Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1950 Nr. 6

Spalte:

372

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Der Friedhof unserer Väter 1950

Rezensent:

Gabriel, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

371

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 6

372

der Ordnung unseres Gebets, vom gottesdienstlichen Gebet,
vom Gebet im Kämmerlein, von der Fürbitte, von der Gemeinschaft
im Gebet, vom Gebetsdienst der Stände, vom Gebet
der Bruderschaft, von der Übung des Gebets, von der Gefährdung
rechten Gebets, von der innerweltlichen Kraft des
Gebetes und vom Beispiel des kirchlichen Nachtgebetes. Wer
mit dem Verf. die eigentliche Not der Kirche in der Gebetsnot
sieht, der kann ihm nur dafür dankbar sein, daß er an seinem
Teil wie andere vor ihm und neben ihm ernsthaft fragt, wo
und wie „Gebetshilfe" zu finden ist. Die Not läßt sich nicht
leugnen: Je weniger die Menschen zu Gott den Weg suchten,
desto mehr gingen sie den Weg zum Nervenarzt. Es ist kein
Wunder, wenn das Gericht über unsere evangelische Kirche
ergeht. Die von der Kirche und für sie leben, müßten aus der
Kraft der Gemeinschaft mit Gott leben. Die Wirklichkeit
zeigt uns die fast restlose Anpassung der Kirche an die Welt.
Es sieht so aus, als sei fast alles andere für die Tätigkeit des
Pfarrers wichtiger als sein Gebetsdienst. In unseren Rendan-
turen und auf der Orgelbank wird nicht gebetet. Wie ist es
mit dem geistlichen und leiblichen Leben der Kirchenältesten,
der Diakonen und Diakonissen, der Küster und Kirchendiener
? Wo sind die Hausväter, die Hausmütter, die Witwen
(1. Tim. 5, 5), die beten, die Kinder, die uns lehren, Gott zu
loben (Matth. 21, 16) ? Angesichts dieser Not versagt die
Theorie. Die Besinnung auf die Grundsätze, auf die Geschichte
reicht, so wichtig sie ist, nicht aus. ,,Wir sind uns klar darüber,
daß nur über wirklich gebetete Gebete zu sprechen möglich
ist", daß der Mensch nur betend beten lernt. Deshalb werden
.wir immer wieder in die Hohe Schule des Gebets gerufen: zu
den Psalmen, den cantica, zu dem Fürbitten-Gebet nach der
Jacobus-Liturgie (abgedruckt in der Kirchenagende für Rheinland
-Westfalen, Bd. I, S. 47L), zu den Kollekten. Diese Gebete
wollen buchstabiert, sie wollen geübt sein, bis wir dessen
inne werden, was beten heißt, wen wir rufen, wenn wir Gott
rufen, wenn wir Kyrie rufen, wen wir bitten, wenn wir den
Heiligen Geist bitten, bis wir es verlernen, die Rangordnung
im Gebet des Herren umzukehren, bis wir etwas wissen von
dem Gewicht der Worte, mit denen das christliche Gebet
schließt: „Durch unseren Herren Jesus Christus", von dem
Sinn des Wortes Amen, mit dem noch einmal das ganze Gebet
von der Anrede bis zum Schluß zusammengefaßt wird. Soll
denn „die Kirche des Wortes" die eigentlichen wortgemäßen
Gebete den anderen Konfessionen überlassen ? „Das außerchristliche
Gebet ist aus dem Menschenherzen geboren. Sein
Grund ist allein menschliche Sehnsucht." Ist das Gebet ein
Kampf des wünschenden Herzens mit dem Heiligen Geist, der
Kampfplatz, auf dem sich entscheidet, wem wir gehören und
wer unser Herr ist, Vollzug meines Glaubens, Erfüllung des
vornehmsten Gebots (Matth. 22, 37L), ein Akt der Selbstaufopferung
, ein Mittel Gottes, seine Herrschaft durch den Heiligen
Geist über uns auszuüben, macht es uns „gehorsam",
dann wird im Gebet Ereignis, was die Kirche in der Recht-
fertigungslehre lehrt, dann sind wir nicht hilflos in den Gefahren
, die unser Gebet zum Leerlauf (Matth. 6, 7), zum verdienstvollen
Werk zu machen drohen und uns zur Weltflucht
verleiten. Dann sehen wir die offenen Türen zwischen den Gebetsräumen
: dem Kämmerlein, dem Raum der Hausgemeinde
und der Kirche, die Türen, durch die die Kräfte der
zukünftigen Welt, der Auferstehung sich suchen und finden
können. Wir hören nicht auf zu fragen: „Was bedeutet das
Gemeindegebet für das Gebet im Kämmerlein?" „Was bedeutet
das Gebet im Kämmerlein für das Gemeindegebet?"
Wir lernen mit der Kirche christlich beten.

Vielleicht wird in der neuen Auflage, die wir dem Buche
wünschen, der „Kirche im Haus" neben dem Kämmerlein
noch mehr Raum gegönnt. Vielleicht wird noch vorsichtiger
geurteilt, als es manchmal geschieht, nicht nur im Blick auf
die Rendanturen und Orgelbänke. Ob wirklich die üblichen
Kirchengebete, die Schlußgebete der Preußischen Agende der
Gemeinde nicht gut tun, ob sie keinen großen Segen gewirkt
haben, weiß Gott allein. Vielleicht werden die Akzente noch
einmal daraufhin angesehen, ob sie richtig verteilt sind. Die
Frage nach dem neuen Gebet ist nicht ganz so einfach, wie sie
in B.s Augen zu sein scheint. Bei allem Respekt vor der Auswahl
seiner Beispiele bleibt die Frage, ob nicht der Hinweis
auf 1. Thess. 5, 19 auch hier geboten ist, ob J. Smend mit
seinem Rat: „Nur nicht aus einem Buche beten!" unter allen
Umständen unrecht hat. Daß sich alle, die es angeht, und
wen ginge es nicht an, diesem Ruf zum Gebet nicht verschließen
möchten, daß das Wort, das aus vielen Erfahrungen
geboren ist, zu neuen Erfahrungen führen möchte, ist unser
Wunsch. Das ist die Bitte, mit der wir den Weg dieser Gebetshilfe
begleiten.

Halle/S. Paul Gabriel

Althaus, Paul: Der Friedhof unserer Väter. Ein Gang durch die sterbe-
und Ewigkeitslieder der evangelischen Kirche. 4. Aufl. Gütersloh: Bertelsmann
[1948]. 140 S. kl. 8 . Pp. DM4.20.

Im Jahre 1922 schrieb Althaus im Vorwort zur zweiten
Auflage seines Buches: „In schwersten Jahren, in denen der
Friedhof unserer Brüder unabsehbar groß wurde, haben diese
Blätter (die 1913 in der „Allgemeinen Ev.-lutherischen Kir-
chenzeitung und 1915 zum ersten Male als Buch erschienen)
den Weg in manches Haus gefunden und ein wenig Führerdienst
getan auf dem Friedhof der Väter". Die Jahre sind nicht
leichter, der Friedhof unserer Brüder ist noch viel größer geworden
, so daß es keiner Gründe dafür bedarf, daß der Dienst,
der zuletzt 1928 mir der dritten Auflage geleistet worden ist,
uns nun wieder angeboten wird. „Für die vorliegende vierte
Auflage habe ich die bisherigen Ausführungen zur Charakteristik
und Kritik der altlutherischen Frömmigkeit großenteils
gestrichen, soweit sie den Abstand zwischen den Vätern und
uns sowie zwischen dem Neuen Testamente und dem alten
Luthertum betonten. Die Zeiten sind andere geworden. Wir
sind näher an die Väter herangerückt. Auch die kritischen
Sätze vom Neuen Testamente her kann ich heute in der
früheren Gestalt nicht wiederholen", sagt A. im Vorwort. Das
Buch zeigt auch in seiner neuen Gestalt, was einer vergleichenden
Liederkunde, wie sie A. mit der Einteilung seines Stoffes
bietet, abzugewinnen ist, wie sich damit Väter und Söhne,
Welt und Kirche, wie sich die Konfessionen, Orthodoxie,
Pietismus, Aufklärung begegnen, wie Wort und Weise einander
dienen, wie sich Maler und Dichter helfen. Das Urteil
über Schmolck (S. 47f., S. 58) wird durch den Aufsatz von
Gottfried Holtz in der „Dorfkirche" 1937, Heft 2, S. 42ff. in
Frage gestellt. Auch das Urteil über Joh. Olearius (S. 91) kann
ich nicht teilen. Das mindert aber nicht den Dank für den
Segen, den uns die Einkehr auf dem Friedhof unserer Väter
in der Unrast unserer Tage bringt: Wir dürfen, wie es am
Ende des Buches mit Recht heißt, aufatmen in der Luft aus
der Ewigkeit, die unsere Herzen stärken und reinigen kann.

Halle/Saale Paul Gabriel

Muench, Aloysius, Dr. rer. pol., Dr. theol. h. c, Bischof: Theologische
Grundgedanken zur katholischen Landvolkbewegung. Münster:

Regensberg [1948]. 24 S. 8°. DM 1.—.

Der Verf. ist Bischof in den USA. und weilte als apostolischer
Visitator in Deutschland. Er war früher Professor der
Sozialwissenschaft und Dogmatik in Milwaukee. Die katholisch
-theologische Fakultät der Universität Münster promovierte
ihn ehrenhalber zum Doktor der Theologie. Anläßlich
dieser Feier wurde der Vortrag gehalten. Er enthält karge Andeutungen
einer katholischen Landvolkbewegung in den USA.,
die wohl der ursprünglichen Raiffeisenbewegung in Deutschland
ähnlich ist. Es wird ausgesprochen, daß die Kirche solcher
Bewegung bedürfe, weil 80 v. EL der katholischen Bevölkerung
in USA. in Städten wohne und langsam in ihnen den Bevölkerungstod
sterbe, wenn sie nicht Nachwuchs vom Lande
bekäme. Der größere Teil der Ausführungen ist den theologischen
Grundgedanken der Landvolkbeweguug gewidmet —
der Familie, dem Eigentum, der Genossenschaft. Wie zu erwarten
, sind die Erörterungen naturrechtlich orientiert.

Rostock G. Holtz

[Tesselhoff, D.j.:] Warum wir die Lehre der Allversöhnung verwerfen
. Eine biblische Klarstellung. Reisach: Karl Fix, Verlag Deutsche
Volksmission entschiedener Christen [1947]. 46 S. 8°. DM 1.—.

Es ist einigermaßen erstaunlich und erfreulich, daß der
Verlag einer Pfingstgemeinschaft eine solche Schrift herausgab
, die sich in nüchterner biblischer Klarheit mit der Lehre
von der Allversöhnung auseinandersetzt. In einer Reihe von
exegetischen Einzeluntersuchungen werden die für diese Lehre
geltend gemachten Schriftstellen auf ihre tatsächlichen Aussagen
geprüft. Dabei wird vor allem den Begriffen „olam",
„ad", „nezach" und „aion" nachgegangen, ob sie sich nur als
„Ewigkeit" oder auch im Sinn von „Zeitalter" verstehen
lassen. Man wird gelegentlich Fragezeichen machen müssen.
Tatsächlich sind doch einzelne Spuren in der Schrift vorhanden
, die in die Richtung der Allversöhnung weisen. Aber
die anderen Zeugnisse sind so klar, daß man dem Endergebnis
von Tesselhoff zustimmen muß, der die Allversöhnungslehre
abweist. Aber er macht sich die Ablehnung des Deus abscon-
ditus und der damit verbundenen prälapsaristischen Auffassung
zu leicht. Und daß mit der Abweisung der Allversöhnungslehre
weitere Fragen aufbrechen (z. B. die Frage nach
dem Schicksal derer, die vor Christus gelebt oder sein Wort
nie gehört haben; oder die Frage nach einer Möglichkeit der
I Umkehr in einem Leben nach dem Tod), die nach einer wenig-