgfältigen Herausarbeitung der Christusbilder der neu-
testamentlichen Schriften in ihrer Verschiedenheit, ist durchaus richtig. Aber
er wird seine Fruchtbarkeit nur erweisen, wenn er mit dem ganzen Wahrheitsernst
der historisch-kritischen Forschung durchgeführt wird. Diese kann man
ignorieren, aber nur um den Preis der Überzeugungskraft der eigenen Beweisführung
. Eine Darstellung wie die hier vorliegende kann nur sehr anspruchslosen
Gemütern genügen.

In einer Zeit, welche die deutsche Sprache so sträflich mißhandelt, wie
die unsrige, sei es erlaubt, noch auf eine Sprachsünde aufmerksam zu machen,
die merkwürdigerweise in der katholisch-theologischen Literatur ziemlich verbreitet
ist — nur in ihr — und sich auch in diesem Buche einige Male findet:
„Die katholische Lehre von den zwei Ständen (dem der Gebote und dem der
Räte)... ist hier (in Matth. 19,21) grundgelegt". Gemeint ist natürlich,
diese Stelle bilde den Grund dieser Lehre. Aber „grundgeiegt" ist eine logisch
unklare Wortbildung und kein Deutsch.

Erlangen St rathmann

TERRITORIA T KIRCHENGESCHICHTE

Bauerreiß, Romuald, osb.: Kirchengeschichte Bayerns. Erster Band:

Von den Anfängen bis zu den Ungarneinfällen. St. Ottilien: Eos Verlag d.

Erzabtei St. Ottilien [1949J. XVI, 196 S. m. Abb. u. Taf., 1 Kte. gr. 8°.
Eine Kirchengeschichte Bayerns begegnet besonderen
Schwierigkeiten. Nur selten hat man sich bis jetzt an diese
Aufgabe gewagt. Es wird daher mit besonderer Freude begrüßt
, wenn der Mann, der durch seine vielen Forschungen
vor allem dazu berufen ist, nunmehr wenigstens den ersten
Band einer solchen, die die Zeit von den Anfängen des Christentums
bis zu den Ungarneinfällen behandelt, uns vorlegt. Welches
sind die Schwierigkeiten ? Vor allem die Frage, ob es
gelingt, das heutige Bayern in seinen mehr als hundert Territorien
, die erst in der napoleonischen Zeit zusammengefaßt
wurden, in einer einheitlichen Schau zusammenzufassen. Wie
überwindet er diese Schwierigkeit ? Er sieht davon ab, ein Gesamtbild
der von ihm behandelten Zeit zu geben, er verschmäht
es auch, die politischen Entwicklungen, die auf das
kirchliche Gebiet bestimmend einwirkten, heranzuziehen; er
behandelt nur das, was sich wirklich feststellen läßt. Es sind
Detailfragen; diese allerdings werden so gründlich behandelt,
daß sie das Fundament jeder weiteren Forschung sein werden.
Dabei stellt sich heraus, daß das, was wir über Franken und
Schwaben in dieser Periode wissen, so gering ist, daß es leicht
an entsprechender Stelle eingereiht werden kann. So wird
denn dieser erste Band im wesentlichen ein Bild der Kirche
im alten Herzogtum Bayern.

Welches sind nun die Probleme, die den Verf. hier vor
allem bewegen ? Das Christentum kommt durch Kaufleute und
Handwerker nach Rtätien und Noricum. Als Märtyrerinnen
stehen Afra und Sarmannina fest. Nach dem Sieg an der
milorischen Brücke kommt es im Zuge der straffen weltlichen
Organisation zur Errichtung von Bistümern in Augsburg,
Regensburg, Passau. Das Bistum Neuburg verlegt der Verf. in
den Staffelsee. Der Metropolitanverband war Aquileja. Die
römische Periode schließt ab mit dem Wirken des Severin.
Erhalten sind aus dieser Zeit eiserne Kreuze, die bei Eitting
gefunden wurden, und ein Baptisterium in Augsburg. Neben
Eugipius werden als Schriftsteller Frechulf von Lisieux und
Sekundinus von Trient notiert. Zu erforschen wäre wohl das
Verhältnis der Christen zu den keltischen Ureinwohnern und
römischen Siedlern.

Nachdem im 5. Jahrhundert die Alemannen nach Schwaben
vorgedrungen waren, besiedelten in der Mitte des
6. Jahrhunderts die Bayern das Land zwischen Lech und Inn;
zu gleicher Zeit zerstörten die Franken das Reich der Thüringer
. Die Bayern waren erst vor kurzem bekehrt; doch
waren sie nicht dem Arianismus ergeben; vielmehr zeigten sich
noch lange Spuren des früheren Heidentums; doch mahnt der
Verf. hier zur Vorsicht. Um deren Uberwindung bemühte sich
zunächst die irische Mission, die von Luxeuil ausgehend bis
nach Weltenburg reichte. Ihre Vertreter sind Korbinian,
Marianus und Anianus, Magnus und in Franken Kilian. Ihr
folgt eine frühfränkische Mission, die als LIauptvertreter Rupert
und Emeran aufweist. Die angelsächsische Mission wirkt vor
allem im Würzburger und Eichstätter Gebiet. Erst um die
Mitte des 8. Jahrhunderts gelingt Bonifatius, das ganze Gebiet
vom Thüringerwald bis zu den Alpen kirchlich durch Errichtung
von Bistümern zu organisieren und in den' Bereich
der römischen Kirche einzugliedern. Politische Gesichtspunkte