Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1949 Nr. 3

Spalte:

158-159

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Müller, Albert A.

Titel/Untertitel:

Weg zum Lebenserfolg 1949

Rezensent:

Jannasch, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

157

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 3

15S

die Sonne stillsteht, so will das nicht ,,bibelbuchstäblich" verstanden sein.
Iis ist dichterische Einkleidung, die erst dann „unwahr" wird, wenn man sie
pressen will. Und S. 203: Nicht jede „Wahrheit" einer Geschichte ist zugleich
eine geschichtliche Wahrheit Im Sinne des Historikers. S. 205: Es verträgt
sich mit der Inspiration, daß namhafte katholische Exegeten annehmen, die
Bergpredigt sei in der Form, wie wir sie bei Mt lesen, eine Komposition des
Evangelisten. S. 112: Wenn Paulus schon von Christus sagt: „Den Juden
ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit", weshalb sollte nicht auch die
Bibel in unscheinbarem Gewand auftreten? Bescheide Dich damit, daß sie
so ist, und daß sie trotzdem oder gerade deshalb unter allen Büchern das einzigartige
und einmalige ist, das Wort Gottes. Endlich S. 183: Trotz recht vieler
toten Strecken fürchte Dich nicht, Dich zu langweilen.

Bei all dieser Empfehlung der Exegese ist aber Schiel,
wie gesagt, ganz der Praxis aus der Bibel zugewandt — aber
diese Praxis pietatis ruht auf dem Worte und darum auf
Kxegese. Schiel bezieht sich ernstlich auf Johann Michael
Sailer und dessen Ratschläge „Von dem praktischen Schriftforschen
" (Vorlesungen aus der Pastoraltheologie I, 1788),
die in der Tat unvergänglichen Wert haben. Schiel geht aber
darin über Sailer hinaus, daß Schiel für Menschen von
heute, für Christen inmitten der inhaltsschweren Bibelerforschung
und für Neubeginner am Ende des Gestrigen
schreibt.

Das Buch ist nicht systematisch eingeteilt, geht auch nicht
in der Weise unserer ,,Einleituugswissenschaft" vor, sondern
verfährt absichtlich eklektisch, aus pädogogischen Gründen,
bringt aber auf diese Weise schließlich doch das Ganze. Mit
dem Hohenlied beginnt es, mit der Bergpredigt schließt es.
Man erkennt den Grundsatz: Vom Leichteren zum Schwereren
, das Schwere wieder inmitten von Leichterem, von der
Literaturbegeisteruug zum Hören des Wortes Gottes, von der
Exegese zur Praxis, und von der Praxis wieder zurück zur Befragung
der Exegese. Dabei enthält das Buch auch in der
Form von Literaturbriefen an die der Literatur ergebene
junge Frau Renate nichts Gemachtes oder Gekünsteltes, vielmehr
lauter echtes Gespräch, Zwiegespräch, das einmal (Brief
au Maria Magdalena) geradezu die prophetische Verzweiflung
wiederholt. So bewältigt der Verf. die Probleme ohne Verkrampfung
ins Hochgelehrte oder ins Plattpopuläre.

Natürlich bietet dem Verf. sein Zuhause in der katholischen Kirche eine
a|lcn Schwierigkeiten übergeordnete Ruhe und Sicherung; die „Widersprüche
ll"d Schwierigkeiten", die „Anstöße und Ärgernisse" können ihm nicht ans
Leben. Die Linie: Die Kirche garantiert dafür, daß wir in der Bibel Gottes
Wort hören — diese Linie läßt den Verf. Autorenfragen und kritische Gänge
viel leichter ertragen, als das auf unserer Seite der Fall sein kann. Ubi Ecclesia,
ibi purum evangelium, das ist katholisch, während es reformatorisch nur
beißen kann: Ubi purum evangelium, ibi Ecclesia — und das hat harte Konseiuenzen
. Z. B. kann uns die Ecclesia nicht von der Not der Kritik und der
"terarisch-geisteswissenschaftllcheii Exegese auf Leben und Tod dispensieren,
sondern sie muß uns darin bestärken und kann uns nur trösten. Schiel zeigt
Verständnis dafür und sieht den Nutzen, den die katholische Bibelbenützung
daraus ziehen kann. Er findet gute Worte für die Lutherbibel, die übrigen
Übersetzungen auf evangelischer Seite, die erneuerte Exegese. Daß er sich
Rm.3, 28 an dem „allein" stößt, Lc. 1,28 an der Übersetzung „Holdselige",
ist philologisch begründbar. Immerhin trifft das „allein" Rm. 3, 28 den Sinn
des Paulus, und in Lc. 1, 28 wird ja das Wort „Holdselige" durch das folgende
Sätzlein zurechtgerückt (vgl. Luthers „Auslegung des Magnificat" und Wilhelm
Stählins „Freu dich, Begnadete", von 1948). Es ist das vielbehandelte
Problem, wie weit der Übersetzer zugleich erklären darf (darüber ausführlich
W. Michaelis, Übersetzungen, Konkordanzen und konkordante Übersetzungen
des Neuen Testaments, Basel 1947) — und wieweit Bibelstellen, die im Bekenntniskampf
der Väter ihre Rolle spielten, geschützt bleiben dürfen: in
beldem sind die katholischen Übersetzer und Ausleger ebenso exponiert wie
die evangelischen, bloß je an anderen Punkten. Eine Generalbereinigung ver-
la"gt Zusammenarbeit beider Kirchen und ihrer Übersetzer und Exegeten.

Wertingen Leonhard Fendt

Asmussen, Hans: Das Gebet der Diener am göttlichen Wort, vom Gebetsdienst
der Träger des Amtes. Berlin: Furcheverlag (1941). 78 S. kl. 8*
Bücher des neuen Lebens, 10. Pp. DM 1.40.

Dies schon vor sieben Jahren erschienene Büchlein hätte
«'igentlich damals angezeigt werden müssen. Vielleicht war es
Sein bei aller Kürze doch sehr gewichtiger und gewissens-
JJfcchütternder ('.ehalt, der es verschuldet hat, daß die von der
Redaktion der ThLZ oftmals geforderte Besprechung nicht
geliefert wurde. Aber sie darf nicht unterbleiben, wenn auch
das Büchlein in Einzelheiten selbstverständlich durch die veränderten
Zeitläufte inzwischen veraltet und deshalb wohl auch
"icht mehr verkäuflich ist. Um seines Inhalts willen ist ein
Nachträgliches Referat doch unentbehrlich.

Das eine Grundanliegen des Verf. ist, dem Pfarrergebet
den Weg aus einer unfruchtbaren Allgemeinheit zu einem konkreten
, die Welt mit in den Bereich des geistlichen Lebens hineinziehenden
Gebet zu weisen. ,,Das Gebet verbindet, wenn
es einfältig ist, den ewigen Gott und die zeitlichen Ereignisse
und Gestalten" (S. 12). Diese Richtung auf das Besondere gibt
gleichzeitig dem Gebet, das wirklich mit Erhörung rechnet,
eine eigentümliche Spannung. „Wir sind Leute geworden, die
gar nicht mehr gespannt sind, was der nächste Tag uns wohl
bringen möchte" „Wer aber betet und die kleinen Dinge des
Alltags vor Gott bringt, den spannt Gott so, wie man einen
Bogen spannt. Erwacht er morgens, dann wächst im Gebet
die Spannung, wä!s wohl Gott an diesem Tage Besonderes vorhaben
möchte." (S. 12/3.)

Das andere Grundanliegen geht darauf, gegenüber der
Verwahrlosung unseres Gebetslebens das Beten des Pfarrers
und des Pfarrkreises in eine bestimmte Ordnung zu bringen,
nicht nur nach der Seite bestimmter Gebetszeiten, sondern
auch Gebetsinhalte. Dabei schlägt er für jeden Tag besondere
das Gebet bestimmende AnHegen vor. Am Sonntag den Gottesdienst
und die konkrete Gemeinde. Die Predigt darf nicht nur
aus Textdurchdenkung und Gemeindeberücksichtigung erwachsen
, sondern aus einem Durchsprechen der Gedanken mit
Gott. „Das Gebet scheidet den Schwatz aus." „Abstrakte Gedanken
werden im Gebet vor Gott lächerlich" (S. 20). Am
Montag gedenke man der Jugend, bete man für die Getauften
und ihre Eltern, für die Helfer im Kindergottesdienst (deren
kirchliche Einführung im Gottesdienst A. mit Recht fordert),
und für die Kinder usw. Am Dienstag bete man für die helfenden
Ältesten, die Männer der kirchlichen Verwaltung, die ihr
Amt so gern als „Organe kirchlicher Selbstverwaltung", nicht
aber des Dienstes an der Gemeinde ausüben, für die freiwilligen
Mitarbeiter mit dem Wort und der Tat: „die Gemeinschaft
aller, die in einer Gemeinde am Reich Gottes arbeiten, muß
eine Gemeinschaft des Betens sein" (S. 35). Am Mittwoch soll
die Einzelseelsorge im Mittelpunkt stehen, alle die, die man
besuchen will: „man darf den Stadtplan mit in das Gebet
nehmen" (S. 39). Am Donnerstag die Gegner, gerade im Hinblick
darauf, daß soviel Gegnerschaft gegen Gott und Gottes
Offenbarung aus persönlicher Gegnerschaft gegen uns erwächst
, besonders wichtig, um das Allzumenschliche in unserem
Amt zu überwinden. Am Freitag die kirchliche Umgebung
, d. h. die Nachbargemeinden, der Kirchenkreis, wobei
durch eine solche Gemeinschaft im Gebet die Isolierung der
Gemeinden und der Pfarrer aufgehoben wird. Schließlich am
Samstag bete man für die ganze Kirche, also z. B. für die
Kirchenleitung, die es in weitem Umfang erst lernen muß, daß
sie zu den Pfarrern nicht in einem Vorgesetztenverhältnis
steht, in dem es auf formalen Gehorsam ankommt, sondern
daß „es üi der Kirche ein Vorgesetztenverhältnis gibt, in dem
der Diener über dem Herrn steht" (S. 62).

Ein Schlußkapitel weist noch einmal kräftig auf den Wert
einer festen Ordnung des geistlichen Lebens hin und gibt für
die Pfarrbruderschafts- und Fürbittegebete liturgische Formulare
.

Es geht aus dem Mitgeteilten hervor, daß der Wert des
Büchleins einmal in den praktischen Winken für die Ausweitung
und Konkretisierung des Pfarrergebets liegt, dann aber
in dem Aufweis, welche Bedeutung diese Ausweitung für das
kirchliche, aber auch das persönliche Wirken des Pfarrers hat,
schließlich in den vielen feinen Einzelsätzen, in denen in geschliffener
Form im echten Sinn „geistvoll" gesprochen wird.
Dabei sind auch die mancherlei „Bestätigungen", die aus dem
Mund Vilmars, Löhes, Kl. Harms u. a. beigefügt sind, wertvoll.

Die kritische Anmerkung, daß vielleicht der Verf. doch
zu sehr in feste Formen gießen wolle, was echt nur bleibt,
wenn es innerem Herzensdrang entquillt, möchte ich doch
unterdrücken. Bis jetzt sind wir im Ganzen noch nicht soweit,
daß ein äußerer liturgischer Formalismus schon zur Gefahr geworden
wäre; wir bedürfen vielmehr, um aus dem subjekti-
vistischen Chaos der protestantischen Pfarrertraditiou herauszukommen
, zunächst noch kräftig des „Rufs zur Ordnung".
Es gebührt dem Verf. Dank dafür, daß er ihn so eindringlich,
so tiefbegründet und in dieser umfassenden Weite erklingen
läßt.

Heidelberg R. Hupfeld

Müller, Albert A.: Weg zum Lebenserfolg. Rhythmus des christlichen
Alltags. Luzern: Rex-Verlag 1944. 143 S. 8» - Kultur der Seele, Werk-
briefc zur erfolgreichen Lebensgestaltung. 2. Bd.

Das Buch ist der zweite Band einer katholischen Sammlung
„Kultur der Seele, Werkbriefe zu erfolgreicher Lebensgestaltung
". Für den evangelischen Theologen ist es lehrreich,
weil es einen Einblick in eine bestimmte Art katholischer Seelenführung
gibt, die stark von Ignatius beeinflußt ist. In der
Anlage folgt jeweils einem Werkbrief eine Reihe von Gedanken
für die Meditation, denen sich dann „Fragen zur Selbst-