Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1950 Nr. 1

Spalte:

29

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ill, Johannes von der

Titel/Untertitel:

Jerusalem 1950

Rezensent:

Thomsen, Peter

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

29

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 1

30

beachtenswert. Aber die Bemühungen, nun auch für die
beiden ersten Drittel des Psalms (v. 1—6) denselben Ursprung
nachzuweisen, wirken gezwungen und wenig überzeugend.
Was die Zeit und die Stätte des Aufkommens von jahwe sebä'6t
angeht, so hat Wambacq mit seinem Hinweis auf ,,das Ende
der Richterzeit" und auf Silo sicher recht, und das gilt, wie
schon angedeutet, auch für die in die Richtung von „Allmacht
" weisende Deutung von sebä'6t. Nur läßt sich, wie
anderswo zu zeigen sein wird, alles noch viel schärfer und konkreter
fassen. Als wichtige und in mancher Hinsicht richtungweisende
Vorarbeit für eine mehr historisch-kritische und
zugleich-Keruben! -archäologisch unterbaute Monographie über
jahwe sebä'6t verdient das Buch unseres aus der Schule des
Professors am Päpstlichen Bibel-Institut in Rom R. P. A. B ea,
S. J., hervorgegangenen Verfassers dankbare Anerkennung
und ernstestes Studium.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

JII, Johannes von der: Jerusalem. Wanderung durch Wüsten. Essen: v. Cha-
mier [1948]. 301 S. m. Abb., 3 Kt. 8°. HIw. DM 10.80.

Ein absonderliches Buch legt der hinter einem durchsichtigen
Pseudonym versteckte Verf. den Lesern vor. Erwachsen
ist es aus den Erlebnissen einer Kamelreise mit zwei
Deutschen und mehreren Arabern von hafir el-'audscha über
'abde, 'ain esch-schäbije, 'ain hosib, 'ain el-webe, 'ain et-tajibe,
'ain es-sabra, wädi müsä (Petra), eldschi, ma'an, 'odruh,
esch-schöbak, 'ain el-arüs, ez-zuwera, 'ain dschidi, Bethlehem
nach Jerusalem, also durch Gebiete, wie die 'araba und das
südliche Ende des Toten Meeres, die wegen ihrer furchtbaren
Hitze, Ode und Gefährlichkeit gefürchtet und deshalb nur
selten von Reisenden durchquert worden sind. Gegründet ist
die Beschreibung auf einer tiefen katholischen Frömmigkeit,
der auch Legenden und Sagen, wie z. B. Helenas angebliche
Kirchengründungen und Kreuzauffindung, das Rahelgrab bei
Bethlehem, der Judasbaum, der Linsen- und Erbsenacker, das
Absalomgrab durchaus glaubhaft erscheinen. Sonderbar genug
ist Sprache und Ausdruck, die stellenweise, namentlich im
ersten Teile, in Unverständliches oder bewußt Gekünsteltes
übergehen, was noch durch die Druckgestaltung (sehr oft nur
e i n Wort auf einer Zeile) verstärkt wird. Aber wer jene Gegenden
einstmals auch durchwandert hat, muß zugeben, daß der
Leser doch bei einigem guten Willen zum Verständnis einen
starken Eindruck von der gewaltigen Furchtbarkeit und Verlassenheit
jeuer Gegend erhält, wenn auch die drückende
Empfindung, kaum verständliche Gedankenverbindungen
lesen zu müssen, sich oft genug aufdrängt. Eigenartig ist
es, daß von Petra an und besonders im zweiten Teile des
Buches die Erzählung sich von der abstrusen Form zur einfachen
und lesbaren wendet. Unzweifelhaft verfügt der Verf.
über weitgehende Kenntnisse der arabischen Sprache, des
Volkslebens, der alten Geschichte jener Gegend, aber dies
alles wird erdrückt von dem Bemühen, die ganze Reise als
eine seelische Wanderung zu Gott und zu seiner Liebe erscheinen
zu lassen. Die Federzeichnungen des Verf .s sind zum
Teil kindlich anmutende Skizzen, zum Teil aber auch gut gelungen
(S. 108, 116, 157, 200, 217, 221, 237). Es ist wohl möglich
, daß diese Eigenart, die auch die Uberschriften der einzelnen
Abschnitte geformt hat, diesen oder jenen Leser befriedigen
kann. Jedoch den nüchtern urteilenden Leser wird
das Buch kaum ansprechen, noch weniger ihm geben, zumal
er an sprachlichen Mängeln (werfe! S. 47; verwerfe! S. 82;
Helfe! S. 115), sowie Schreibfehlern (Therebinthe S. 91, sigi-
lata S. 102, Hatib S. 123, Arbajen S. 154, anatholische S. 191,
brauchen ohne zu S. 273) Anstoß nehmen wird. Vielleicht
schenkt uns der Verf. zu diesem schwärmerischen Buche eine
nüchterne Schilderung seiner Erlebnisse.

Dresden Peter Thonisen

NEUES TESTAMENT

Bultmann, Rudolf: Theologie des Neuen Testaments. 1. Lfg. Tübingen:

J. C. B. Mohr 1948. 348 S. gr. 8°= Neue Theologische Grundrisse. Subskriptionspreis
DM11.—.

Eine wichtige Neuerscheinung auf dem Gebiet der neu-
testamentlichen Wissenschaft ist die erste Lieferung dieses
Lehrbuches von R. Bultmann. Sie will nicht nur gelesen, sondern
auch durchdacht und verstanden werden. Eigentlich
bietet sie kein neues religionsgeschichtliches Material, auch
nicht einen Aufriß, der in historischer Hinsicht auffallend
wäre: frühere Untersuchungen von R. Bultmann werden vorausgesetzt
und dienen zur Ergänzung des theologischen und

historisch-kritischen Gesamtbildes. Entscheidend ist vielmehr
die methodische Durchführung einer wichtigen theologischen
Aufgabe, die Durchprüfung der Begriffe und Denkvoraussetzungen
und der Versuch, die urchristliche Verkündigung in
eine Ausdrucksform zu übertragen, die ihr gerecht wird.

In diesem Sinn ist die neutestamentliche Theologie von
R. Bultmann beides: eine eigene Darstellung der Verkündigung
des Urchristentums, dann aber auch die notwendige
Kritik und Erschütterung einer zu selbstverständlichen Methodik
und Arbeitsweise innerhalb dieser Disziplin. Gegenüber
anderen Lehrbüchern, die sich schon länger eingebürgert
haben, wahrt R. Bultmann das Erbe der kritischen Uberlieferung
, stellt aber gleichzeitig die Verbindung zu bestimmten
theologischen Fragen und Aufgaben her, die gerade unserer
Generation aufgegeben sind. Damit soll nun nicht gesagt werden
, daß im einzelnen die Ergebnisse und Lösungen R. Bult-
manns „richtiger" seien als die anderer Exegeten, wohl aber
kann man verlangen, daß der Student auch mit diesem Lehrbuch
umzugehen lernt.

In Grundzügen ergibt sich folgendes Bild: Die Verkündigung
Jesu gehört nach R. Bultmann zu den geschichtlichen
Voraussetzungen der Theologie des NT und ist nicht ein Teil
dieser selbst. Erst mit der Verkündigung der Urge-
meinde beginnt die Theologie des NT (S. 2). So wird die
Verkündigung Jesu stark zusammengedrängt (§ 1—4), dagegen
die der Urgemeinde (§ 5—8) und der hellenistischen Gemeinde
vor und neben Paulus (§ 9—15) stark hervorgehoben.
Die Auseinandersetzung mit dem Judentum (§2; 9; n) und
mit der Gnosis (§ 15) wird thematisch und inhaltlich hervorgehoben
und nicht (wie sonst häufig) in Anmerkungen zurückgedrängt
. Die religionsgeschichtliche Fragestellung
wird also zur Erfassung der theologischen Eigenart
des NT ernst genommen. Das Schwergewicht liegt allerdings
auf der Herausarbeitung der Theologie des Paulus (§16
bis 40), die ungefähr die Hälfte des Buches in Anspruch nimmt
(S. 183-348).

Das Leben und Wirken Jesu war nach Bultmann nicht
messianisch (Messias und Menschensohn sind nach ihm verschiedene
Bezeichnungen des eschatologischen Heilbringers),
wie ja auch später das Leben Jesu ohne messianischen Glanz
geschildert werden kann (z. B. Phil. 2, 5—11; Rom. 1,4; Apg.
2, 36). Jesus ist nicht als König aufgetreten, sondern als Prophet
und Rabbi (vielleicht auch als Exorzist). Auch den Gedanken
des leidenden Menschensohnes darf man nicht in die
Anschauung Jesu zurücktragen (S. 31). Die Urgerneinde hat
Jesus als den kommeuden Menschensohn verkündigt, man erwartete
seine Ankunft als Messias im Rahmen der jüdischen
Vorstellung. Der Kyrioskult ist erst auf hellenistischem Boden
entstanden (S. 34 und 52; zum Problem des „Kultischen" vgl.
S. 120; 150). Der Begriff des „Gottessohnes", der ursprünglich
messianischen Sinn hatte, erhält auf hellenistischem Boden
ein neues Verständnis: er bezeichnet jetzt das göttliche Wesen
Christi, seine göttliche Natur (S. 127). Der christologische
Entwicklungsprozeß ist also komplizierter als er
meist in der Theologie gesehen wird.

Paulus ist durch die Verkündigung der hellenistischen
Gemeinde für den urchristlichen Glauben gewonnen; der Sinn
seiner Bekehrung ist die Preisgabe seines bisherigen Selbstverständnisses
(Phil. 3, 4—ii). Seine Briefe zeigen kerne Spuren
des Einflusses der palästinischen Tradition. Paulus wird von
Bultmann als Theologe im eigentlichen Sinn gewertet: seine
Theologie erhebt die im Glauben enthaltene Erkenntnis
zur Klarheit bewußten Wissens (S. 187).
Doch darf man sein Denken nicht spekulativ mißverstehen:
jeder Satz über Gott ist zugleich ein Satz über den Menschen
und umgekehrt; deshalb und in diesem Sinne ist die pauli-
nische Theologie zugleich Anthropologie. Auch die Christo-
logie darf weder spekulativ noch metaphysisch mißverstanden
werden: jeder Satz über Christus wird zu einem Satz über
den Menschen und umgekehrt. Die paulinische Christologie ist
zugleich Soteriologie. So ist es für Bultmann sachgemäß, die
paulinische Theologie als die Lehre vom Menschen darzustellen
, und zwar so, wie der Mensch vom Glauben her gesehen
wird.

Es folgen daher Untersuchungen über anthropologische
Einzelbegriffe bei Paulus, die nun in ihrer Eigenart interpretiert
werden. Es zeigt sich dabei, daß es nicht möglich ist,
mit einem einzelnen deutschen Wort das wiederzugeben, was
ein paulinischer Begriff besagen will. Die Exegese selbst muß
vielmehr verständlich machen, worum es im Einzelfall geht.
Deshalb wäre es falsch, mit Worten wie „Leib" oder „Leben"
die Schwierigkeiten und Fragen zuzudecken, die durch den
griechischen Sprachgebrauch gegeben sind. Es bleibt also