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Ausgabe:

1950

Spalte:

385-392

Autor/Hrsg.:

Wingren, Gustaf

Titel/Untertitel:

Was bedeutet die Forderung der Nachfolge Christi in evangelischer Ethik? 1950

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Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. KURT ALAND, HALLE-BERLIN

NUMMER 7 FÜNFUNDSIEBZIGSTER JAHRGANG JULI 1930

Spalte

Was bedeutet die Forderung der Nachfolge
Christi in evangelischer Ethik?

Von Gustav Wingren.................. 385

Zwei Hauptfragen in der modernen
schwedischen Exegetik. Von Gösta

Lindeskog........................... 393

Die Abendmahlsworte. Von Karl Georg
Kuhn................................ 399

Praxis pietatiS. Von Leonhard Fendt ... 407
Das Gespräch: Medizin und Theologie.

Von Friedrich Delekat................. 409

Aalders: Toekomstbeelden Uli vijf eeuwen.
More — Bunyan — Mandeville — Fichte —
Wells (Siegfried)....................... 430

Bäte: Der Friede in Osnabrück 1648

(Stupperich) .......................... 433

Barth: Das christliche Verständnis der Offenbarung
(Fuchs)........................ 434

Brecht: Johannes Brenz, der Reformator
Württembergs (Fendt) ................. 431

Chafer: Unser Heil (Fendt) ............. 408

iEißfeldt]: Festschrift Otto Eißfeldt zum
60. Geburtstag (Rost) .................. 418

Spalte

Falke: Geheimnisse Gottes (Graß)......... 442

Hartenstein: Der Sohn Gottes (Fendt)____ 408

Hausmann: Kunst und Heiltum (Groß)... 416
Hermelink: Johannes Brenz als lutherischer

und schwäbischer Theologe (Fendt) ...... 431

Hopmann: Geschichte des Ursulinenklosters

in Dorsten (Stupperich) ................ 433

llumbert: La „Terou'a" (Galling)......... 421

Jeremias: Die Abendmahlsworte Jesu.

2. Aufl. (Kuhn) ....................... 399

Maurer: Ob Berge weichen. 16.Aufl. (Fendt) 407
Michel: Der Brief an die Hebräer übers, u.

erkl. 2. Lfg. (Käseinann) .............. 427

Niebuhr: Faith and History (Beth)...... 429

Oehler: Sinnvolles Altern (Fendt)........ 409

— Botschaft an die Einsamen (Fendt)..... 410

Paulus: Dogmatik (Graß)................ 441

Quervain: Humanismus und evangelische

Theologie (Siegfried)................... 440

Rendtorff: Das neue Leben in Christus

(Fendt)............................... 408

Römer-Krusemeyer: Adolf Donders

(Stupperich) .......................... 434

Spalte

S c h m i d t, Wilh.: Der Ursprung der Gottesidee
Bd. IX, 3. Abt. III.: Die asiatischen Hirtenvölker
. Bd. VI II, 3. Abt. II: Die afrikanischen
Hirtenvölker (Hcrrfahrdt) .............. 415

Schrey: Existenz n, Offenbarung (Benckert) 437

Schulze, Rud.: Das Gymnasium Paulinum
zu Münster 797—1947 (Stupperich)...... 433

Siegmund: Jesus Christus heute (Fendt)... 408

Staehelin: Johann Ludwig Frey, Johannes
Grynaeus und das Frcy-Grynaeische Institut
in Basel (v. Loewenich).............. 432

Stauffer: Die Theologie des Neuen Testaments
. 4. Aufl. (Kümmel) .............. 421

Tyciak: Die Weisheitsbücher des AltenTesta-
ments (Hertzberg) ..................... 420

Weatherhead: Erlebtes Palästina (Galling) 421

Weizsäcker: Begegnungen und Entscheidungen
(Delekat)...................... 409

Williams : God'sGraceand Man's Hope (Beth) 439

Von Personen:

In memoriam Joachim Begrich (Bardtke) . 441
Bibliographie.......................... 444

Zeitschriftenschau:

Altes Testament IV (Steinborn)......... 445

Was bedeutet die Forderung der Nachfolge Christi in evangelischer Ethik?

Von Gustaf Wingren, Lund

Die Nachfolge Christi ist ein Teil der Christusgemein-
sehaft, die im Glauben empfangen wird und in erster Linie
ein Geschenk ist. Aber andererseits handelt es sich im Neuen
Testament auch um bestimmte Forderungen der Nachfolge
und des Gehorsams. Wir gehen hier so vor, daß wir zunächst
ein allgemeines Bild der Christusgemeinschaft als „Nachfolge
", als Teilhabe an dem, was Christus zuerst durchschritten
hat, entwerfen. Dieses generelle Bild, das bis zu einem gewissen
Grade mit der üblichen Darstellungd.es urchristlichen Kirchenbegriffes
zusammenfällt, wird bewußt einseitig gehalten sein,
insofern eben die Forderung im eigentlichen Sinne, der konkrete
Anspruch, zunächst außer Acht gelassen wird. Nach
einem kurzen Hinweis auf systematische Literatur wird dann
die Forderung emer ethischen Gleichheit mit Christus, einer
-Nachfolge im Tun behandelt. Das neutestamentliche Material
zum Thema wird verhältnismäßig ausführlich gegeben. Schließlich
wird das Gesamtresultat in einigen definitionsmäßigen
Formeln zusammengefaßt. Zu allerletzt werden ein paar allgemeine
systematische Reflexionen angefügt.

Zunächst eine Andeutung der veränderten theologischen
1 roblemlage hinsichtlich des Nachfolgebegriffs. Noch vor
f o Jahren war die Rechtfertigungslehre das selbstverständliche
/-entrum der Lutherdeutuug. Und man sah Luther hierin als
lirneuerer der Theologie des Paulus an. Auch der Römerbrief
«es Paulus hatte seine Mitte in dem Kapitel von der Recht-
ugUng' Es war scllwer, eiller Nachfolge Christi neben der
Rechtfertigung Raum zu geben; es war ebenso schwer, diesen
Stoff bei Paulus unterzubringen, wie bei Luther. Es sah aus,
als würde man sonst die Werke in die Rechtfertigung einfuhren
. ,,Die Nachfolge" war nur eine römische oder eine pie-
tistische Entgleisung, eine Form von „Werkgerechtigkeit".
Seither ist innerhalb von wenigen Jahren eine gänzliche Wandlung
eingetreten, sowohl in bezug auf Luther wie in bezug auf
Paulus. Luthers Rechtfertigungslehre kann vom Konformitätsgedanken
aus verstanden werden. Pauli Rechtfertigungslehre
kann von Rom. 5 aus verstanden werden, der Gegenüberstellung
von Adam und Christus. Gerechtfertigt sein heißt

385

am Leibe Christi sein, des Todes und der Auferstehung Christi
teilhaftig. Die Eschatologie, die Lehre von den zwei Äonen,
wird bald das Hauptthema sowohl der Paulus- als auch der
Lutherforschung, ein neuer Schlüssel, der verschlossene Türen
öffnet, der überall erprobt und siegessicher in alle alten
Schlösser gesteckt wird.

Was die Nachfolge angeht, so ist das Ergebnis dieses Unischwunges
ein doppeltes. Erstens stimmt nun die Nachfolge
in gewisser Weise gut mit dem Zentrum zusammen. Zwar wird
das Wort „Nachfolge Christi" nicht allzu häufig gebraucht,
man spricht stattdessen von „Gemeinschaft" mit Christus,
„Teilhaben" an Christus, mit einer Terminologie, deren wir
uns jetzt alle bedienen, wenn wir von der Kirche reden. Versucht
man aber zu fixieren, worin die Gemeinschaft besteht
und woran man teilhat, so stößt man auf eine feste doppelseitige
Größe: Tod und Auferstehung (hier findet man den
Kern der Gemeinschaft und der Teilhabe). Und diese doppelseitige
Größe stellt ja nicht eine Charaktereigenschaft Christi
oder ein moralisches Programm oder einen Lehrinhalt dar,
sondern man steht Geschehnissen gegenüber, Ereignissen, die
sich mit Christus begeben haben: er ist gestorben und ist auferstanden
— und daran ist der Jünger beteiligt, er ist so daran
beteiligt, daß er selber stirbt und selber aufersteht, in Christus.
Weil es sich um solche Ereignisse handelt, kann man offensichtlich
ebenso gut das Schema des Nachfolgens, des Wan-
derns, des Gehens verwenden: Christus geht voran und bahnt
einen Weg durch den Tod in das neue Leben, und der Jünger
geht hinterher, der Jünger „folgt" seinem Herrn. Dies ist das
Eine. Die Nachfolge paßt recht gut zu dem, was bei Paulus und
Luther das Zentrum ist. Zweitens aber hört die Nachfolge
ebeudamit, so will es scheinen, auf, etwas „Ethisches" zu Befifj
etwas, das mit Lebensführung und Moral zu tun hat. Die Imitation
, das Nachahmen der Handlungen Jesu fällt dahin. Das
Reden von Tod und Auferstehung läßt uns vom Gesichtspunkt
der Ethik aus anscheinend mit ganz leeren Händen dastehen
. Vom Jünger aus gesehen eröffnen sich Verbindungslinien
in drei Richtungen: die Verbindungslinie des Glaubens

386

ütB.TÜB.