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Ausgabe:

1950 Nr. 8

Spalte:

496-497

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Trillhaas, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Grundzüge der Religionspsychologie 1950

Rezensent:

Jahn, E.

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 8

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eingeleitet. Schon die innere Dialektik des Humanismus
bahnte eine zunehmende Entfremdung der Kultur vom
Christentum an, und der Auflösungsprozeß unserer Tage mit
seinem allgemeinen Skeptizismus und seiner Indifferenz hat
eine Situation geschaffen, in der wohl keine der jetzt bekannten
Formen des Christentums durch sich allein eine Erneuerung
bringen wird, wenn nicht die Kräfte der Gesellschaft mitwirken
. Dazu ist eine geistige Umformung erforderlich, für die
der christlichen Erziehung eine ungeheure Aufgabe zufällt.
Es gilt, die heutige materialistische Pseudokultur mit tieferen
geistigen Kräften zu erfüllen, die noch immer in allen großen
Kulturen der Vergangenheit das schöpferische Element gewesen
sind. Erst von da aus wird auch die Kunst wieder als
eine Offenbarung Gottes verstanden werden, und nicht bloß
als ein Gegenstand der Unterhaltung. Daß alle echte Kunst
Schöpfung ist und als solche religiösen Ursprungs, zu dieser
Erkenntnis hinzuleiten wird der christliche Beitrag zu dieser
Frage sein müssen. Ähnliches gilt auch für das Gebiet der
Arbeit, die sowohl Fluch wie Segen sein kann. Die heutige
Versklavung unter geisttötende Arbeit und die Verkehrung
aller Werte, die eine Folge des heutigen industriellen Systems
ist, bedarf der Korrektur durch ein christliches Verständnis
der Arbeit, das den Menschen eine Beziehung zu seinem Werk
finden und wieder einen Sinn in ihm erkennen läßt.

In unserer Zeit mehren sich die Anzeichen dafür, daß
unsere Kultur einer religiösen Grundlage bedarf, denn unser
natürliches und soziales Leben hat die Verbindung mit Gott
verloren. Hier liegt die Aufgabe der christlichen Religion,
die selber ihre derzeitige Krise überwinden und zu einem viel
mehr innerlichen Leben sich zurückfüiden muß, um ein Salz
der Erde und ein Licht der Welt werden zu können.

Da es nicht die Absicht dieser Vorlesungen ist, neue
wissenschaftliche Erkenntnisse herauszuarbeiten, sondern vielmehr
der Zuhörerschaft ein Verständnis ihrer eigenen Gegenwart
zu vermitteln, so erfüllen sie, trotz einigen anfechtbaren
Behauptungen, doch im ganzen vollkommen ihren beabsichtigten
Zweck.

Insingen bei Rothenburg o/T. Hermann Ooetz

Asmussen, Hans: Das Sakrament. Stuttgart: Quell-Verlag [1948], 47 S.
kl. 8°. Kart. DM 1.—.

„Ist das, was da beim Taufen und am Altar geschieht,
wirklich das, was Christus bei der Einsetzung des Sakramentes
gemeint hat?" — Schon diese Fragestellung, mit der
Asmussen eine Betrachtung eröffnet, offenbart uns seine Freiheit
zur Originalität in der Behandlung des Themas. Und diese
Ursprünglichkeit beruht darin, daß Asmussen das Wesen des
Sakramentes von verschiedener Sicht her beleuchtet. Das
Sakrament als Weg zur Gemeinschaft. Es geht ja um die Erbauung
des Leibes Christi durch Abendmahl und Taufe. So
ist das Sakrament das Feldzeichen aller derer, die sich zu dieser
Gemeinschaft sammeln. „Die Sakramente nämlich sind kräftige
Zeichen, die uns durch das, was sie bezeichnen, als Gemeinde
zusammenfassen" (12). Das Sakrament bekundet uns
die Tatsache, daß ein Teil für das Ganze gilt. „Das wenige
Brot und der Schluck Wein stellen das Ganze dar . . . Ob bei
der Taufe der Täufling ganz eingetaucht wird oder nur mit
Wasser besprengt wird, ändert das Maß des Heiles . . . nicht"
(14). So werden wir im Sakrament mit dem ganzen Christus
verbunden und der ganze Christus verbindet sich mit uns.
Sakrament und Opfer gehören zusammen. Opfer ist die
Selbsthingabe, „daß ich mich hingebe mit allem, was ich bin
und habe". „Was sich im Sakrament ereignet, ist dieses: Wir
bringen uns selbst Gott dar, dem wir gehören" (23). Sakrament
und Nachfolge gehören zusammen. „Die Nachfolge, die
von mir verlangt wird, besteht darin, daß ich in das Bild des
anderen verwandelt werde" (26). Es sind die Sakramente,
durch die „das Bild Christi in uns und an uns gestaltet wird"
26). Nunmehr entwickelt uns Asmussen die Sakramentsaufassung
der reformierten, der lutherischen und der katholischen
Kirche. Dabei richtet sich das Hauptanliegen darauf,
mit wenigen Strichen das Charakteristische jeweils herauszuarbeiten
.

Es ist eine Schrift, die der Theologe wie der Laie leicht
aufnehmen kann. Das macht ihren praktischen Wert aus.

Es kann nicht bezweifelt werden, daß der Weg, auf dem
Asmussen hier an das Thema herangeht und was er selber zu
diesem Thema inhaltlich zu sagen hat, die einzig mögliche
Form und der einzig mögliche Inhalt dessen ist, was heute
über Sakramente gesagt werden muß. Es ist die Freiheit der
Kinder Gottes jenseits aller konfessionalistischen Schranken
spürbar, die hier, allein von einem ursprünglichen Lesen der
Texte herkommend, wirklich Neues und Befreiendes zu sagen
weiß. Demgegenüber bleibt es gering anzuschlagen, daß natürlich
im Kähmen einer kleinen Broschüre von 47 Seiten Anstände
an die Erschöpfung des Themas zu machen wären.
Aber wo würde wohl jemals über die Mysterien Gottes Erschöpfendes
gesagt werden können ?

Berlin Otto A. Dilschneider

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Trillhaas, Wolfgang: Grundzüge der Religionspsychologie. München:
Chr. Kaiser Verlag 1946. 168 S. 8°. DM4.—.

Die klassische religionspsychologische Literatur ist einst
in Nordamerika entstanden. Das von Wobbermin übersetzte
Werk von William James, in Deutschland unter dem Titel bekannt
: „Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit",
kann in mancher Hinsicht auch heute als klassische Leistung
angesprochen werden, wenn naturgemäß manche moderne
Problemstellung noch nicht berücksichtigt ist. Die Religions-
psychologie von Starbuck ist eine Materialsammlung, die vor
Jahrzehnten auf Grund der Fragebogemnethode entstanden
ist, und zwar im Blick auf das Bekehrungserlebnis. Von deutschen
Forschern hat sich insbesondere Girgensolm mit der
experimentellen Religionspsychologie beschäftigt, die im
ganzen aber doch ein begrenztes Spezialgebiet geblieben ist.
Wenn nun Wolfgang Trillhaas sein Werk über „Grundzüge
der Religionspsychologie" vorlegt, so begegnet uns seit Jahren
zum ersten Male wieder eine selbständige und tiefschürfende
Durchdeukung der religionspsychologischen Problematik. Es
ist unmöglich, in der Kürze die ganze Fülle der Fragen zu beschreiben
, die der Verf. in seinem grundlegenden Werk entwickelt
. Schon ein erster Uberblick läßt erkennen, daß ihm
die ganze Weite der Fragestellung zugänglich ist. Insbesondere
sei auf seine Darstellung der religiösen Anlage, der
Probleme des Glaubens und des Zweifels, des Gebetes und des
Gewissens, der Lebensalter und der pathologischen Religiosität
hingewiesen. Der Ursprung der religiösen Erfahrung führt
Trillhaas einmal auf die urtümliche Angst, dann auf das Erlebnis
übermenschlicher Mächtigkeit zurück. Aber die Religion
ist „nicht einfach emotional erklärbar" (S. 21). Zu dem
religiösen Akt gehört vielmehr die Bezugnahme auf „sein
intentionales Korrelat". Die religiösen Akte beziehen sich auf
das „Göttliche". Es gibt eine Rezeptivität auf religiösem Gebiet
, und es gibt eine prophetische Frömmigkeit. Religion ist
aber mehr als bloße Anlage zum Religiösen hin, weil sie nicht
ohne Gegenstandsbereich denkbar ist. So hat Trillhaas das Problem
des religiösen Apriori, von dem Troeltsch sprach, von
neuem in die Diskussion hineingestellt. Der Verf. wendet sich
gegen jede Rationalisierung desGlaubens. „Im reformatorischen
Sinne ist der Glaube ein Geschenk Gottes, eine Gnade" (S. 29).
Die empirische Frömmigkeit stützt sich auf die Autorität, auf
den Kinderglauben und auf die kirchliche Unterweisung.
Glaube ist Geschenk Gottes, aber auch fides historica (S. 36).
Glaube und Wille berühren sich, aber „das Einleuchten des
Göttlichen in die Seele geschieht dann wirklich ohne unser
Zutun". Die Ausführungen über das Gewissen berühren eines
der schwierigsten Probleme des Glaubenslebens. Dem Verf.
geht es um die Analyse des Gewissens selbst. Das Gewissen
ist persönlich. Sein Urteil ergeht immer „per du" (S. 65). Das
Gewissen kann erkranken, und zwar in der Abstumpfung.
Es gibt auch eine Suspendierung des Gewissens (S. 70). Die
Umwelt vermag auf das Gewissen positiv oder negativ einzuwirken
. Gewissenskonflikte können in die Verzweiflung hineinführen
. Von großer praktischer Bedeutung sind die Ausführungen
über das Verhalten der Geschlechter zur Religion.
Es wird darauf hingewiesen, daß der moderne Großstädter
männlichen Geschlechtes, soweit er beruflich voll beansprucht
ist, sein Zuhause fast nur noch wie ein Urlaubserlebnis empfindet
. Damit nivelliert sich das Glaubenslebeu des Mannes,
weil die berufliche Beanspruchung ihn kaum zur Konzentration
kommen läßt. Die Frau hat vielfach die größere Ahnungsfähigkeit
, während dem Manne der Realismus eignet. Ob die
Mädchen religiös stärker empfänglich sind als die Knaben,
scheint mir eine noch ungeklärte Frage zu sein. Es ist von
großem Wert, daß der Verf. die Bedeutung der verschiedenen
Lebensalter für die Glaubensentwicklung betont. Freilich sind
Kinder und junge Menschen für religiöse Impressionen oft
empfänglicher als gealterte Menschen. Hier wird das Kon-
firmationsproblem in seiner ganzen Schwierigkeit sichtbar.
Das Alter steht unter dem Zeichen der Todesahnung. C. G.
Jung hat darauf hingewiesen, daß sich die eigentliche Lebensreifung
zwischen dem fünften und sechsten Lebeusjahrzehnt
bildet. Es ist das Verdienst des Verf.s, daß er auf die
Glaubeussituation des höhereu Lebensalters hingewiesen hat,

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