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Ausgabe:

1950 Nr. 8

Spalte:

481-484

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Prümm, Karl

Titel/Untertitel:

Religionsgeschichtliches Handbuch 1950

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 8

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SiTTiyTa Hab. 2, 15 zeigt und wie qi = jöm < jawm in der
Mloah-Inschrift und -p = jen < Jap in den Ostraka von
Samarien beweisen. Auch der Ersatz von MT "pn durch pp[
Hab. 2, 5 ist nur möglich, wenn die Vorlage yij-j geboten hat.

Es wäre daher auch eine dringende Aufgabe, einmal zu
untersuchen, wie weit etwa die massoretischen Texte nach den
^nnzipien der Setzung von Vokalbuchstaben gruppiert werden
können. Vielleicht könnten dann vorsichtige Schlüsse über den
Zeitpunkt gezogen werden, zu dem der einzelne Text seine
jetzt vorliegende Gestalt erhalten hat. Damit wären vielleicht

einige Aufschlüsse über die Kanonisierung einzelner Bücher
zu gewinnen. Das ist freilich ein Fernziel, zu dessen Erreichung
allerdings nun auch die Bruchstücke biblischer Texte in alt-
hebräischer Schrift eingesetzt werden können, die in der Höhle
von Hirbet Qumrän gefunden worden sind1. Ob sich dann
die eine oder andere crux lösen lassen wird, für die die vorliegende
Habakkukrolle noch keine Lösung bietet, bleibt abzuwarten
.

') Vgl. die wenigen Proben, die Sukenik, a.a.O. II, Tafel XII bietet.

a I e n s t e i n, Meir[Lecturer in Medieval and Modern Hebrew in the Universi-
'yof Manchester]: Hymns from the Judean Scrolls. witn introduction,
Translation and Annotation. Manchester: The University Press 1950.
23 S. gr. 8».

Das Büchlein unterrichtet den Leser zunächst über die im
öoninier iq47 jn einer Höhle am Nordwestende des Toten
^leeres gefundenen Handschriftenrollen. Elf an der Zahl, enthalten
sie sieben verschiedene Literaturwerke, von denen vier
<, J*er vollständige Jesaja, der Habakuk-Kommentar, das
öektenbuch und das apokryphe Lamcch-Buch — sich im Be-

ltze des syrischen Metropoliten von Jerusalem befinden und
Y°n..d,lesem den American Schools of Oriental Research zur
Veröffentlichung anvertraut sind, und drei — der fragmentarische
Jesaja, das Buch vom Kampf der Kinder des Lichts
gegen die Kinder der Finsternis und das Buch der Dank-

lecier _ dem Museum der Hebräischen Universität in Jerusa-
fiK1 gellören und von diesem E. Sukenik zur Bearbeitung
übergeben sind. Zwei von diesen Dankliedern, die Sukenik
»n seinen ,,Megilloth Genuzoth" von 1948 veröffentlicht und
erklärt hat, legt Wallenstein hier in Faksimile, Translite-

ation mit den uns geläufigen hebräischen Buchstaben und

«glisclier Ubersetzung aufs neue vor und gibt ihnen einen
Knappen Kommentar bei, der in erster Linie grammatikalisch-

exikographischen Inhalts ist, daneben aber auch — namentlich
durch Hinweis auf ähnliche Stellen des Alten Testaments
und der rabbinischen Literatur — zur sachlichen Erklärung der
beiden Lieder mancherlei beträgt. Dabei weicht Wallen-
stein von der Erklärung, die Sukenik gegeben hatte, zu
wiederholten Malen ab, was wenigstens in der Mehrzahl (K r
Fälle, etwa in der Ergänzung der in den hier in Betracht
kommenden Kolumnen-Teilen enthaltenen kleinen Lücken,
einen Fortschritt bedeutet. Beim zweiten Lied, das bis zum
Anfang von Z. 6 „Ich, geknetet mit Wasser, was habe ich zu
bedeuten?" einen klaren Gedankengang aufweist, aber von
da ab dem Erklärer noch manche Schwierigkeit bereitet, hat
Wallenstein wohl richtig erkannt, daß Z. 8 „Wenn alle
Fallen der Unterwelt gestellt werden" bis Z. 10, erste Hälfte
„Ausgießen des Zorns über alle Unschuldigen" Vordersatz zu
dem mit Z. 10, zweite Hälfte „dann Zeit des Zorns für ganz
Belial" beginnenden Nachsatz ist. Aber der zwischen dem Anfang
von Z. 6 und dem Anfang von Z. 8 stehende Passus
kommt in Wallensteins Kommentar leider insofern etwas
zu kurz, als hier unklar bleibt, wie dieses Stück selbst zu verstehen
und seine Rolle als Ubergang von Z. 1—5 zu Z. 8—14
zu denken ist. Hoffentlich beteiligt sich Wallenstein weiterhin
an der Lösung der vielen mit dem Handschriftenfund gegebenen
ProbleiiK'.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

NEUTESTAM ENTLICHE ZEITGESCHICHTE

Prümm, Karl: Religionsgeschichtliches Handbuch für den Raum der
altchristlichen Umwelt. Hellenistisch-römische Geistesströmungen und
Kulte. Mit Beachtung des Eigenlebens der Provinzen. Freiburg, Br.: Herder
1943. XVI, 921 S. 8°. DM45.— ; Lw. DM48.—.

Karl Prümm, S. J., hatte 1935 cm zweibändiges Werk
..Der christliche Glaube und die altheidnische Welt" erseheinen
lassen, dem 1939 ein einbändiges folgte „Christentum
als Neuheitserlebnis. Durchblick durch die christlich-antike
Begegnung". Das Thema der beiden, in der ThLZ nicht besprochenen
Werke, war das Verhältnis des Urchristentums
zu den heidnischen Religionen, in deren Umkreis das Christentum
emporwuchs. Beide Werke, über die ich in der Theol.
Rundschau 1944 berichtet habe, waren ausgezeichnet durch
den Reichtum an religionsgeschichtlichem Stoff wie durch
seine geistige Durchdringung vom Gesichtspunkt des katholischen
Theologen aus. Ihre apologetische Haltung bestimmte
die Anlage der Bücher, insofern das erste seine Gliederung
durch die Reihenfolge der Sätze des sog. apostolischen Symbols
, das zweite durch systematische Fragestellungen erhielt.
Man mußte bedauern, daß infolgedessen die religiösen Bildungen
der heidnischen Antike und des Hellenismus nicht nach
ihrem eigenen Gesetz als geschlossene Gestalten dargestellt
waren, sondern daß nur jeweils, dem theologischen Thema
entsprechend, Einzelnes zum Vergleich herangezogen worden
war. Um so erfreuter begrüßt man das vorliegende Werk, in
dem der Verf. einen Uberblick über die Gesamtgeschichte der
antiken und hellenistischen Religionen gibt.

Die Gelehrsamkeit des Verf.s und der Reichtum des
Buches sind bewundernswert. Ein Uberblick über die Hauptabschnitte
(das Inhaltsverzeichnis umfaßt allein 14 Seiten!)
mag davon eine Andeutung geben. Das erste Kapitel handelt
über die Volks- und Staatsreligion in Griechenland und Rom,
wobei besonders eingehend der hellenistische Herrscher- und
der römische Kaiserkult dargestellt werden und dabei Virgils
4- Ekloge und die Säkularfeier des Augustus besondere Berücksichtigung
finden . Das zweite Kapitel zeichnet die Entwicklung
der Philosophie von den Anfängen bis zum Neuplatonis-
mus unter der Frage nach ihrem religiös-weltanschaulichen
Gehalt. Es folgt ein sehr ausführliches drittes Kapitel über
die Mysterienkulte in der antiken Welt. Dabei sind die

Dionysos-Mysterien gebührend berücksichtigt, und besonders
verdienstlich ist die eingehende Behandlung der Bilder in der
Villa dei misteri (Villa Item) und der Casa Omerica in Pompeji
wie der Basilika bei Porta Maggiore in Rom. Im vierten
Kapitel über die Formen des Aberglaubens und des Kultus
werden das Zauberwesen, die Astrologie, die Orakel, der
Schicksals- und der Wunderglaube besprochen und anschließend
die „Wundermänner" der Kaiserzeit, sodann das
Gebet, das Opfer, das Priestertum und der heilige Ort (heilige
Bezirke, Alter und Tempel). Eine besondere Behandlung erfährt
im fünften Kapitel die Hermetik als Typ heidnischer
Gnosis. Ausführlich werden der 1. und der 13. Traktat des
Corp. Herrn, analysiert. Von besonderer Bedeutung ist das
sechste Kapitel, das das religiöse Eigenleben der römischen
Provinzen beschreibt (Kleinasien, Syrien mit Arabia Peträa
und Parthien, Ägypten und Kyrene mit den Inseln Kreta,
Zypern, Rhodos, die afrikanischen Provinzen und Spanien,
das Gebiet der Gallo-Römer, der Germania Romana und der
Donauprovinzen). Sorgfältig wird in diesem Zusammenhang
das Problem der interpretatio Romana erörtert.

Das Buch nennt sich ein „Handbuch" und will „in erster
Linie den Bedürfnissen eines theologischen Studienbetriebes
dienen, der im Sinn der Studienreform Pius' XI. ausgebaut
ist" (S. 1); es ist „zunächst als eine Hilfe für Theologen gedacht
" (S. 107). Als Handbuch bietet es nicht selbständige
Forschung und Untersuchung, sondern gibt ein Referat über
die Forschung auf allen behandelten Gebieten. In seinem
Referat zeigt sich der Verf. jedoch als ein selbständiger Denker,
der auch nicht einfach gesammelten Stoff vermittelt; vielmehr
führt er mit großer Sachlichkeit in die wissenschaftlichen
Diskussionen ein und erzieht den Leser zur eigenen
Urteilsbildung. Auch in dieser Hinsicht darf man das Werk
als das Muster eines Handbuchs bezeichnen.

Die Sachlichkeit schließt natürlich nicht aus, daß der
Verf. seinen eigenen Standpunkt zur Geltung bringt. Dieser
ist nicht nur durch seinen katholischen Glauben charakterisiert
, sondern auch speziell dadurch, daß er ein Vertreter der
„kulturhistorischen Methode" ist und die Geschichte der Religion
von der Theorie des Urmonotheismus, des Urglaubens
an die Gestalt des göttlichen Urhebers und Vaters aus verstellt.
Demzufolge gilt der Polytheismus als ein Abfall vom Ur-
glauben, der doch nicht vollständig verdrängt werden konnte.