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Ausgabe:

1950 Nr. 7

Spalte:

399-408

Autor/Hrsg.:

Kuhn, Karl Georg

Titel/Untertitel:

Die Abendmahlsworte 1950

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399

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 7

400

die Bibelfrage als zwei Hauptprobleme der heutigen schwedischen
Exegetik und Theologie bezeichnet. Wir haben die
Ergebnisse skizziert, welche durch tiefgehende Einzeluntersuchungen
gegründet sind, und wir haben betont, daß diese
gebnisse ihrerseits neue Aufgaben für die Zukunft stellen.
Nicht zuletzt ist dies der Fall mit dem, was wir hier die ekkle-
siologische Interpretation des NT genannt haben. Man hat
von Albert Schweitzer gesagt, daß er eine Revolution innerhalb
der Forschung durch seine Rede von ,,der konsequenten
Eschatologie" bewirkte. Dasselbe wird man vielleicht von der
,,Panekklesiologie" oder besser der „konsequenten Ekklesio-
logie" sagen können, die wohl jetzt als das für diese Epoche
am meisten Charakteristische betrachtet werden kann. Man

kann sich nicht länger mit neutestamentlichen bibeltheologischen
Fragen abgeben ohne Rücksicht auf die Kirchenfrage
zu nehmen, ebenso wie man nicht an Schweitzer vorüberkommen
konnte. Der eschatologische Gesichtspunkt ist damit
nicht abgewiesen. Im Gegenteil wird der eschatologische
Charakter der Kirche stets betont. Es ist zu erwarten, daß
eben die Bearbeitung der Kirchenfrage neues Licht auf den
Sinn der neutestamentlichen Eschatologie werfen wird. Wir
haben mit einigen Fragen die Aufmerksamkeit auf die Probleme
lenken wollen, welche die Ekklesiologie aktualisiert.
Ein neuer zentraler Begriff ist gewonnen. Sicher ist, daß wir
viel von der Diskussion über die neutestamentliche Ekklesia
erwarten können.

Die Abendmahlsworte

Von Karl Georg Kuhn, Göttingen

In der neueren deutschen Forschung zur Abendmahlsfrage
stellen die beiden Arbeiten, einerseits von Joachim Jeremias1
, andererseits von Ernst Lohmeyer2, zwei markante
Eckpunkte dar, beide in ihrer wissenschaftlichen Bedeutung
weit über die deutschen Grenzen hinausweisend, beide in der
Gründlichkeit und Sorgsamkeit der Prüfung des vielfältigen
Materials und der vielschichtigen Problematik ebenso verbunden
wie in der Fragestellung und Methode charakteristisch
verschieden. Wenn nun die eine dieser Arbeiten, „Die Abendmahlsworte
Jesu" von Joachim Jeremias, in 2. Auflage vorliegt
, so rechtfertigt schon diese ihre Bedeutung eine ausführlichere
Ankündigung; und das erst recht, da diese neue Auflage
, wie das Vorwort hervorhebt, „auf weite Strecken ein
neues Buch geworden ist".

In der Tat zeigt die neue Auflage — schon mit dem
wesentlich größer gewordenen Umfang — auf Schritt und
Tritt die intensive Weiterarbeit des Verf.s an den Problemen
seit der 1. Auflage, die Aufnahme neuer Fragestellungen und
Gesichtspunkte, an einer Reihe von Stellen auch ein Umdenken
oder jedenfalls eine Modifikation in Einzelfragen. Vor
allem aber hat die neue Auflage in Anordnung und Gesamtaufriß
noch eine erhebliche Straffung und Übersichtlichkeit
der Gedankenführung im ganzen wie im einzelnen gewonnen.

Gleichgeblieben ist — und das ist nicht weniger wichtig
zu sehen — Grundgedanke, Ziel und Absicht des Werkes. Es
ist das historische Faktum des letzten Mahles des historischen
Jesus mit seinen Jüngern und der von ihm dabei gesprochenen
Worte und ihres in dieser historischen Situation von Jesus gemeinten
Sinnes: Mit den Abendmahlsworten kündigte Jesus
den Jüngern seinen bevorstehenden Tod an und deutete ihn als
Opfertod (S. 106), als „das stellvertretende, die Sünden sühnende
Sterben des Gottesknechts für die Völkerwelt, das den
Anbruch der Enderlösung einleitet" (S. in). Zugleich schenkte
er ihnen „im Essen und Trinken Anteil an der Sühnkraft seines
Todes" (S. 112). Oder, wie es der Schluß des Buches noch einmal
prägnant zusammenfaßt (S. 124):

„Wenn er den Jüngern seinen Tod nicht nur ankündigt und als Sülmtod
deutet, sondern ihnen im Essen und Trinken Anteil gibt an der Sühnkraft
seines Todes, und wenn er im Verzicht auf künftige Festfeier und ferneren
Weingenuß sie der nahen Vollendung versichert, so ist das alles Unterpfand
und Vergewisserung, Aufruf zum Dank für Gottes Gabe. So gewiß sie das Brot
essen, das Jesus ihnen bricht, und den Wein trinken, über dem er das Wort
vom vergossenen Blut sprach, so gewiß gilt auch ihnen das „Für Viele" seines
Sterbens und das „Mit Euch" der künftigen Abendmahlsgemeinschaft auf der
verklärten Erde."

Auf dieses Ziel hin — den Erweis dieser Handlung Jesu
und dieser seiner Worte und dieses ihres Sinnes als historisches
Faktum — ist die Arbeit angelegt. Diese Faktizität bedeutet —
oder begründet jedenfalls — nach der Absicht des Verf.s die
theologische Gültigkeit und Bedeutsamkeit. So ist dieses Werk
in der Klarheit und Konsequenz seiner Durchführung zugleich
glänzendes Musterbeispiel einer theologischen Richtung, deren
Absicht es ist, mit dem Mittel historisch-kritischer Forschung
im historischen Faktum den geschichtlichen Grund christlichen
Seins und seine Heilsbedeutung aufzuzeigen. Welche Intensität
der sorgfältigen historischen und exegetischen Arbeit in der
Heranziehung und Prüfung eines umfassenden Materials bis

') Jeremias, Joachim, Prof. D. Dr.: Die Abendsmahlsworte Jesu.

2., voll, neu bearb. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1949. 128 S.
gr. 8°. Kart. DM6.80.

2) Lohmeyer, Ernst, Vom urchristlichen Abendmahl, in: Theologische
Rundschau, N. F. 9, 1937, S. 168—194, 195—227, 273—312; N. F. 10, 1938,
S. 81—99.

ins Kleinste dieser Impuls hervorbringt, zeigt gerade auch
dieses Werk. So bleibt es wichtig, auch für diejenigen, die über
die Möglichkeit solchen historischen Nachweises (der naturgemäß
immer nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit
zu führen ist) und erst recht über die theologische Erheblichkeit
solchen Nachweises anders oder zum mindesten skeptischer
denken.

Diese Ziellinie der ganzen Untersuchung bestimmt schon
das, was dabei beiseite gelassen wird. Der Sinn etwa des Abendmahls
und der Deuteworte bei Paulus und in den paulinischen
Gemeinden wird zwar — selbstverständlich — mannigfach berührt
(und dabei die Forschung durch manche Beobachtungen
befruchtet und bereichert), aber doch nicht als eigenständige
Erscheinung gesondert dargestellt. Ebenso wird auch das Problem
des Abendmahls in der palästinischen Urgemeinde, oder
genauer das Problem von schon im Ausatz der palästinischen
Urgemeinde verschiedenen Christologien und damit auch verschiedenem
Verständnis der Gemeindemahle bzw. des Herrenmahls
, das Lohmeyer so wichtig ist und das scharf gestellt zu
haben, sein Verdienst bleibt (auch dann, wenn man seiner Zerlegung
in zwei Urgemeinden, „Jerusalem" und „Galiläa",
nicht zustimmt), auch dieses Problem wird hier nicht eigens
für sich behandelt. Das ganze Interesse hängt für Jeremias
an der „ipsissima vox Jesu", und so ist der Titel sehr genau
das Programm des Werkes: „Die Abendmahlsworte Jesu".
Er geht vor wie ein Ausgräber, der durch die überlagernden
Schichten durchstoßen will auf die allein wichtige Urschicht:
Da stehen die oberen Schichten unter dem Gesichtspunkt, entweder
jüngere Bildungen zu enthalten, die darum für das
Verständnis des Ursprünglichen ausscheiden, oder das Ursprüngliche
erhalten zu haben und damit zu bestätigen. Es
bleibt aber die Frage, ob nicht die andere Ausgrabungsmethode
der Flächenabhebung der Schichten — zum mindesten daneben
— ihr Recht hat, bei der jede Schicht zunächst in sich
als eine Sache von eigener Bedeutung begriffen wird.

Jedoch: Gerade diese gradlinige Zielstrebigkeit gibt dem
Buch sein Format und seinen forschungsgeschichtlichen Rang.

Sie wird sichtbar im Aufbau des Ganzen, der in einem
großen Dreitakt verläuft: Abschnitt I: „War Jesu letztes
Mahl ein Passamahl ?" dient der Bestimmung des historischen
Ortes der Abendmahlsszene im Leben Jesu, Abschnitt II (so
in der i. Auflage; jetzt: III): „Der älteste Text der Abend-
mahlsworte Jesu" dient der Bestimmung dessen, was Jesus
in dieser Szene sagte, Abschnitt III (jetzt: IV): „Der Sinn
der Abendmahlsworte Jesu" dient der Bestimmung des von
Jesus mit diesen Worten Gemeinten. In der neuen Auflage
ist hinzugewachsen ein Abschnitt II: „Der Abendmahlsbericht
im Rahmen der Passionsgeschichte", der literargeschichtlich
den Ort des Abendmahlsberichts in den synoptischen Evangelienbestimmt
. DerZuwachs ist ein Ausdruck der wachsenden
Bedeutung der literargeschichtlichen Fragestellung.

I.

Vorangestellt ist jetzt das Literaturverzeichnis, das in der ersten Auflage
noch auf S. lOff. in den Text eingeordnet war. Es ist wegen seiner Vollständigkeit
, vor allem auch an neuerer und neuester Literatur (gerade auch des Auslands
) besonders dankenswert, wie überhaupt die reichlichen Literaturhinweise
in dem Buch.

Nach der Formulierung des Problems, das durch den bei den Synoptikern
und bei Johannes verschiedenen Todestag Jesu gekennzeichnet ist, und nach
kurzer, aber zwingender Widerlegung der Harmonisierungsversuche von
Chwolson, Strack und Billerbeck folgt ein neuer Abschnitt über den Beitrag
der Astronomie zur Bestimmung von Todestag und Todesjahr Jesu: „Kein