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Ausgabe:

1950 Nr. 7

Spalte:

415-416

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Niloten und Synthese mit Hamiten und Hamitoiden 1950

Rezensent:

Herrfahrdt, Heinrich

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415

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 7

416

Du oder die andern ?" Und wer noch nicht so gefragt haben sollte, der tut es
angesichts des dritten. Aber ich wage deshalb doch nicht zu behaupten, „die
Notwendigkeit des Satans" eingesehen zu haben und wage auch nicht zu
glauben, daß eine „Dogmatisierung und Kanonisierung des Satans" . .. „die
Grundlage der medizinischen Anthropologie" ist und daß von daher „die
Wissenschaft ex nihil aufgebaut" werden kann (220). „Warum läßt Gott den
Satan zu?" „Er muß es tun." „Um der Versuchung willen, ohne die das Versuchte
nicht ist, was es scheint" (219). Als ob die Versuchung ein Selbstzweck
wäre und einen Wert an sich hätte! Daß Gott die Versuchung nicht hindert,
daß er uns heute durch den Nihilismus versucht werden läßt und daß es ihm
scheinbar nichts ausmacht, wenn der Teufel den Menschen plastischer wird als

das Bild seines Sohnes, in dem er sich uns offenbart hat, das ist wahr. Aber
daß er das tun muß? Gott muß überhaupt nichts, und er will auch nicht,
►.daß wir versucht werden „über unser Vermögen". Es gibt allerlei Gründe, weshalb
man den Psychiatern die Theologie nicht überlassen kann.

Es wäre mir leid, wenn diese Besprechung zur Folge hätte,
daß die Theologen, wie sie es gerne tun, diese Gedanken in
theologische Kleinmünze umsetzen, und Herrn v. W. wäre das
gewiß geradezu peinlich. Dies ist dazu da, um darüber nachzudenken
. Ist man damit fertig, so wird es zu seiner Zeit auch
in der Predigt und dem theologischen Schrifttum seinen legitimen
Ausdruck finden.

RELIGIONS WISSENSCHAFT

Schmidt, p. Wilhelm, Prof. D. Dr., s. v. D.: Der Ursprung der Gottesidee
. Eine historisch-kritische und positive Studie. Bd. IX. 3. Abt.: Die
Religionen der Hirtenvölker III. Die asiatischen Hirtenvölker. Die primären
Hirtenvölker der Alt-Türken, der Altai- und der Abakan-Tataren.
XXXI, 899 S. gr. 8 . Subskr.-Preis DM45.— ; Hldr. DM50.—. Bd. VIII.

3. Abt.: Die Religionen der Hirtenvölker Ii. Die afrikanischen Hirtenvölker
. Niloten und Synthese mit Hamiten und Hamitoiden. XXX,
777 S., 1 Kt. gr. 8°. Subskr.-Preis 42.50, Hldr. DM 47.50. Münster: Aschendorff
u. Freiburg/Schweiz: Paulusverlag 1949.

In seinem großen religionsgeschichtlichen Werk hat
P. Schmidt nach dem (1912 in erster Auflage erschienenen)
einleitenden Band zunächst in Bd. II bis IV die Religionen
der Urvölker behandelt. Mit dem 1940 erschienenen Bd. VII,
den ich in ThLZ 1944 („Die kulturhistorische Ethnologie
P. Wilhelm Schmidts") besprochen habe, beginnt die Darstellung
der Hirtenvölker, zunächst derjenigen Afrikas. Der
während des Krieges in Druck gegebene Bd. VIII, der die
Religionsgeschichte der afrikanischen Hirtenvölker zu Ende
führt, wurde vor seiner Auslieferung durch Kriegseinwirkung
völlig vernichtet. Der jetzt vorliegende Bd. IX beginnt die
Behandlung der asiatischen Hirtenvölker, und zwar zunächst
der „primären Viehzüchter", während die „sekundären Viehzüchter
" (Mongolen, Jakuten usw.) einem weiteren Band
vorbehalten sind. Bd. IX hat insofern eine zentrale Stellung
im Gesamtwerk, als nach der Lehre P. Schmidts im Himmels-
gottglauben der alten Türkvölker der Urmonotheismus am
reinsten fortwirkt.

Der Band besteht aus drei verhältnismäßig unabhängigen
Abschnitten. Der erste von nur 67 Seiten behandelt die Religionen
der Alttürken, gegliedert nach vier Perioden: 1. die
Hiungnu- (Hunnen-) Zeit bis etwa 400 n. Chr., wesentlich aus
chinesischen Quellen erschlossen; 2. die Tukue-Zeit, etwa
55°—745. aus der die Orchon-Inschriften als älteste türkische
Quellen vorliegen; 3. die Uiguren-Zeit, 745—843; 4. die Hakas-
Kirgisen-Zeit, von 843 bis zum Mongolensturm im 13. Jahrhundert
. Bei den Tukue findet P. Schmidt die alttürkische
Religion des persönlichen Himmelsgottes relativ am reinsten
verkörpert.

Sehr viel eingehender als die Religionen dieser geschichtlichen
Völker, die nur aus bruchstückhaften Quellen zu erschließen
sind, werden dann zwei Hauptgruppen der heute
lebenden zentralasiatischen Hirtenvölker dargestellt, bei denen
die monotheistische Grundlage durch eine Vielheit von Himmels
-, Erd- und Unterwelt-Gottheiten überlagert ist, die Altai-
und die Abakan-Tataren. An letzteren wird die allmähliche
Auflösung, Verarmung und Entsittlichung des Himmelsgott-
glaubens durch den Schamanismus gezeigt.

Auch dieser Band ist, wie alle Werke P. Schmidts, durch
Beherrschung eines ungeheueren Materials an Einzeltatsachen,
zugleich aber durch das Streben nach Herausarbeitung großer
Linien der Entwicklung charakterisiert. Der Grundgedanke
des Verf.s, die Lehre vom Urmonotheismus, dürfte auch
weiterhin umstritten und außerhalb des exakt Beweisbaren
bleiben.

Nach Bd. IX ist nun auch der bereits im Kriege fertiggestellte
, aber damals verlorengegangene Bd. VIII erschienen.
In Fortsetzung von Bd. VII (Hamiten und Hamitoiden) behandelt
er die Niloten und bringt die Synthese des Gesamtstoffs
der afrikanischen Hirtenvölker, sowie einige Nachträge
zu früheren Bänden (insbesondere zu den in Bd. II behandelten
Ojibwa).

Den Begriff „Niloten" beschränkt P. Schmidt auf eine
Gruppe von Hirtenvölkern, die in der Hauptsache um den
Weißen Nil wohnen, faßt ihn also enger als sonst üblich, indem
er die den Hamiten näherstehenden Völker (z. B. Masai)
als Hamitoiden aussondert. Unter den Niloten trennt er wieder
die „eigentlichen Niloten" (Schilluk, Atyoli u. a.) von den

Nuer und Dinka, bei denen er Parallelen zur arktisch-nordamerikanischen
Urkultur feststellt, die er auf gememsamen
asiatischen Ursprung zurückführt. In wirtschaftlich-sozialer
Hinsicht charakterisiert er die Hamiten und Hamitoiden als
Viehzüchter mit sekundärem Ackerbau, während bei Niloten,
Nuer und Dinka primärer Ackerbau durch Viehzucht überlagert
ist. Religionsgeschichtlich entspricht dem Viehzüchter-
Element der Monotheismus, der in verschiedenen Graden
durch Natur- und Astralmythologie mutterrechtlich-agrarischer
Herkunft und durch Ahnenkult gefährdet ist. Da
P. Schmidt bei den meisten afrikanischen Hirtenvölkern eine
innige Religiosität und vertiefte Anschauung von einem Höchsten
Wesen feststellt, will er diese Völker nicht mehr zu den
„Heiden" gerechnet sehen.

Marburg Heinrich Herrfahrdt

Hausmann, Ulrich: Kunst und Heiltum. Untersuchungen zu den griechischen
Asklepiosreliefs. Potsdam: Eduard Stichnote 1948. 194 S., 20 Taf.
8°. DM22.—.

Monographien über einzelne klar abgegrenzte und überschaubare Denkmälergattungen
, Landschaften oder Künstler sind beim derzeitigen Stand der
archäologischen Forschung ein so dringendes Bedürfnis, daß jeder derartige
Versuch von vornherein mit günstiger Aufnahme rechnen kann. Die griechischen
Asklepiosreliefs sind eine solche Gruppe von Monumenten, es war ein
glücklicher Gedanke von Gerhart Rodenwaldt, ihre Bearbeitung einem seiner
letzten Schüler anzuvertrauen. Ulrich Hausmann hat die in Frage kommenden
Weihreliefs (unter Einschluß derjenigen an die übrigen Heilgötter, was sich
als nützlich erwies) sorgfältig gesammelt, sein Verzeichnis mit den verschollenen
oder unzugänglichen Stücken umfaßt 216 Nummern, deren große Masse aus
Athen stammt, also eine wenigstens landschaftlich eng zusammengehörige
Gruppe bildet. Da der Verf. die Gegenstände seiner Untersuchung nicht aus
Autopsie kannte, enthalten die Angaben über Material, Masse usw. keine Überraschungen
; Abbildungsnachweise und Literatur zu den einzelnen Stücken
sind zwar nicht vollständig, aber im wesentlichen zuverlässig mitgeteilt. (Die
Arbeit ist im Herbst 1944 abgeschlossen und bis zum Druck 1948 nicht mehr
wesentlich verändert worden (126), daher z. B. die nur damals verständliche
Sigel „WJh" für die österreichischen Jahreshefte, die aber für Band 13, 1910,
immer unsinnig war. Druckfehler sind häufig, vor allem in den Zitaten und
Nachweisen, z. B. lies 49,4 v. u. statt A40: A. 44; 102 Rand: Abb. 17; 122,
14 v. u. A 74 statt A 75; 141, 218 statt Sv.Tf. 28: Sv.Tf. 36, 1; 150, 340 statt
EA 1337: EA 1237. Im allgemeinen ist die Angabe der Quellen In Ordnung,
aber 28 ist ein Unglück geschehen: „als Alexikakos wird er (seil. Herakles)
in Epidauros verehrt (107) und ,in Weihinschriften zusammen mit Apollon
und Asklepios genannt' (108)". Anm. 107 verweist auf IG IV, l2, 531 [verdruckt
in 530], Anm. 108 auf Welter, Troizen und Kalaureia 28 [verdruckt in
35f.], der seinerseits IG a. O. 531 und 414 zitiert. 531 erwähnt nur Herakles
Alexikakos, 414 als einzige epidaurische Inschrift Asklepios, Apollon und
Herakles zusammen, aber Apollon ist moderne |wenn auch wahrscheinliche]
Ergänzung und die Inschrift stammt aus dem Jahr 254 n. Chr., was aus der
Zusammenstellung der Götter allein schon ungefähr hätte erschlossen werden
können: solche „Nachweise" nützen wenig und durften nicht vorkommen! —
88 ist ein Fragment aus Luku erwähnt, zu dem alle Nachweise fehlen.)

In einer kurzen Einleitung (11—17) werden „Gegenstand und Problemstellung
" skizziert. H. sieht in den Asklepiosreliefs in erster Linie Erzeugnisse
„handwerklich-volkstümlicher Kunstübung", bei denen das Inhaltliche und
der einmal geprägte Typus eine besondere Rolle spielen. Er entscheidet sich
daher für eine vorwiegend „typenmäßige" Betrachtung der Reliefs, an die
sich eine stilistische Einordnung erst ganz zuletzt anschließen soll; die Schwierigkeiten
in der Beurteilung von Qualität und Zeitstufe werden stark betont.
Die Abneigung des Verf.s gegen die einer exakten Beweisführung sich entziehende
Stilbestimmung tritt deutlich zutage, im Verlauf seiner Darlegung
kommt die Diskussion der Zeitbestimmung sehr zu kurz und von Stil im Sinne
der kunstgeschichtlichen Methode ist überhaupt kaum mehr die Rede. Die
Arbeit erweist sich als ein Versuch, das Material inhaltlich auszudeuten und
typologisch zu ordnen. Die kunstgeschichtliche Bearbeitung der Asklepiosreliefs
bleibt also noch zu leisten, sie läßt sich auch ohne genaue Kenntnis der
Originale, d. h. ohne einen längeren Aufenthalt in Athen, nicht durchführen;
immerhin wäre auch mit dem vorliegenden Material an Abbildungen weiterzukommen
und eine Anzahl grundlegender Resultate zu erzielen gewesen.