Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1950 Nr. 6

Spalte:

341-344

Autor/Hrsg.:

Rost, Leonhard

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1950

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

341

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 6

342

Die Verfasser treten dankenswerterweise mit in die Reihe
derer, die den Unfug, Liturgie und Predigt zu unterscheiden,
verpönen; sie schlagen vor: Eingangsteil — Wortteil — Ge-
betsteil. (Genügt aber nicht: Gebetsteil — Verkündigung?)
Was sie sonst an der preußischen Ordnung kritisieren, entspricht
der Position der Verfasser, kann aber keine Allgeniein-
gültigkeit beanspruchen. Warum z. B. soll man keine Respon-
f?rien. mehr singen (bloß Choralstrophen) ? Ist der Choral
liturgiegeschichtlich wertvoller als das Responsorium ? Oder
dogmatisch statthafter ? Daß die Salutatio wegfallen soll —
sie hat längst einen „Bedeutungswandel" durchgemacht und
ist zum überall passenden Responsorium geworden. „Und mit
deinem Geiste" bedeutet gewiß: „Und mit dir", also: „Mit
dir sei der Herr" —, aber warum sollen wir diese Erklärung
singen und nicht den alten Text ? (Im Schwedischen geht

die Sache anders, weilin„Meddig vareock Herren"der Zweisilber
am Schluß zum Gesang so nötig ist — wie bei uns Pr. „Geiste".)
Die Polemik gegen die zwei Zentren des Gottesdienstes (Wort
und Mahl) ist verständlich, wegen der „Verständlichkeit" —
aber gerade „die Mißgeburt mit den zwei Zentren" hat „eine
feine Ankunft". Uberall, wo die Verfasser nicht kritisch angehen
, haben sie einen vortrefflichen Kursus, liturgiewissen-
schaftlich wohl vertretbar; bloß auf den mißglückten „Entwurf
" von 1930 sollten sie sich nicht beziehen. Jedenfalls:
Köllu-Altmann stehen liturgiewissenschaftlich für ihre Sache
ein, mit ihnen kann man reden.

Die evangelische LW ist da, also tue man nicht, als ob sie
nicht da wäre. Die Theologie braucht sie so nötig wie in der
Bibel die Exegese des Literalsinns. Sollten etwa die Verächter
des Literalsinnes auch die Verächter der LW sein ?

Der gegenwärtige Siand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

11. Die Sektenrolle

Von Leonhard Rost, Berlin

Unter den Handschriften, die in der Höhle bei Hirbet

yumrun1 gefunden wurden, steht nach John C. Trever'2 hinsichtlich
ihres Umfangs an zweiter Stelle die Sektenrolle. Fünf
aneinandergenähte Stücke Pergaments von insgesamt 1,86 m
Lange und etwa 24 cm Höhe sind mit elf in ihrer Breite sehr
Wfi v Yontulaiider abweichenden Spalten von durchschnittlich
2o Zeilen in einer sehr gleichmäßigen Handschrift beschrieben.
« urmfraß hat die Roll e am oberen und unteren Rand beschädigt
, aber abgesehen von Spalte 1, wo auch am oberen Rand
. ext verloren gegangen ist, nur am unteren Rande Textverluste
herbeigeführt. Die Rolle zeigt wenig Benutzungsspuren
im Altertum, vor allem keine alten Flickstellen. Offensichtlich
ist sie wenig gebraucht oder bald nach ihrer Herstellung vergraben
worden. Im ersten Fall ließe die geringe Benutzung
darauf schließen, daß das Buch wenig gelesen worden ist. Da-
ftoü ,nn*e ^er Grund einmal darin liegen, daß es nur für einen
echt kleinen Kreis von Lesern, ja vielleicht nur für einen einzigen
Benutzer bestimmt war, oder zum andern, daß die Gelegenheiten
des Gebrauchs sehr selten waren.

>>un sind freilich m. W. erst zwei Abschnitte des Textes
üurch Abbildungen veröffentlicht worden, nämlich die erste sehr
y .male Kolumne von 32—42 Buchstaben in der Zeile mit den
^enenanfängen der zweiten3 und die ersten zehn Zeilen der
resentlich breiteren fünften Kolumne mit ungefähr 70 Zeichen
in der Reihe«. Das dürfte im ganzen ein Neuntel des Textes
sein, wobei allerdings zu bedenken ist, daß die Zeilenanfänge
lei zweiten Kolumne nur einzelne Wörter und Phrasen, aber
einen Sinnzusammenhang ergeben, so daß ihm wenig Wesent-
lclies entnommen werden kann. Aber es stellt sich heraus,
aß in Kol. 1 und Kol. 5 das gleiche genusdicendi vorliegt, und
auch die Zeilenanfänge der zweiten Kolumne widersprechen
dieser Auffassung nicht. Es ist ein ruhig referierender Text, der
™ 3- Person sachliche Feststellungen trifft, die am ersten als eine
■Dienstanweisung aufgefaßt werden müssen5. Insofern berührt
sieh der Text gattungsmäßig mit dem „des Buches der Kriege
der Söhne des Lichts mit den Söhnen der Finsternis", zu
denen auch eine inhaltliche Parallele kommt, auf die später
einzugehen ist. Aber bei näherem Zusehen zeigen sich doch
unterschiede. In der Rolle „der Kriege der Söhne des Lichts
mit den Söhnen der Finsternis" haben wir es mit einem ausgearbeiteten
Ritual zu tun, das für den Fall eines Krieges
mit » letzten Einzelheiten hinein feste Anordnungen
id Formulierungen bieten soll, hier dagegen mit einer
j *enstanweisung, die zwar den allgemeinen Gang der Hand-
'/ Jre£elt. aber die Formulierung dem oder richtiger den
^eiebrierenden überläßt. Daher sind auch wesentliche Teile
r -Anweisungen in Infinitiven wiedergegeben, die von Jus-
,.Ven abhängig sind. Am klarsten ist diese Dienstanweisung,
1 - ru n gierenden Freiheit in der genauen Formulierung überlaut
, in der ersten Kolumne in Zeile i8ff. erfaßbar: „Und bei
nreni übertritt in den Bund sollen die Priester uud Leviten
en Gott der Hilfe (mPTCji biO 1111(1 alle Werke seiner
reue rühmen, und alle in den Bund übergetretenen sollen
ach ihnen sagen: „Amen, Amen!" Und die Priester preisen
abei die Heilserweisungen Gottes in seinen Heldentaten
q entsprechend dem, was man von ihm hört, alle Gnaden-

') O. Eißfeldt in ThLZ 74 (1949), Sp. 597. *) BASOR III, S. 9.
*) BASOR HI, S. 10. vgl. Sukenik mrm nibw II, Abb. V.

) BASOR 113, Abb. B. vgl. Sukenik II, Abb. VI.

) Miliar Burrows benennt die Rolle jetzt in einem Brief vom 13. 4. 1950
*' ,,e Sectarian Manual of Discipline".

erweisungen des Erbarmens über Israel. Die Leviten aber
erzählen die Verkehrtheiten der Israeliten und alle Sünden
ihrer kultischen Schuld und ihre Verfehlungen unter der Herrschaft
Beliaals. Die in den Bund übergetretenen aber sollen
als letzte folgendes Bekenntnis ablegen: wir haben verkehrt
gehandelt . . . wir haben gesündigt ..." Nicht anders heißt es
Kol. 5 Zeile 7ff.: „Jeder, der eintritt in den Rat der Ehrang,
der soll eintreten vor den Augen aller Willigen und soll selbst
auftreten, indem er mit einem Eid erklärt ..."

Geht schon aus diesen Zitaten hervor, daß hier Dienstanweisungen
eines Kreises vorliegen, der als wesentliches
Merkmal eine Bundesverpflichtung auf das ganze Gesetz des
Mose eingegangen ist, so kann weiter gesagt werden, daß der
Eingang dieses Handbuchs Anweisungen zur feierlichen Rezeption
von neuen Mitgliedern erteilt/1

Es ist anscheinend nicht so, daß man in diesen Bund als
Kind von Mitgliedern des Bundes hineinwächst, erst recht
nicht so, daß man schon kraft seiner Zugehörigkeit zu Abrahams
Samen und kraft der zur rechten Zeit am achten Tage
vollzogenen Beschneidung zu diesem Bund zugehört. Es bedarf
eines Entschlusses, der angesichts der ganzen als Zeugen versammelten
Mitglieder des Bundes durch einen feierlichen Eid
bekräftigt wird, wobei dieser Eid durch ein Ritual, an dem alle
Anwesenden beteiligt sind, zentrales Teilstück einer großen
Kultfeier wird, die die Bedeutung des Augenblicks unterstreichen
soll. Der Anfang der Rolle ist leider nicht unversehrt erhalten
, aber das *) wird doch wohl zu ergänzen sein: 1^3
XVHan ..Allen, die in den Bund eintreten" und die Voraussetzungen
für den Eintritt in den Bund stipuliert haben, von
denen der Schluß der ersten Zeile noch sagt: „Gott zu
suchen". Und dann fallen von der Mitte der zweiten Zeile
Formeln deuteronomischer und deuteronomistischer Herkunft,
wie sie in dem verallgemeinernden Stil einer Predigt als Anrede
und Forderung auch etwa in der Damaskusschrift auftreten
. Aus diesen Formeln hebe ich nur zwei heraus: einmal,,zu
lieben alle Söhne des Lichts, einen jeden in seinem Los nach
dem Ratschluß Gottes, und zu hassen alle Söhne der Finsternis,
einen jeden nach seiner Verschuldung nach der Rache Gottes".
Hier könnte man eine Anspielung auf die Rolle der „Kriege
der Söhne des Lichts mit den Söhnen der Finsternis" sehen und
Zusammenhänge finden. Aber man wird abwarten müssen,
bis einerseits die amerikanischen Gelehrten die Photos der
Sektenrolle veröffentlicht haben, und bis andererseits die Gelehrten
der hebräischen Universität zu Jerusalem nicht nur
die in Aussicht gestellte Ubersetzung ihrer Texte, sondern
auch die viel wichtigere und wünschenswerte Veröffentlichung
der Texte selbst, die erst später als abschließende Ausgabe erscheinen
soll, dargeboten haben.

Die zweite Formel ist m. E. noch wichtiger: verstümmelt
begegnet sie schon in der ersten Zeile, wo wohl inTt "|t"lD)
zu lesen ist; dann wahrscheinlich in Zeile 7t, „zu tun die
Satzungen Gottes im Bunde der Gnade, sich zu einen (-rmnb)
im Ratschlage Gottes", weiter 1, 12 „er war ihnen gnädig

') Der gütigen Hilfsbereitschaft Miliar Burrows verdanke ich in einem
Brief vom 17. 5. 50 folgende Angabe des Inhalts des „Sektenhandbuchs":
') I, 1—III, 12 Die Zeremonien bei der Aufnahme in den Bund;2) III, 13 —
IV, 26 Die Doppelnatur des Menschen; a) V, 1— VI, 23 Die Ordnung der Gemeinschaft
; ') VI, 24—X, 8 Die Regeln der Gemeinschaft; s) X, 9—XI Ein
Lobpsalm. Darnach gehört der Anfang der Spalte 5 nicht mehr zur Eintrittsfeier
, sondern zur Ordnung der Gemeinschaft.