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Ausgabe:

1950 Nr. 6

Spalte:

368-369

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Phillips, George Godfrey

Titel/Untertitel:

The Transmission of the Faith 1950

Rezensent:

Harms, Hans Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 6

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macht die treffendsten Ausführungen vor allem in den Kapiteln
IV und V: „Die Verantwortlichkeit des Menschen für
den Trauminhalt" und „Der Traum als Beweis für die Existenz
einer übersinnlichen Welt und für die menschliche Ge-
schöpflichkeit". Sie sucht den Dichter aber immer wieder für
den Primat des Bewußtseins, für die moralische Weltanschauung
, für den Bibelglauben in Anspruch zu nehmen.

So ist der Teil VI „Typische Traumsymbole" recht dürftig
ausgefallen, und unsere zweite Frage: Was verraten die
Träume bei Gottheit ? Was ist ihr Urinlialt, ihr Tiefensinn ? —
wird nicht beantwortet. Hier müßte weitergearbeitet werden.
Dabei waren die Visionen, Tagphantasien usw. gleich mit heranzuziehen
und alle übrigen Partien in den Dichtungen Gott-
helfs, in denen seine untergründige Welt sich kundtut. Auch
die zeitliche Entstehung wäre zu berücksichtigen, denn ich
bin der Meinung, im Gegensatz zu Marianne Baumaun (S. 4 f.),
daß Gottheit sich ständig „entwickelt" hat, aber keineswegs
vom Unbewußten zum Bewußten, eher umgekehrt. Durcli
Auffindung und Deutung der Gestalten und Symbole aus
seiner personalen und kollektiven Unterwelt dürften wir seiner
Dichtung noch mehr auf die Spur kommen. Um noch einige
Hinweise zu geben: Der Mythus Licht = Finsternis — dieser
übrigens von Marianne Baumann am deutlichsten erkannt
(Muschg sagt, Gottheit' stehe an der Grenze von Tag und
Nacht, wo die Sonne in das Reich des Mondes eingehe). Die
Gemeinschaft in jedem einzelnen Traummhalt als Urpriuzip
(im Gegensatz zur gemachten Verbindung oder gar Organisation
). Letzte Einheit von „Leib" und „Seele" (im Unterschied
zu der verkündeten Spaltung), Einheit von Priester-
tum und Arzttum. Zusammenhänge und Gesetze, die Vergangenes
und Zukünftiges im Gegenwärtigen einhüllen und
beschließen. Landschaften mit kosmischen und mythologischen
Aspekten und Bezügen. Naturgeschehen in engster
Verbundenheit, ja Einheit mit den Geschehnissen der Menschen-
welt. Spiegelbilder der Ablösung des Dichters von der Orthodoxie
und Dogmengläubigkeit, von der Familien- und Kirchen-
tradition. Die dauernde Kampfstellung gegen bekannte und
unbekannte Gegner. Das in ihm sehr lebendige „Heidentum
". Gut aus der Kindheit, „Ringe der Vorzeit", „Visionen
der Weltschöpfung" (Muschg). Möchte das Phänomen Jeremias
Gotthelf noch tiefer ergründet werden. Das Buch von Marianne
Baumann ist seit Muschg einer der wertvollsten Beiträge dazu.
Es bedarf aber der Weiterführung, Ergänzung und Vertiefung.
Vielleicht erhalten wir sie durch die Verfasserin selbst.

Halle/S. Wilhelm Knevels

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Merz, Georg: Die Verantwortung der Kirche für die Ausbildung ihrer
Pfarrer. München: Verlag d. Ev.-Luth. Kirche in Bayern 1948. 52 S. 8° =
Kirchlich-theologische Hefte i. A. d. Ev.-Luth. Kirche in Deutschland, hrsg.
v. Ernst Kinder. H. 4.

Das Heft ist Rudolf Alexander Schroeder zum 70. Geburtstag
gewidmet und enthält drei Aufsätze; darunter als
erstes Stück die Vorlesung bei der Eröffnung der Augustana-
Hochschule 1947 über: „Wesen und Aufgabe der kirchlichen
Hochschule"; das wird historisch an den Beispielen von
Bethel und Elberfeld, vor allem aber grundsätzlich als notwendiger
Weg kirchlicher Ausbildung neben den staatlichen
Fakultäten begründet. Dabei wird auf die Entwicklung der
abendländischen Universitäten wie auf die Verantwortung der
geordneten Kirche für das theologische Lehramt und für die
Ausbildung der Geistlichen hingewiesen. Besondere Beachtung
verdient das, was der Verf. über die eigentümlichen
Gaben und Aufgaben einer kirchlichen Hochschule hinsichtlich
der kirchlichen Lebensgemeinschaft, der Liturgie, der
Mission und der Diakonie sagt. Das Selbstverständnis der
Augustana-Hochschule wird in gleichzeitiger Abwehr gegen
Klerikalismus und Säkularismus und in konkreter Ausrichtung
auf den künftigen Dienst im Pfarramt entfaltet. Angesichts
der gegenwärtigen Lage in der Evangelischen Kirche
in Deutschland wird man dem Verf. nur zustimmen können,
wenn er das Nebeneinander von theologischen Staatsfakultäten
und kirchlichen Hochschulen, die beide ihre Vorzüge
und ihre Grenzen haben, entschlossen bejaht.

Die zweite Arbeit über „Das Pastoralkolleg als brüderliche
Gemeinschaft und theologischer Dienst" faßt die Erfahrungen
des Verf .s in der Leitung von Fortbildungskursen für Geistliche
der bayerischen Landeskirche von 1945—J948 zusammen. Es
zeigt sich, daß selbst in Bayern die frühere Geschlossenheit der
Pfarrerschaft nicht mehr gegeben ist, daß aber Pfarrer mit den
verschiedensten persönlichen und theologischen Voraussetzungen
dennoch zur Gemeinschaft zusammenwachsen,

wenn die Schriftausleguug in der Mitte des gemeinsamen Forschens
und Lebens stellt, ehie Erfahrung, die auch von anderen
Landeskirchen bestätigt werden kann. Die Darlegungen des
Verf.s lassen den Wunsch lebendig werden, daß es innerhalb
der EKD einmal zu einem persönlichen Erfahrungsaustausch
zwischen allen denen kommen sollte, die sich in den letzten
Jahren um die geistliche und theologische Fortbildung der
Pfarrerschaft in Pastoralkollegs, Rüstzeiten, theologischen
Kursen u. dgl. bemüht haben. Damit würde dieser Dienst, an
dem die theologischen Lehrer ebenso wie die Kircheuleitungen
verantwortlich beteiligt sind, reiche Befruchtung erfahren
können.

Die dritte Arbeit über „Die Erfahrung der Theologischen
Schule in Bethel in ihrer Bedeutung für die Neuordnung des
theologischen Studiums" ist eine Denkschrift zur Vorbereitung
der Treysaer Konferenz von 1945 und wirkt hier gegenüber
den beiden vorhergehenden, lebendigen und beachtlichen
Schilderungen als Anhängsel. Man hätte gewünscht, daß ihr
Inhalt in die erste Arbeit über die heutigen Aufgaben ehier
kirchlichen Hochschule mit hineingearbeitet worden wäre.

Berlin F. W. Krummacher

Phillips, Oodfrey E., M. A., Prof. of Missions: The Transmission of the

Faith. London: Lutterworth Press [1Ö46J. 156 S. 8 = Lutterworth Library,
Vol. XXV. Missionary Research Series, No. 10. Lw. 10 s. 6 d.

In 15 klar aufgebauten Kapiteln geht der angesehene Missionar
und Missionswissenschaltler (nach 25 Jahren Missionsdienst
in Indien wurde Ph. zum Missionsprofessor an die Selly
Oak Colleges, Birmingham, berufen, wo er bis vor wenigen
Jahren, fast zwei Jahrzehnte hindurch, lehrte) der Frage nach:
Was hat die Kirche als den ihr eigentümlichen Glauben und
das ihr eigentümliche Leben von Generation zu Generation,
was haben die Christen den Nichtchristen weitergegeben ? Wie
ist solche Weitergabe erfolgt ?

Bevor der Verf. sich vom Neuen Testament und der
Kirchengeschichte Antwort auf seine Frage geben läßt, untersucht
er den Brauch primitiver Stämme (Kap. 1. „Nach
Gottes Plan soll die Kirche Erfüllung und Verwirklichung
jener Träume von einer vollkommenen Gemeinschaft [societyj
sein, die den Menschen von seinen ersten Tagen an umgetrieben
haben und noch heute umtreiben. So ist denn zu erwarten,
daß trotz aller menschlichen Verderbtheit etwas von Prophezeiung
und Vorgeschmack [prevision and foretaste) dessen,
was kommen sollte, in jeder Bemühung um eine Geniein-
schaftsorduung [social effort], die der Mensch macht, zu finden
ist, besonders in der enggeknüpften Organisation eines Stammes
. So mögen wir, als vom Stamme Christi, bei unseren primitiven
Vorvätern sehr wohl Anregungen suchen für die Übermittlung
der Gedanken und des Lebens eines Stammes an
Neulinge", S. 15) und des alttestamentlichen Heilsvolkes
(Kap. 2—4), dessen Praxis besonders im Proselytenunterricht
die Übung der Urkirche und der ersten christlichen Jahrhunderte
stark beeinflußt hat. — Ist schon alle religiöse Erziehung
und Unterweisung im Judentum bezogen auf die
„großartige, massive Geschichte der Erlösung" (S. 19), die
dem gesamten Volks- und Familienleben ihren Stempel aufgedrückt
hat (S. 21—25), so erst recht im Neuen Testament,
dessen Antworten auf die gestellten Fragen weithin im Anschluß
au Philip Carrington (The Primitive Christian Cate-
chism) dargestellt werden (Kap. 5 u. 6). War im Judentum
die Erinnerung an Gottes heiliges Tun das A und O, so ist
hier mehr. Gott nimmt den Christen mit hinein hl sein Tun
(z.B. im Anschluß an Rom. 6, 3L: „Der Geschichte von
Kreuz und Auferstehung Jesu wird nicht nur gedacht, sie
wird m einem bestimmten Sinn in jeder Taufe von neuem
vollzogen [re-enacted] . . . Der neue Christ wird selber begraben
, er selber erfährt eine Auferstehung, mit Christus",
S. 56. Oder zu Gal. 3, 27: „Das so begonnene neue Leben ist
ehie Fortsetzung des geschichtlichen Lebens Jesu Christi in
der Welt", S. 57). Daraus ergibt sich dann die konkrete Forderung
nach der neuen, christlichen Weise des Lebens. (Ausführlicher
besprochen werden Eph. 4, 17—6, 20; Kol. 3, 1 bis
4, 12; 1. Petr. 1, 1—4, 11; 4, 12—5, 14; Jak. 1, 1—4. 10; S-57ff.)
„'In Christus'-sein ist nach dem Neuen Testament nicht ein
Gipfel des für einen Christen Möglichen (a peak of Christian
attainment), den nur starke Heilige erklimmen. Es ist auch
der Stand des schwachen Christen, der spät zum Glauben gekommen
ist, eine Kraft, die ihm am Fuße des Berges geschenkt
wird, die erst alles Aufsteigen möglich macht" (S. 60). Hierdurch
wird die Weitergabe des der Kirche anvertrauten Glaubens
und Lebens entscheidend geprägt.

Nach einer kritischen Auseinandersetzung mit der im Anschluß
an Hamacks These wiederholt vorgetragenen Auf-