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Ausgabe:

1950 Nr. 7

Spalte:

418-420

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Festschrift Otto Eissfeldt 1950

Rezensent:

Rost, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 7

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Das erste Kapitel (18—37) faßt in stark vereinfachender Weise die Hauptergebnisse
dessen zusammen, was seit dem grundlegenden Vorstoß von
ü« v. Wilamowitz-Moellendorff im „Isyllos von Epidauros" von verschiedenen
Seiten erarbeitet worden ist. Das Hauptgewicht wird auf die Einführung
des neuen Kultes in Athen und Attika gelegt. Für die Weihreliefs
fällt ein so bedeutendes Asklepiosheiligtum wie das koische völlig aus, denn
hier herrschte immer die wissenschaftliche Medizin, die an die Gläubigkeit
der Patienten geringere Ansprüche stellte (Diodor 32, 11 [zum Jahre 116 v.Chr.]
lehrt, daß es damals auch „in Epidauros Leute gab, die rationellere Heilmethoden
vorzogen als die im Heiligtum geübten", K. Latte, Gnomon 7, 1931,
'29. 1); außerdem ist das Weihrelief überhaupt im ganzen Osten mindestens
während des 4. Jahrhunderts ebenso selten, wie es in Athen allgemein verbreitet
ist. Daß Asklepios in Epidauros schon vor dem ausgehenden 6. Jahrhundert
verehrt wurde, lehren weniger die von H. 19 nach Karo, Weihgeschenke
1, fragweise erwähnten „Dachterrakottenfunde und anderen Reste"
als die Kultgeschichte des Gottes und Inschriften wie IG. IV, l2, 136, wozu
die Bemerkungen von K.Latte, Gnomon 7, 1931, 113ff., besonders 117ff. zu
vergleichen sind, die H. leider nicht beachtet hat. Seit der zweiten Hälfte des
5- Jahrhunderts erringt der Asklepios von Epidauros panhellenische Geltung.
Soweit wir sehen, ist Hygieia, von der wir so wenig wissen, damals bereits
seine Begleiterin; unsere Kenntnis der übrigen als Söhne und Töchter des
Asklepios erscheinenden geringeren Heilgehilfen des Gottes reicht für bündige
Rückschlüsse nicht aus, der gelegentlich (80, cf. 54) gemachte Vorschlag, in
Machaon mehr den Chirurgen, in Podaleirios mehr den Internisten zu sehen,
ist eine geistreiche Spielerei, aber ganz von der modernen Entwicklung her
gesehen und durch nichts zu belegen.

Die Anordnung des Reliefs nach typologischen Grundsätzen führt auf
die Frage nach den Grundlagen der Typensonderung. H. teilt in Reliefs „mit
Krankenheilungen", „mit Verehrungsdarstellungen" und „mit Heilgottheiten
ohne Stifter", also nach dem Inhalt der Darstellung. Der Katalog der Reliefs
ist dagegen nach formalen Typen geordnet: stehender Asklepios, sitzender
Asklepios, Gottheiten und Heroen, die Asklepios nahestehen, aber nicht mit
ihm oder seinem Kreis zusammen dargestellt sind, schließlich Adoranten (allein
oder allein erhalten). Diese zweite, für alle künftige Arbeit an den Reliefs
wichtigere Einteilung ist um so verdienstlicher, als für die Darstellung die
erstere gewählt ist, so daß der Benutzer nun nach beiden Gliederungsmöglichkeiten
ein gesuchtes Einzeistück finden kann. Schmerzlich bleibt freilich, daß
so jedes Relief zwei Kennzeichen trägt, die Nummer des Katalogs gemäß der
zweiten und den Buchstaben K, A oder H mit Ordnungsziffer gemäß der ersten
Einteilung, und die Benützbarkeit des Katalogs ist stark beeinträchtigt dadurch
, daß aus ihm so wenig wie aus einem der anderen Verzeichnisse zu ersehen
ist, wo das betreffende Relief in dem Buch behandelt wird.

Kapitel II behandelt die „Reliefs mit Krankenheilungen" (38—60). Die
immer relativ geringe Zahl dieser Reliefs und ihr Einsetzen erst im 4. Jahrhundert
kann erklärt werden durch Annahme gemalter Weihegaben, Holztafeln
, die teils xiva£, teils (in Lebena) aavie heißen und die durch Herodas
Mim. 4, 19 und Strabo 8,374 auch für Kos bezeugt sind. Diese Tafelbilder
waren wohl oft von geringem Umfang (das Epigramm der Kleo, Herzog Wunderheilungen
Nr. 1 beginnt ov /ntyE&Oo Tiivttxoe &a.v[ia.oTtov dllä To tfeTov.
Daraus geht gerade nicht hervor, daß dieser Pinax von geringer Größe war.
Er war im Gegenteil so groß, daß er zuerst einmal dieserhalben die Augen auf
sich zog. H. 39 verkennt die Parallelität, die durch ov — dilti nur dialektisch
aufgelöst wird) und noch geringerem künstlerischem Wert, aber sie sind durch
ihre Reflexe in den epidaurischen Wunderheilungsberichten und durch ihren
Einfluß auf die Typenprägung von großer Bedeutung. H. unterscheidet drei
Gruppen von Heilungsreliefs, in die aber auch er selbst nicht alle zur Gruppe
gehörigen Exemplare einzuordnen vermag. Gleich das erste Beispiel, das Relief
im Piräusmuseum, das frühestens im Anfang des 4. Jahrhunderts entstanden
ist, gehört in seiner Schlichtheit zu den besten Reliefs des Asklepioskultcs
überhaupt; in der Einzelinterpretation (vor allem der Stelle, wo die Füße des
Patienten aufliegen), bleibt jedoch mehr ungelöst, als es nach H. 46f. scheinen
könnte. Asklepios heilt teils durch Handauflegung, teils aus einer gewissen
Entfernung durch Entgegenstrecken seiner Hand, gelegentlich bemüht sich
einer seiner Heilgehilfen in seiner Gegenwart um den Patienten, ganz selten
„behandelt" Asklepios den Kranken selbst ärztlich (Abb. 2). H. fördert die
Erklärung der Reliefs mit überzeugenden Beobachtungen und Deutungen und
versucht, den „Gehalt nach der religiösen Seite hin aufzuzeigen". Letzteres
müßte allerdings eingehender getan werden, als es in den Hinwelsen auf die
„rührende Unbeholfenheit" (58) oder in der regelmäßigen Parallelisierung mit
bayrischen Marterln und Votiven in Wallfahrtskirchen geschieht; hier ist
bisher nur die äußerste Schicht der Erscheinungen angerührt. Besonders eindringlicher
Behandlung bedarf das Kopenhagener Relief Abb. 3. Ist es ganz
sicher antik? Jedenfalls ist es unattisch (Llppold) und nicht vor dem Beginn
des 4. Jahrhunderts entstanden (Herzog).

Die überwiegende Mehrzahl der Asklepiosreliefs sind Adorationsdarstellungen
(Kapitel III, 61—99). Der dankbare Gläubige tritt (meist mit seiner
ganzen Familie) anbetend, oft opfernd, vor die Gottheiten hin. Ein Opfer hat
natürlich immer stattgefunden, auch wenn es nicht dargestellt wird, das Weih-
relief ist nur ein zusätzliches Geschenk an den Gott. Ein Überblick über erhaltene
und literarisch überlieferte Adorationsdarstellungen zeigt, daß in der
„großen griechischen Kunst" Stifterdarstellungen eine Seltenheit sind und sie
in der „großen römischen Kunst" ganz fehlen: sie gehören in den Bereich der
„handwerklich-volkstümlichen Kunstübung". Die Begründung für die These,
die gemalten Pinakes müßten nach Format und Qualität geringer gewesen sein

als die Reliefs (68ff.), überzeugt nicht. Die Übersicht über die verschiedenen
Opfer (71 ff.) orientiert gut, auch die kultgeschichtlichen Bemerkungen (76ff.)
geben das Wesentliche klar und kurz. Gelegentlich wird man die Überlieferung
anders deuten; die Interpretation des Reliefs A 52 ist zu phantasievoll (81),
vor A 64 (Abb. 14) sollte ehrlich eingestanden werden, daß wir es nicht einleuchtend
erklären können. Die Adorantengruppen stellen ein für die Geschichte
der attischen Familie des 4. Jahrhunderts noch ganz unausgenütztes
reiches Material dar; die Reliefs gehören meist der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts
an, so etwa A 0, AI, A 5; A3 ist ganz am Ende des Jahrhunderts,
A 4 wohl schon zu Beginn des 3. Jahrhunderts entstanden.

Die Heilgötter haben nur wenig mythenbildende Kraft entwickelt. So
kommt für die Darstellung der Gottheiten ohne Stifter (Kapitel IV, 100—110)
nur der Typus der eacra conrersazione in Betracht, das ruhige Beisammen,
das spannungslose Miteinander, wie es die Reliefs Abb. 16—20 zeigen. Hierhin
gehören auch die beiden epidaurischen Reliefs des allein thronenden
Asklepios, die sich durch ihre hohe Qualität auszeichnen; H. wird wohl recht
haben, wenn er eigenhändige Ausführung durch Timotheos bezweifelt (Anm.
416). Das Basisrelief Abb. 18 ist deutlich früher als die Mantineabasis, zu der
unbedingt R. Horn, Gewandstatuen 16f., W. H. Schuchhardt, Antike 12,
1936, 98ff. und G. Kleiner, Tanagrafiguren 127ff. zu zitieren und zu beachten^
waren; es ist um 340 entstanden.

In einem letzten Kapitel (111—124) wird untersucht, ob und inwieweit
Asklepios auf den sog. Totenmahlreliefs erscheint. Eine ausführliche Übersicht
über die mit dem Problem zusammenhängenden Fragen führt H. zu einer
Kompromißlösung, die ernsthaft erwogen werden muß: die in Asklepiosheilig-
tümern gefundenen Totenmahlreliefs gehören ursprünglich verschiedenen
Heroen an, die neben anderen auch heilende Kräfte besaßen; nach dem Einzug
des Asklepios in Athen werden diese Reliefs mehr und mehr in das Heiligtum
des großen neuen Heilgottes geweiht, der Übergang auf Asklepios vollzieht sich
unmerklich. Hierzu wird noch manche Untersuchung nötig sein, die so unzulässige
Vergleiche wie den mit den Heiligen innerhalb der dem Christengott
gehörigen Kirche (120) vermeiden müssen.

H.s Untersuchungen schneiden sehr viel mehr Fragen an, als hier gestreift
werden konnten. Trotz der gelegentlichen Ausstellungen bleibt sein Buch nützlich
, und man wird sich freuen, dem Verf. an anderer Stelle wieder zu begegnen.
Dafür darf der Wunsch nach etwas mehr Pflege der Sprache („einzigste", 110,
steht nicht alleinI) ausgesprochen werden. „Heiltum" ist für den deutschen
Sprachgebrauch genau festgelegt, worüber das Grimmsche Wörterbuch Auskunft
gibt; der Untertitel der Arbeit ist ehrlicher und richtiger und stünde
besser als Gesamtüberschrift.

Güttingen Walter H. Groß

ALTES TESTAMENT

[Eißfeldt:] Festschrift Otto Eißfeldt zum 60. Geburtstag 1. September
1947 dargebracht von Freund en und Verehrern. Hrsg. v. Johann Fück.
Halle: Niemeyer 1947. V, 232 S. gr. 8°. DM24.—.

Leider reichlich verspätet aus Gründen, die weder in der
Macht des Herausgebers noch des Rezensenten lagen, zeige
ich die Eißfeldt-Festschrift an, deren Beiträge längst zitiert
und dankbar verwendet werden. Es ist ein bunter Strauß, der
das weitgespannte Interesse des Jubilars anschaulich macht.
A. Alt knüpft an die Studien Eißfeldts über Heliopolis und
Palmyra an und versucht in dem Raum zwischen diesen
Städten Siedlungen aus römischer und byzanthinischer Zeit
zu lokalisieren. Für den im 6. Jahrhundert mehrfach zitierten
Bischofssitz Barkvisa schlägt er den Raum von Ktira zwischen
den Bischofssitzen Euaria, Danaba und Jabruda vor und
identifiziert ihn mit dem nach 527 von Justiuian begründeten
Justiniapolis. Das seit dem frühen Mittelalter bekannte Nazala
findet er in griechischen und aramäischen Weüiinschriften aus
dem 2. Jahrhundert EL Chr. wieder, in denen religionsgeschichtlich
wichtige Aussagen über einen „großen Gott von
Nazala und seine Hohenpriester" gemacht werden. Das als
Standort der legio III Gallica bekannte Danaba sucht Alt in
einer antiken Ortslage in der Umgebung von chän el-abjad,
26 km südwestlich von el-karjeten.

Franz Altheim bemüht sich um ,,Eine neue Asoka-In-
schrift" aus Pul-i Daruntah in Laghman, jetzt im Museum
von Kabul, die in einer Mischung von iranisch und aramäisch
nach dem 27. Regierungsjahr der Asoka abgefaßt ist. Daran
knüpft er sprach- und schriftgeschichtliche und allgemeingeschichtliche
Bemerkungen.

Walter Baumgartner schreibt „Vom neuen biblisch-
aramäischen Wörterbuch", das er für Ludwig Köhlers Lexikon
in Veteris Testamenti Libros bearbeitet. Die zuerst von Friedrich
Delitzsch 1886 ausgesprochene Forderung, den hebräischen
und aramäischen Wortbestand der Bibel lexikographisch
getrennt zu behandeln, hat das Lexikon von Brown-
Driver-Briggs 1891—1906 zuerst durchgeführt; ihm folgen
1893 Siegfried, 1895 Gesenius-Buhl. Orthographische Varianten
und Abweichungen in der Vokalisierung und Dageschie-