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Ausgabe:

1950 Nr. 6

Spalte:

357-358

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Frank, Philipp

Titel/Untertitel:

Modern Science and its philosophy 1950

Rezensent:

Beth, Karl

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Seite 1

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3.57

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 6

358

vorliegende gedankenreiche Schrift des katholischen Verf.s
■Beachtung, weil sie die bisherige Uniformität der katholischen
Auffassung weithin durchbricht.

Gewiß: auch Joseph Klein ist nicht etwa ein ergebener
Anhänger Sohms: „Eine Grundlegung des geistlichen Rechts
ist nicht nur möglich, vielmehr ist em solches Recht als Faktum
mitgesetzt in einer Glaubensentscheidung, die unter Ablehnung
der reformatorischen Rechtfertigung sola fide die
Katholische justificatio fide caritate formata bejaht" (S. 6).
..Die fides quae creditur bedingt geistliches Recht, und die
niit ihr .verkoppelte, gesetzlich faßbare religiös-ethische Verpachtung
ist rechtlicher Formung zugänglich" (S. 8). Dennoch
betont der Verf.: „Konstitutiv für die Kirche ist nicht
aas im Bereich des Praktischen mögliche bindende Gesetz,
sondern Lehre und Verwirklichung haben ihre Existenz in der
sakramentalen Gemeinschaft der Gläubigen, dem
^orpus Christi". In einem Überblick über die kirchliche
£echtsgeschiehte läßt der Verf. zutreffend das zunehmende
Oberwuchern des Juristisch-Institutionellen sichtbar werden.
..Unverkennbare Vorzüge des Jurisdiktion eilen, das zumal das
yut der Tradition über religiös und geistig arme Zeiten herüberzuretten
vermag, sind mit der Verselbständigung des
Jurisdiktion eilen der Kirche nutzbar gemacht, aber ebenso
große Gefahren sind heraufbeschworen." „Institution
und Norm können leicht darüber hinwegtäuschen, daß das
yiristentum nicht bloß in zu akzeptierenden rechtsgesetz-
Hclien Bestimmungen besteht" (S. 16). Diesen gefährlichen
j.lriumpii eines Rechtsdenkens, welches das Urfaktum der
ni erlauben gelegenen freien Entscheidung verkennt", erblickt
*tT » aucl1 in dem Codex Juris Canonici von 1917 (S. 30,
3i )■ Er belegt diese Mängel an Hand einiger canones dieses
Gesetzbuches.

Der Verf. schließt mit dem Zitat eines Satzes von Faul
1 "lieh:

, ..Die katholische Welt hat den Schritt nicht gemacht,
uen che protestantische gemacht hat, den Schritt zur Ent-
gegenständlichung des Heiligen und den Schritt zur persön-
iciien Entscheidung. Diesen Schritt muß sie machen; sie
Kann an ihm nicht vorbei". Der Verf. stimmt dem zu und
lanrt selber fort (S. 27): „Die Aufgabe der Entgegenständ-
j cnung des Heiligen liegt in der Verwirklichung des Christinen
. Ihr allein dient das kanonische Recht. Wo dieses aber
stel .per,sonalen und wahrhaftigen Verwirklichung im Wege
ai f j- ist in pneumatischer Umwandlung der Rückgang
sei M vorrcchtliche Gestalt gefordert . . . Diese Selbstbe-
leidung wäre der erste und notwendigste Beitrag der kanonisch
verfaßten Kirche zur Una Sancta, dem tiefsten Anlegen
aller Christen".

Mainz Adalbert Erler

Wolf, Erik, Prof. Dr.: Rechtsgedanke und biblische Weisung. Drei Vorträge
. Tübingen: Furche-Verlag(1948]. 94 S. 8 = Forschungen der Evang.
Akademie, hrsg. im Auftrage der Stildiengemeinschaft d. Evang.Akademie
v- Prof. D. Dr. Helmut Thielicke. Bd. 5. Kart. DM 2.80.

Der Verf., Reclitsphilosoph und Mitschöpfer der Ver-
assung der Evangelischen Kirche in Deutschland, legt in
Qiesem Band drei Vorträge seines Forschungsgebietes vor:
v om Wesen der Gerechtigkeit / Biblische Weisung als Richter
t"Ur ?eS Rechts / Bekennendes Kirchenrecht. Die beiden
sten Vorträge wurden im Oktober 1946 auf einer Juristen-
clritl"^ der Evangelischen Akademie in Bad Boll gehalten, der
itte mi September 1947 auf einer Freizeit der evangelischen
ötucientengemeinden Freiburg, Mainz und Tübingen. „Der
gemeinsame Grundgedanke dieser Studien ist die über-
a]]'?unR. daß eine evangelisch-christliche Rechtsbcgründung
kin A°n der Weisung des Wortes Gottes her geschehen
ann, d,e uns im Hören auf die Heilige Schrift und im tätigen
den?11!;11 gehenkt wird." Die außerordentlich tiefschürfende
yedankengange Erik Wolfs sind gut geeignet, auch dem
wicht- gen <len fur ilm sc,m'er zugänglichen und dennoch so
uitigen Bereich des evangelisch-christlichen Rechtsdenkens
autzuschließen.

Mainz Adalbert Erler

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Frha"k> Pnil'PP, Prof. Dr.: Modern Science and its Philosophy. Cambridge
: Harvard University Press 1949. 324 S. Oeb. 14.50.

rhMnThf°rie Un<1 Praxis sollen Hand in Hand gehen zum glei-
„ " gekrönten Ziel, und Philipp Frank ist von der beklagens-
y-ru-n 1 uerfülltheit dieser idealen Forderung SO erfal.it, daß
-in W erk schreibt, um die Schäden zu reparieren, die durch

Vernachlässigung jener Arbeitsgemeinschaft entstanden sind
und immer ärger werden infolge eines zu ungenauen Verständnisses
der wissenschaftlichen Ergebnisse, solange sie nicht auf
den philosophischen Nenner gebracht sind. Verf. will auf die
moderne Physik das Wort vom neuen Wein in neuen Schläuchen
anwenden. Die Physik des nicht-euklidischen Raumes,
der Atomzersplitterung, der Relativität und Unbestimmtheits-
relation braucht eine eigene Erkenntnistheorie, oder ihre Ergebnisse
leiden unter jenen Mißverständnissen, welche durch
veraltete Erkenntnislehre veranlaßt werden. Diese Erkenntnistheorie
stand und steht bisher zu ihren Produkten, den
„ehernen ewigen Gesetzen", die sie seit Renaissance und Newton
aus dem System der klassischen Physik selbst geformt
hat. Nun sich angesichts neuester Physik die Unerschütterlieh-
keit jener Gesetze nicht bewährt hat, entsteht in immer deutlicheren
Forderungen das Verlangen nach einer Erkenntnis-
und Denklehre, welche imstande sind, unser Weltbild, unser
Naturbild auf einen klar faßbaren Ausdruck zu bringen.

Die neue Philosophie, mittels deren Ph. Frank die Natur
verstanden wissen will, ist diejenige des sog. Wiener Kreises
der sich um den 1936 vor seinem Hörsaal in der Wiener Universität
von einem Studenten erschossenen Moritz Schlick
seit 1929 gebildet hat (R. Carnap, Hans Hahn, A. Bluinberg,
Neurath, Feigl, Reichenbach). Das Wesentliche dieser Philosophie
darf man in der radikalen Ausmerzung aller Metaphysik
erblicken. Ein erhöhter Einfluß des idealistischen
Denkens auf das Verstehen der Naturprozesse ist die äußere
Ursache dieses Buches, dessen 16 Kapitel mit einer Ausnahme
zuvor in deutschen, französischen und amerikanischen Zeitschriften
erschienen sind. Wenn dieser Einfluß so weit geht,
daß selbst das Universum als Ganzes rein idealistisch gedeutet
wird, wie z. B. durch Jeans und annähernd auch durch Edding-
ton, so wird solche Weltinterpretation zum wiederholten Anlaß
einer scharfen Kritik.

In den ersten Kapiteln zeigt Verf. das Fehlgreifende des
Idealismus an dem Gegensatze heutiger zur Galileischen und
Newtonschen Physik und schließt sich mit Vorliebe an Marlis
Empiriokritizismus an. Er setzt sich sodann ausführlicher auseinander
mit Fehlanwendungen des Komplementaritätsprinzips
, durch welches Bohr 1936 der Heisenbergschen Unbe-
stimmtheitsrelation eine konkretere Form zu geben versuchte.
Es ist nun einmal ausgeschlossen, daß, wenn der auf eine Korpuskel
ausgeübte Impuls und die Wellenlänge (Frequenz)
scharf bestimmt sind, auch der Ort, wo sich der Impuls befindet
, scharf bestimmt werde. Frank erklärt Raum, Zeit und
Kausalität, die man so unklar verwendet, als „eine Art Trini-
tät, die in der idealistischen Philosophie eine etwas mysteriöse
Rolle spielt".

Zwei Kapitel beschäftigen sieh mit der Physik und Naturphilosophie
in Rußland vornehmlich unter der Marke von
Idealismus und Materialismus mit nachdrücklichem Hinweis
darauf, daß Lenin Machs Philosophie abgelehnt habe, indem
er den Empiriokritizismus mit Berkeleys subjektivem Idealismus
fast identifizierte. Auch der heutige dialektische Materialismus
Rußlands — in dortiger Universitätssprache „Dia-
mat" genannt — lehnt die mechanistische Theorie ab, weil die
„Wahrheit" grundsätzlich an und in dem wirklichen Leben
erprobt werden muß. Dies Prinzip habe nun zur Folge, daß
sich die wissenschaftliche Untersuchung nicht auf die physisch
-materiellen Vorgänge beschränkt, sondern — wie sich
namentlich in der „Diamaf'-Soziologie erkennen läßt — eigene
Gesetze für die Erkenntnis der menschlichen Gesellschaft entdecken
will. Verf. merkt einen Riß zwischen dieser sozusagen
offiziellen russischen Philosophie und der ihrerseits rüstig voranschreitenden
schöpferischen Arbeit in Chemie und Physik
und sieht die Philosophie dort auf dem Wege zur Isolierung,
„ähnlich der europäischen Sehulphilosophie, die der Wissenschaft
die Direktiven zu geben beansprucht, damit jedoch
nur um so mehr der Wissenschaft entfremdet wird und daher
erschlafft".

Die drei letzten Kapitel befassen sich intensiv mit der
Notwendigkeit eines festen Platzes für die Philosophie im
physikalischen Unterrichtsbetriebe.

Chicago Karl Beth

PhÜOSOphen-Lexlkon. Handworterbuch der Philosophie nach Personen.
Unter Mitwirkung von Gertrud Jung verfaßt U. hrsg. von Werner Ziegenfuß
. 2 Bde. t. Bd. A—K. Berlin: de Oruyter 1949. VII, 700 S. gr. 8°.
Lw. DM 30.—.

Das Erscheinen dieses Handwörterbuches kann nur mit
größter Freude und Dankbarkeit begrüßt werden. Es füllt eine
empfindliche Lücke aus, da die Geschichten der Philosophie
zur Zeit besonders für Studierende unerreichbar sind. Wie der