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Ausgabe:

1950 Nr. 7

Spalte:

420-421

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Tyciak, Julius

Titel/Untertitel:

Die Weisheitsbücher des Alten Testaments 1950

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 7

420

rung verlangen gelegentliche Berücksichtigung; die etymologische
Forschung verfügt durch neue Funde über weiteres
Vergleichsmaterial, das herangezogen wird.

Aage Bentzen bringt über den „Tod des Beters in den
Psalmen" Randbemerkungen zur Diskussion zwischen Mo-
winckel und Widengren. Gegen Widengrens These, daß der
sakrale König wie Tammuz im Ritual sterbe und auferstehe,
wofür er sich unter anderem auf Ps. 88, 2—9 und 18, 47 beruft
, hat Mowinckel recht, wenn er ein „Miterleben" des Todes
des Gottes durch den sakralen König für wahrscheinlich hält.
In Ps. 30 kommen zwar Ausdrücke vor, die auf den „wirklichen
" Tod des Beters gedeutet werden können. Aber daneben
stehen Aussagen, die nichts vom Tod wissen. Die wesentliche
Förderung, die Christoph Barth in seiner Dissertation „Die
Errettung vom Tod" dem ganzen Problem hat angedeihen
lassen, konnte Bentzen noch nicht auswerten. Methodisch
richtig aber ist der von ihm aufgestellte Grundsatz, daß parallele
Ausdrücke in babylonischen Tammuzliturgien und alt-
testamentlichen Aussagen noch nicht genügen, um parallele
Gesamtvorstellungen zu postulieren, da die Übernahme in
einem neuen Zusammenhang eine neue Einordnung und Wertung
bewirkt.

„Kanaanäische Miscellen" überschreibt Carl Brockelmann
seinen Beitrag. Die erste dieser Miscellen beschäftigt
sich, ausgehend von Aqht(Dnil) I 61/7 mit der Frage der
Dialektmischung im Ugaritischen und findet diese vor allem
durch phonetische Tatbestände bestätigt. Die zweite Miscelle
ist den ältesten phönikischen Buchstabeninschriften gewidmet,
die M. Dunand 1945 in seinem Werk Byblia Grammata S. 148
und 152 veröffentlicht hat. Er gibt Text und Ubersetzung
und fügt paläographische Bemerkungen und solche zur Wortbildung
hinzu. Die dritte Miscelle gilt der Sarkophaginschrift
des Königs Ahiram von Byblos. Er faßt den Eingang des
Fluchs w'l als Verbum eines Bedingungssatzes ohne Partikel
und übersetzt: „Und wenn ein König unter Königen oder ein
Statthalter unter Statthaltern zur Macht gekommen und als
Führer eines Heeres gegen Gbl zu Felde gezogen ist und dann
diesen Sarkophag bloßlegt". Schließlich bemerkt er „zur Inschrift
des Tabnit", daß 'd mit Praetorius ZDMG 62 (1908),
154 als Verb zu fassen sei. Der umfangreichste Artikel ist der
von Karl Elliger über „Sam'al und Hamat in ihrem Verhältnis
zu Hattina, Unqi und Arpad". Ein Beitrag zur Territorialgeschichte
der nordsyrischen Staaten im 9. und 8. Jahrhundert
v. Chr.". Auf Grund einer sorgfältigen Auswertung
der assyrischen und der nordsyrischen Quellen kommt er zu
dem Ergebnis, daß Otto Prockschs Konjektur zu Sach. 9, 1
b ß abzulehnen sei, weil Hamat und Sam'al nie Grenznachbarn
gewesen seien, da zwischen ihnen die Reiche von Hattina
, Unqi und Arpad eingeschoben seien. In einem Anhang
vermutet er, daß die 738 aus dem eroberten Reich von Hamat
gebildete vierte Provinz Subite gewesen sei.

Johannes Friedrichs „Griechisches und Römisches in
phönizischem und punischem Gewände" stellt aus phönizi-
schen und punischen Inschriften griechische und römische
Eigennamen und Titel zusammen und erörtert die dabei beachteten
Transskriptionsregeln.

Johann Fück legt „Gedanken zur Methodik des hebräischen
Unterrichts" vor. Dem sprachgeschichtlichen Positivismus
setzt er den sprachwissenschaftlichen Funktionalismus
Ferdinand des Saussure's gegenüber und zeigt methodisch
interessant an Beispielen den Aufbau eines hebräischen Unterrichts
für Anfänger.

Uber „Sprache und Kult" äußert sich Max Haller. Von
den Urlauten bis hin zum Wort der Offenbarung geht er den
Beziehungen des Worts zum Kult in einer fein ausgewogenen
Darstellung nach.

Aubrey R. Johnson schreibt über „Aspects of the Use of
the Term 73133 in the Old Testament" und arbeitet sorgfältig
einerseits das wörtliche, andererseits das übertragene (mein Angesicht
= ich selbst) Verständnis des Wortes heraus.

Paul Kahle bringt „prinzipielle Erwägungen" über „die
Septuaginta" und faßt darin wesentliche Ergebnisse seines gewichtigen
Buches The Cairo Geniza zusammen, während Martin
Noth nach dem Schauplatz des Meereswunders fragt. Er
hält die P-Uberlieferung in Ex. 14, 1. 2 für „eine sekundäre
Lokalisierung des großen grundlegenden Meerwunders auf
Grund enier Autopsie der in das Auge gefaßten Gegend" und
stellt dann fest, daß einmal der Ausdruck „Schilfmeer" für
das Meerwunder selten bezeugt und dazu zweideutig sei, da
er an zahlreichen Stellen im AT den Golf von Aqaba bedeute.
Doch sei es kaum wahrscheinlich, daß die aus Ägypten Auswandernden
an den Golf von Aqaba gekommen seien.

H. H. Rowley wirft die alte Frage auf, ob Arnos Nabi
gewesen sei (Was Arnos a Nabi?) und beantwortet sie dahin,
daß Arnos gewiß auch nach seinem eigenen Selbstverständnis
ein Prophet gewesen sei, freilich nicht einer, der sich um möglichen
Erwerbs willen zum Prophetenstand gedrängt habe,
wohl aber einer, der von Gott zu seinem Munde berufen worden
sei.

Wilhelm Rudolph bringt „Textkritische Anmerkungen
zum Richterbuch", die geeignet sind, das Verständnis des
Textes zu fördern.

Abgeschlossen wird die Festschrift durch eine Zusammenstellung
von Otto Eißfeldts Schriften, für die Rudolf Sell-
heim verantwortlich zeichnet. Die Festschrift als Ganzes
steht auf einer erfreulichen Höhe und ist eine würdige Gabe
für den Jubilar.

Berlin Leonhard Rost

Tyciak, Julius: Die Weisheitsbücher des Alten Testaments. Sprüche,
Koheleth, Hohes Lied, Buch der Weisheit, Jesus Sirach erkl. Paderborn:
Schöningh 1948. 147 S. kl. 8 = Unsere Bibel in theologischer und leben-
erfüllter Schau. Kart. DM2.80; Hlw. DM3.80.

Das Büchlein erscheint in einer Sammlung ,,Unsere Bibel in theologischer
und lebenerfüllter Schau" ; wirklich ist das genau sein Anliegen. Die „Weisheitsbücher
des AT" werden zwar auch ihrem Inhalt nach deutlich. Über ihre Entstehung
wird manches, auch Kritisches, gesagt. Aber viel wesentlicher ist es
dem Verf., das in den einzelnen Büchern und in der gesamten Chokhma-
dichtung flutende Leben aufzuzeigen und — das ist das Wichtigste — theologisch
zu deuten. Auf keiner Seite verleugnet das Buch, daß es sich um eine bewußt
katholische Deutung handelt. Das aber gibt ihm gerade die originelle
Note. Es wird des öfteren erwähnt, an welcher Stelle der Liturgie die und die
Abschnitte auftauchen, und von daher wird ihr eigentlicher Sinn erschlossen.
Überhaupt möchte man als ein spezielles Anliegen des Verf. das hymnologisch-
liturgische hinstellen. Nicht als wolle er das in die Chokhmadichtung hineintragen
; er bemüht sich vielmehr, die Schrift auf den ihr innewohnenden Sinn
hin anzuschauen, so daß sich jenes für ihn zwanglos ergibt. „Den Büchern der
Weisheit liegt ein musikalisches, kein logisches Kompositionsgesetz zugrunde"
(S. 8). In diesem Sinne also werden die Weisheitsbücher theologisch gewertet:
nicht in der Weise eines gedanklich-begrifflichen Aufbaus, sondern in der Wahrnehmung
des Geheimnisses, vor dem der Mensch anbetend stehen bleibt. So
wird Prov. 8 als die eigentliche Mitte des Ganzen gesehen: ,,In fließenden
Konturen erscheint hier . . . die personale Weisheit Gottes" (S. 23). Von da aus
vollzieht der Verf. die Anwendung auf Maria: „Die Worte der göttlichen Weisheit
im Munde Mariens erweisen ihre volle geschichtliche und kosmische
Macht" (S. 27). Mehrfach finden sich Hinweise auf die Sophienlehre der Russen
in ihrer „marianisch-ecclesiologischen Formung"; der Schluß des Buches ist die
„Vision der altchristlichen Hagia Sophia" (S. 147).

Das mag zur Gesamtcharakterisierung des Buches genügen. Der evangelische
Leser muß sich zunächst an die für sein Gefühl reichlich lyrische
Sprache gewöhnen, die dem Verf. aber das Atmungsorgan ist, um der Luft,
die seiner Meinung nach in den Weisheitsbüchern weht, innezuwerden. Als Versuch
, die Weisheitsbücher theologisch zu ihrem Recht kommen zu lassen, wird
auch der nichtkatholische Leser das Buch durchaus ernst nehmen, und zwar
nicht nur aus einer allgemeinen Toleranz heraus. In einer Zeit, in der auch bei
uns immer wieder darauf gesehen wird, zu den theologischen Gegebenheiten
des AT durchzustoßen, wird man es begrüßen, wenn das von katholischer Seite
in spezifisciier Weise geschieht. Bedenklich wird die Sache da, wo es sich nicht
mehr um die Aufzeigung der heilsgeschichtlichen und theologischen Struktur
handelt, sondern wo allegorisch den einzelnen Motiven und Worten ein heilsbedeutsamer
Sinn abgewonnen wird. Das betrifft hier besonders das Hohelied.
Es ist ja überhaupt seltsam, was das Hohelied in diesem Zusammenhang zu
tun hat, da es offenkundig nicht zu den Weisheitsbüchern gehört. An seiner
allegorischen Ausdeutung wird sichtbar, wie der Verf. doch ein primäres
Interesse hat an der Unterstreichung der hymnologisch-liturgischen Linien, für
die das Hohelied, bei der hier vorliegenden Deutungsweise, natürlich besonders
ergiebig ist. Die Sprüche und auch Sirach erhalten für diese Schau ihren
Mittelpunkt, wie gesagt, an der Stelle, wo die Weisheit als Hypostase auftritt;
„das Buch des Siraciden möchte die kultisch-liturgische Anbetung Gottes als
die Mitte der israelitischen Frömmigkeit erweisen" (S. 143). Die besondere
Liebe des Verf.s gilt dem Buch der Sapientia; in schwungvoller Weise wird
Aufbau und theologischer Gehalt dieses Buches dargestellt. Am wenigsten in
den Rahmen der Arbeit paßt das Buch Koheleth, in dessen „pessimistischer
Einstellung" der „noch unerlöste Mensch" (S. 61) sich dokumentiert. Doch
auch hier sieht der Verf. gelegentlich sich Perspektiven eröffnen, an deren Ende
die „Feier der göttlichen Danksagung", die Eucharistie, steht.

Durchaus unbegreiflich ist, warum der Verf. das wichtigste Weisheits"
buch des AT, das Buch Hiob, nur einmal kurz erwähnt, sonst aber nicht behandelt
. Der Sache nach hätte in einem „Die Weisheitsbücher des AT" betitelten
Buche der dem Hohenliede eingeräumte Platz dem Hiob gebührt.
Hiob 28 und 38ff. hätten, sollte man meinen, ganz der Linie des Buches entsprochen
.

Literaturangaben, auch solche aus Büchern von Protestanten, finden sich