Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1950

Spalte:

441-442

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Paulus, Herbert

Titel/Untertitel:

Dogmatik 1950

Rezensent:

Graß, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

441

Theologische Literaturzeitung 195° Nr- 7

442

Paulus, Herbert, Lic. Dr.: Dogmatik. Erlangen: Verlag von der Brüggen
U949]. 102 S. 8° = Evangelisches Theologie-Studium. Hrsg. H.Paulus.
B<i. 5. Kart. DM4.20.

, • Die Dogmatik von H. Paulus ist in ihrem Hauptteil (S. 9
01s 69) ein schlechtes Exzerpt aus Luthardts Kompendium
U3- Auflage). Aus Luthardt stammen die Bibelstellen, mit
ueiien jeder der 22 Loci eingeleitet wird, daher stammen die
Vater- und Scholastikerzitate und das, was von den ortho-
2kta? ^°§matikern geboten wird. Ebenso die wenigen, meist
abfälligen Bemerkungen über die Theologie des 18. und
J9- Jahrhunderts. Nur bei Lutherzitaten trägt der Verf. Eige-
Alf 1f'r-)aß die orthodoxen Dogmatiker an den Schloß jeden
Abschnittes gestellt werden, soll offenbar unterstreichen, daß
*Wr die maßgebende Dogmatik zu finden sei. Die sachliche
Ordnung der Bibelstellen mit Erläuterungen, wie Luthardt sie
ipot, ist aufgegeben. Die Stellen werden einfach mit Ziffernangabe
in der Reihenfolge der biblischen Bücher genannt.
Während einige Abschnitte für sich lesbar sind, sind andere
u egen stichwortartiger Kürze nur von der Vorlage her ver-
f~P«uch. Zuweilen werden gerade die unwesentlichsten und
bedenklichsten Distinktionen der altprotestantischen Scholastik
wiedergegeben, z. B. S. 33 sieben Gruppen von Tat-
Yta°< die noch wieder vielfach unterteilt werden. Es ist eine
Irreführung, wenn der Verf. seinen Gewährsmann Luthardt
nur an drei Stellen zitiert (S. 47, 49, 54). Er hätte auf jeder
oeite dreimal und öfter genannt werden müssen. Die Theologie
der Gegenwart wird in einem Anhang auf 22 Seiten behandelt
. Nach dem Verf. zerfällt sie in zwei Schulen, die
idealistische und die dialektische Theologie. Der Vater der
euien sei Kant, der der anderen Kierkegaard. Auch der
Stammbaum dieser Schulen wird uns in einem Schema mitgeteilt
. Als gegenwärtige Hauptvertreter der einen Schule
gelten Althaus und Lütgert, die der anderen sind Barth und
•tsrunner. Drei Themen der Gegenwartstheologie werden herausgegriffen
: A. Offenbarung, Schöpfung und Sünde (10 Seiten
). B. Tod, Endgericht und Weltvolleudung (6 Seiten).
~" ~as Gespräch zwischen den Konfessionen (4 Seiten). Weder
werden die Anschauungen der genannten Theologen sachgemäß
, dargestellt und beurteilt, noch wird des Verf.s eigener
Standpunkt klar. Brunners Ausgangpunkt soll z. B. das
tromme Selbstbewußtsein sein (78) und er soll das Sein des
Renschen mit dem Sein Gottes identifizieren (S8). Was soll
rla+! S'Cn Sätzen wie diesen vorstellen: „Habe ich aber
*-*ott einmal im Glauben ergriffen ... so gibt es keine Offenbarung
mehr" (76) oder „Mit der Gottesferne tritt das Mit-
^ott-Verhaftetsem als die pistis zutage, aus der sich mit dem
wunder der Offenbarung Christi die fides salvifica entwickelt
" (78). Auch rem sprachliche Entgleisungen kommen
v°r- Aus Luthardts Satz: „Die Reformatoren lehrten zunächst
alle prädestinatianisch", wird: „Die Reformatoren waren anfänglich
alle deterministisch" (35), oder S. 51: „In der alten

Kirche gehen evangelische und katholische Lehrer vom Glauben
und den Werken nebeneinander her". S. 78 wird das Wort
„hauptsächlichst" gebildet.

Wenn der Verf. seine Dogmatik mit dem Satze schließt:
„Wie die Gegenwart stets ein Urteil über die Vergangenheit
fällt, so wird dieses auch die Zukunft über unser Gedanken -
gebäudefällen", so muß man erwidern: Um dieses Gedankengebäude
zu beurteilen braucht man die Zukunft nicht erst
abzuwarten.

Erlangen Hans Graß

Falke, Robert: Geheimnisse Gottes. Eine Laiendogmatik. Hamburg:
Reich & Heidrich 1948. 109 S. 8°. Kart. DM2.75.

Die gut lesbare Laiendogmatik des Konsistorialrats F. ist
ein Werk der älteren Generation, wie die Berufung auf Joh.
Müller, Berhard Weiß, Loofs und Harnack in den christo-
logischen Abschnitten zeigt. Doch wird auch die neuere Theologie
berücksichtigt, von den Dialektikern aber nur einmal
Brunner. Bei der Darstellung des Wesens Gottes müßte eine
Laiendogmatik die Furchtbarkeit Gottes doch auch an unseren
Gegenwartserfahrungen erläutern, nicht nur mit ein paar
Zitaten von Rudolf Otto und Luther. Uberhaupt vermißt man
öfter diese Gegenwartsbezogenheit. Dankenswert ist, daß auf
das Verhältnis von Schöpfungsglauben und Naturwissenschaft
eingegangen wird und eine Reihe von Erkenntnissen der Bibelforschung
der Gemeinde mitgeteilt werden. Uber die letzten
Dinge wird einmal im Zusammenhang der Christologie gehandelt
(Tod, Auferstehung und Wiederkunft Christi), dann
am Schluß noch einmal in dem Abschnitt über das Geheimnis
der Ewigkeit. Dazwischen stehen die Lehren vom heiligen
Geist, von der Kirche und den Sakramenten, von den Engeln
und Dämonen. Vor der Erlösungslehre vermißt mau einen Abschnitt
über die Sünde. In der Eschatologie vertritt der Verfasser
einen Zwischenzustand mit Gelegenheit zur Buße und
die Apokatastasis. Störend ist die ständige Berufung auf
professorale Autoritäten. Dabei werden oft die verschiedensten
Geister in einem Atem genannt. Auf S. 19 stehen nebeneinander
Tersteegen, E. Lauge, Johannes Müller, Wilhelm
Herrmann, Augustin, Nicolaus von Cusa, auf der folgenden
Seite kommen noch Althaus und Eiert hinzu. Auf S. 12 werden
Zitate von Luther, Brunner, Wünsch und Joh. Müller aneinander
gereiht. Zuweilen wird auch der Begriff des Geheimnisses
überbeansprucht, etwa wenn sich der Verfasser angesichts
der verschiedenen Abendmahlsauffassungeu nicht nur
Luthers und Calvins, sondern auch Zwingiis und Roms auf das
Mysterium zurückzieht (S. 75).

Obgleich der Verfasser nicht der neusten theologischen
Schule Bngehört, vermag sein Büchlein gebildeten Laien einen
Dienst zur Klärung ihrer Glaubensgedanken zu leisten.

Erlangen Hans Graß

VON PERSONEN

In memoriani Joachim Bcgrich

In der Nacht vom 26. zum 27. April 1945 ist in Dussoi bei Belhmo in
Oberitalien Joachim Begrich gefallen. Seit Herbst 1941 war er zum Heeresdienst
eingezogen und hatte als Sanitäter in Eilenburg und Waldenburg (Sa.)
Verwendung gefunden. 1944 zur Front nach Italien abgestellt, hat ihn noch
kurz vor Beendigung der Kampfhandlungen der Tod ereilt. Ein an Arbeit,
Plänen und Können reiches Forscherleben ist damit jäh abgebrochen worden.
Sein Ende belastet den inneren Kreis von Familie und Freundschaft, die alt-
testamentliche Wissenschaft, die gesamte theologische Wissenschaft, die
Kirche mit schwerem Verlust.

Joachim Begrich entstammte einem provinzsächsischen Pfarrhaus, als
dessen ältester Sohn er am 13. Juni 1900 zu Predel, Kr. Zeitz, geboren war.
1918 hatte er seine schulische Ausbildung bei seinem Vater und auf dem
Stiftsgymnasium in Zeitz beendet. Eine kurze Militärzeit in Straßburg schloß
sich an. Dem angehenden Studenten blieben Kampf und Todesgefahr in diesem
ersten Weltkrieg erspart. Nach seiner Heimkehr studierte er in Leipzig orientalische
Sprachen, erweiterte aber schon im Sommersemester 1919 sein Studium
durch Einbeziehung der alttestamentlichen Wissenschaft. Dem Pfarrerssohn
lag es nahe, das Alte Testament im Rahmen der gesamten theologischen
Wissenschaft zu erfassen, und so wurde er Theologe, nicht Orientalist, mit
Dankbarkeit aber nützend, was ihm die orientalische Philologie an Rüstzeug
für seinen Forscherberuf mitgab. Vom Wintersemester 1920 an studierte er
in Halle. Hier kam er in die Schule Hermann Gunkels, zu dessen letzten
Schülern er gehörte und dessen besonderes Vertrauen er sich erwerben durfte.
Schon im Februar 1923 legte er das erste theologische Examen in Halle ab,
war darauf ein Jahr im Predigerseminar in Stettin, dann ein jähr Hauslehrer.

1926 erwarb er, inzwischen Assistent am Alttestamentlichen Seminar in Halle
geworden, den Grad eines Lic. theol. Die eingereichte Dissertation, als Erstlingsschrift
auch in Buchform erschienen, zeigt schon die für sein späteres
Forschen typischen Züge, insbesondere seine saubere Methodik, so daß eine
Besprechung rühmen konnte: „Diese neue Erklärung von Jes. 38, 10—20 ist
eine methodische Musterleistung" (ThLZ52, 1927, 290/292). Von der Assisten-
tcnstelle in Halle führte ihn sein Weg an die Universität Marburg, an der er
als Privatdozent wirkte. Am 1. Oktober 1930 folgte er einem Ruf nach Leipzig
als planmäßiger außerordentlicher Professor für Altes Testament. Jahre
ruhigen fruchtbaren Schaffens folgten, bis er in den Krieg ziehen mußte. Sein
Wirken als Lehrer und Forscher fand Anerkennung in der Verleihung der
Theologischen Doktorwürde durch die Theologische Fakultät Halle 1934.

Ein Blick auf das Verzeichnis seiner Arbeiten zeigt, daß er mitten in der
Entfaltung seines wissenschaftlichen Lebenswerkes sich befand. Neben größeren
umfassenden Monographien liegt eine ganze Reihe kleinerer Arbeiten, die
als Material für künftige größere Arbeiten dienen konnten, vor. Für einen
Schüler Gunkels war es wohl selbstverständlich, daß er den Einzelfragen der
Gattungsforschung nachging, z. B. in der Arbeit über ,,Die Vertrauensäußerungen
im israelitischen Klagelied des Einzelnen und in seinem babylonischen
Gegenstück" und über „Das priesterliche Heilsorakel". Daß Gunkel ihm die
Herausgabe der „Einleitung in die Psalmen" anvertraute, die er nur zu einem
Teil selbst hatte schreiben können, ist ein schöner Beweis für das Verhältnis
des Meisters zum Schüler. Begrich hat in dem ihm zufallenden Teil des Werkes
wohl manche Vorarbeiten Gunkels benützt, im wesentlichen aber eine umfangreiche
selbständige Arbeit unter eigener Verantwortung geleistet, die eine glückliche
Verbindung von Pietät und geistiger Selbständigkeit gegenüber dem