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Ausgabe:

1950

Spalte:

211-214

Autor/Hrsg.:

Galling, Kurt

Titel/Untertitel:

Alttestamentliche Sektion 1950

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 4/5

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dya&d (10, 1; vgl. 9,nv. 1.: Christus als der ägxieQevg rwv peX-
övrmv äya&wv). Die Terminologie ist allerdings konfus, wenn
nach 8, 5 die irdischen Priester den Kult vollziehen: vitodei-y/iau
xai axiä rwv enovgavicov, weil tijtööeiyua nach hellenistischer Terminologie
das himmlische Urbild bezeichnet. Konfus auch
10, 1, wenn das Irdische als mit axid behaftet der dxwv rwv
TtQayfiärmv gegenübergestellt wird, da nach dualistischer Terminologie
das Irdische als die elxwv des himmlischen rvnog
gilt.

So hat Goppelt wohl recht, wenn er sagt, daß Hbr. nicht
die ,,vertikale"Typologie Philons vertritt, nicht aber, wenn
er leugnet, daß sich in Hbr. die „vertikale" und die „horizontale
" Typologie kreuzen1. Sichtbar wird das schließlich 12,
22f, wo der himmlische Berg Zion und das himmlische Jerusalem
dem irdischen Sinai gegenübergestellt werden, — in gewisser
Weise eine antithetische Typologie, und doch wiederum
nicht, weil das himmlische Jerusalem nicht als endgeschichtliches
, jetzt auf Erden erschienenes Phänomen, sondern als
himmlische Größe gedacht ist2.

Hat die typologische Deutung des Alten Testaments einmal
Platz gegriffen und neben oder in Verbindung mit dem
Weissagungsbeweis apologetische Bedeutung gewonnen, so
sind nun Tür und Tor für die Kunststücke typologischer Exegese
geöffnet, wie ein kurzer Blick auf den Barnabasbrief
noch zeigen mag. Aus der Abrahamsgeschichte ist die Opferung
Isaaks der typologischen Deutung unterworfen, indem sie als
rvnog der Opferung Christi gedeutet wird (7, 3)3, eine auch bei
den Apologeten und sonst später wiederkehrende Deutung.
Aus der Patriarchengeschichte wird weiter Jakob zitiert,
dessen beim Segnen seiner Enkel gekreuzten Hände das Verhältnis
der jüdischen und der christlichen Gemeinde abbilden
(13,5). Doch ist hier die Typologie durch die Allegorese verdrängt
, wie auch die Deutung der ausgebreiteten Hände des
Mose auf das Kreuz Christi (12, 2) Allegorese ist, während die
eherne Schlange wie Joh. 3, i4f. typologisch als Vorabbildung
des Kreuzes verstanden wird (12, 51.). Unklar ist, ob Josua als
Typos Jesu dienen soll (12, 10). Mehrfach werden Kultusvor-

') Goppelt S. 200ff.

2) Singulär ist derTerminus naQaßo).rj für die typologische Bedeutung
des alttestamentlichen Kultus im Verhältnis zum xaiQog ivearwg Hbr. 9,9
(auch 11,19?) gebraucht; zu erklären aus der Vermischung von Typologie und
Allegorese. Im Sinne der letzteren heißt die Verheißung Ex. 33,1 bei Barn. 6,10
eine Ttaoaßoh) (ein Rätsel), die auf Jesus zu deuten ist. So auch Barn. 17, 2:
alle ivearwra und ßeXÄovra sind ev nagaßobaig (in Rätseln) beschlossen.

3) H. J. Schoeps, der diese Deutung auf rabbinische Reflexionen über
die Opferung Isaaks zurückführt, möchte sie schon bei Paulus finden (Journ.
of Bibl. Lit. LXV, IV (1946), 385—392).

Schriften als Vorabbildungen christlichen Heilsgeschens gedeutet
(7, 3. 7. iof.; 8, 1). Klar ist die typologische Idee bei
Barnabas, trotz seines löov, noiw rä sayara wg rä TtQwra nicht
durchgeführt; Typologie und Allegorese mischen sich1.

Nicht jede Parallelisierung von Personen und Vorgängen
der eschatologischen (bzw. christlichen) Gegenwart mit solchen
des Alten Testaments ist Typologie2. Daß Gestalten der Geschichte
Israels der gegenwärtigen Gemeinde als mahnende
oder warnende Vorbilder vor Augen gestellt werden, wie der
geduldige Hiob (Jak. 5, 11), der betende Elia (Jak. 5, 17), oder
Frevler wie Kain, Esau und die Rotte Kora (Jud. 11; 2. Pt.
2, 15; Hbr. 12, 16; apk. 2, 14. 20) ist noch keine Typologie,
sondern alte Methode der Paränese, die stets mit dem Verweis
auf Beispiele der Vergangenheit arbeitet. Dazu gehören die
Aufzählungen z.B. 4. Makk. 16, 2of.; 18,10—19; I. Klein.
4—12 und die „Wolke der Zeugen" Hbr. 11. Ebenso hat der
Verweis auf die Strafgerichte, die über Frevler der Vergangenheit
ergangen sind (Jud. 5ff.; 2. Pt. 2, 4ff.— vgl. Sir.16,6—10;
Sap. 10, 1—20; 3. Makk. 2, 4—8) nichts mit Typologie zu tun.
Ebensowenig ist es aber auch Typologie, wenn da auf Parallelen
der Vergangenheit verwiesen wird, wo es sich nicht um
Mahnung zu rechtem Verhalten oder Warnung vor böser Tat
handelt, sondern um das Verstehen bösen Schicksals. Daß
Jesu Geschick, vom eigenen Volke verworfen zu werden, dem
Schicksal der alten Propheten vergleichbar ist, ist keine Typologie3
. Schon das TtfojQwoare rö fiergov rwv nariqwv vfiGtv Mt.
23, 32 zeigt, daß Jesu Schicksal in Kontinuität mit der Prophetengeschichte
gesehen ist und nicht als ihre endzeitliche
Wiederholung. Das gleiche beweist Mt. 23, 34—36: die Tötung
Jesu ist der letzte Frevel des prophetenmordenden Volkes;
jetzt ist das Maß voll, und das Gericht bricht herein.

') Die weitere Geschichte derTypologie in der alten Kirche zu verfolgen,
vor allem in der altchristlichen Kunst, wäre ein reizvolles Thema. Hinweisen
möchte ich hier noch auf H. J. Schoeps, „Restitutio prineipii" as the basis
for the „Nova lex" Jesu, Journ. of Bibl. Lit. LXVI, IV (1947), 453—464.
Ganz besonders aber auf Erich Auerbach, Figura (Neue Dantestudien,
Europa-Verlag Zürich u. New York 1944). Auerbach untersucht den Sprachgebrauch
des Begriffs figura, der dem griechischen rvnog entspricht, In der
lateinischen und altkirchlichen lateinischen Literatur, um dann über die Entstehung
der Figuraldeutung und ihre Geschichte bis zu Dante zu handeln.
Die eigentümliche Verschlingung der echt typologischen Deutung mit der spiri-
tualisierenden Allegorese, die schon in Hbr. wahrzunehmen ist, begegnet auch
in dieser Geschichte. Auch in Auerbachs großem Werk „Mimesis" (Bern,
Francke 1946) spielt die Geschichte der Figuraldeutung eine wichtige Rolle.

-) Goppelt geht viel zu weit im Auftreiben von Typologien im Neuen
Testament.

3) Goppelt S.92f.

ALTTESTAMENTLICHE SEKTION

(Bericht von Kurt Galling, Mainz)

Zur alttestamentlichen Sektion des Marburger Theologentages
gehörten zwanzig „geborene Mitglieder", die derzeit an
den Universitäten und den kirchlichen Hochschulen tätig
sind. Als Gäste waren zahlreiche Neutestamentier beim Vortrag
von Herrn Rost anwesend. Wenn ich unter den Fachgenossen
die Herren AI t, Eißfeldt, Rost und Zimmerli besonders
nenne, so einzig aus dem Grunde, weil es allen Beteiligten
eine besondere Freude war, gerade mit diesen „lang vermißten
Brüdern" das wissenschaftliche Gespräch zu pflegen!

Von den Referaten werden in der ThLZ abgedruckt: das
von Herrn Alt über das Großreich Davids, das von Herrn
Hertzberg über die prophetische Kritik am Kult, sowie das
von Herrn Rost1 über das neue Sektenbuch. Dergestalt kann
sich der Bericht auf die sieben restlichen Referate beschränken.
Herr Balla sprach über „Kurzverse". An Hand ausgewählter
Beispiele legte er dar, daß es im AT neben den von ihm als
„Langversen" bezeichneten metrischen Bildungen (3+3,
2 + 2 + 2 usw.) Kurzverse aus Reihen zu zwei oder drei Betonungen
(seltener vier) gegeben habe (ohne parallelismus
membrorum), und daß bei längeren Texten solcher Kurzverse
immer gleichlange Strophen von meist fünf bzw. sieben Zeilen
auftreten (wobei das metrische Gefüge der einzelnen Strophen
untereinander variiert). Es steht zu hoffen, daß das Material
einmal gedruckt vorgelegt wird, weil m. E. erst dann über
diesen neuen Typus innerhalb der hebräischen Metrik ein Urteil
gefällt werden kann.

Herr Eißfeldt führte an Hand ausgewählter Lichtbilder
den Palast und das Archiv von Ugarit vor und sprach dann

') Folgt in Kürze unter der Rubrik : „Der gegenwärtige Stand der
Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften".

über die mit dem Gottesnamen 13155 gegebenen Probleme.
Der in Ugarit streng durchgeführte Parallelismus bei den Bezeichnungen
ein- und desselben Gottes lasse darauf schließen,
daß auch im AT 13155 im Kontrastparallelismus zu nU"P gebraucht
wurde und demnach alt sei. Beispiel: Am. 5, 16:
Darum so spricht rTlST» der Gott Zebaoth 13155, wobei das
13-755 nicht nach der LXX zu streichen sei. Die vielver-
handelte Frage, ob 13155 als „Herr" oder „mein Herr" zu
verstehen sei (vgl. Bauer-Leander, Hist. Grammatik, 1922,
§ 2 h), erfährt eine Erhellung, durch Ugarit-Texte, in denen
das fälschlich dualisch gedeutete ny (z. B. in V AB E, 39ff.)
als Verstärkung auftritt. Demnach bezeichne 13155 den
Herrn schlechthin. Die von Baudissin aufgeworfene Frage,
°h "OTÜ die Ubersetzung von xvqios sei, oder umgekehrt
(sc. in denjenigen Fällen, in denen 13155 nicht alt ist), muß,
bis auf weiteres offen bleiben.

Herr Fohrer sprach über Ezechiel. Die Veröffentlichung
der (Ilabilitations-) Schrift darf erwartet werden. Er führte
etwa Folgendes aus: Das Buch Ezechiel, das sich früher durch
seine Problemlosigkeit hervorhob, gehört heute zu den umstrittensten
Büchern des Alten Testaments. Von den zahlreichen
Problemen sind die der Zeit und des Ortes der Wirksamkeit
Ezechiels entscheidend. Gegenüber der Verlegung der
Zeit seiner Tätigkeit durch Smith, Torrey und Messel sind die
zeitlichen Angaben des Buches richtig, nach denen Ezechiel
598 nach Babylonien deportiert und 593 berufen worden sein
soll. Gegenüber der Verlegung des Orts der Wirksamkeit
Ezechiels nach Palästina, wie sie seit Hemtrich häufig behauptet
worden ist, und der Aufteilung seiner Wirksamkeit
auf Palästina und Babylonien ergebe sich, daß Ezechiel seit
598 unter den judäisehen Deportierten in Babylonien gelebt