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Ausgabe:

1949 Nr. 3

Spalte:

154

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Fremgen, Leo

Titel/Untertitel:

Vom gegenwärtigen Menschen 1949

Rezensent:

Blankenheim, Ludwig

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15.1

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 3

154

und Fremdlinge in dieser Welt sind, die auf die Stadt mit
den Grundfesten warten, deren Schöpfer und Baumeister Gott
«st, und die erst am Tage der Auferstehung letzte Wirklichkeit
wird.

Ist das bisher genannte Schrifttum trotz aller Abweichung
»n einzelnen von einem gemeinsamen Willen getragen: die
gegenwärtige Not in Beziehung zu setzen zu der Wahrheit des
christlichen Glaubens und sie von daher irgendwie zu überwinden
, so treten einige Schriften durch eine besondere Zielsetzung
aus dem Zusammenhang heraus. Einige Grundmotive
des abendländischen Geistes deckt Baden auf in seiner
Schrift: „Das Abenteuer der Wahrheit": den Eros Piatos, die
Anthropologie Pascals, die griechische Sehnsucht Winkel-
manns und die Mystik Oetingers. Die im Verhältnis zur Bedeutung
ihres Gegenstandes nur kurzen Skizzen geben doch
ein anschauliches Bild von den starken inneren Spannungen,
die sich im abendländischen Geist auswirken: Plato und
Winkelmann auf der einen Seite, Pascal und Oetinger auf der
anderen. Die Spannungen im menschlichen Geist überhaupt
hebt die an Nietzsche und Klages anschließende Arbeit von
Schoeler hervor über „Die Geistwerdung des Lebens". Sie
will lediglich durch philosophische Besinnung auf das Wesen
des Geistes eitle Antwort geben auf die Frage nach dem Grund
der schrecklichen Ereignisse, die der zweite Weltkrieg mit sich
geführt hat. Zerfall und Willkür herrschen in der Geschichte
als Folge der Freiheit des Geistes, die zugleich göttlich und
satanisch ist. Nur wenn der Geist sich mit den guten Kräften
der Seele verbindet, kann der Mensch auch Gutes wirken in
der Geschichte. Schoeler gibt sich der Hoffnung hin, daß
doch noch eine Zeit kommt, in der der Geist das Gute wirkt,
Obwohl er heute fast ausschließlich das Böse fördert. Es gibt
doch auch heute noch Idealisten! Jeder Mensch, so meint
Sch., müsse das „Maximum an guten Charaktereigenschaften"
zur Ausreifung bringen, müsse wieder die Ideale des Schönen,
Guten und Wahren vermitteln. Es gelte nur, dem Geist die
..rechte Richtung" zu geben, die Werte des Guten, Schönen
und Wahren einzuordnen in den Wertaufbau des Charakters,
die metanoia des Geistes vollziehen, dann müsse die bessere
^eit kommen. Aber wird sie wirklich kommen ? Wird der
Mensch wirklich durch die Kräfte seines Geistes mit dem
Satanischen fertig werden, zu dem der Geist selbst unwiderstehlich
getrieben wird? Reicht die Vernunft allein aus, die
Geschichte sinnvoll zu gestalten ? Die furchtbare Erfahrung
der letzten Zeit sollte diese Fragen endgültig beantwortet
haben. Sch. entläßt den Leser seiner Schrift ohne Antwort.
Mit der allgemeinen Formel des Wahren, Guten und Schönen
'assen sich die Abgründe nicht schließen, welche die Zeit-
Reschehnisse in der Seele des Menschen gerissen haben. —
Sehr wertvoll dagegen ist gerade auch in ihrer Aufgaben-
Beschränkung Hellpachs Analyse des Ethos der Wissenschaft.
In exakter und feinfühlender Untersuchung arbeitet er die
eigentlichen Lebenswerte der wissenschaftlichen Erkenntnis-
Arbeit heraus, um zugleich deren Bedeutung für das öffentliche
Leben zu erhärten. Denkend zu beobachten, an allem
Wirklichen das Wesentliche herauszufinden, die Verpflichtung
nur das Richtige gelten zu lassen, die Ehrfurcht vor der
Tatsache, die Bemühung um Sachlichkeit — diese sittlichen
Werte der WissenschaftÜchkeit und ihrer Erziehung zu Geduld
, Duldsamkeit und Selbstbescheidung sind in der Tat
aUch von größter Bedeutung für die Führung der politischen
Geschäfte. Und nicht zu Unrecht sieht Hellpach in der radikalen
Trennung unseres politischen Lebens von der Wissensehaft
und ihren sittlichen Werten „einen ganz wesentlichen
Schuldanteil an unserem Niedergang". H. schließt seine gehaltvollen
Ausführungen mit dem den Geist Piatos beschwörenden
Satz Rankes: „Die echte Theorie, weit entfernt, den Staatsmann
zu stören, wird ihn vielmehr fördern".

Kiel Werner Schultz

^dam, August, Dr.: Die Tilgend der Freiheit. Nürnberg: Sebaldus-Vcr-
laK U947J. 294 S. 8'.

Wer Freiheit als Tugend bezeichnet, bekundet schon da-
Wt, daß er den Begriff mit sittlichem Inhalt füllt und in
^eitcni Umfang Freiheit fordert. Adam, überzeugter Katholik,
'yniuasialprofessor und Oberrealschuldirektor in Straubing,
.r'U tapfer für politische Freiheit und Erziehung des Volks
Bjp» Gebrauch der Freiheit ein, ebenso aber für Freiheit der
Jvirche vom Staat und für Freiheit in dcrKirche. Nicht im Sinn
'r*?eiid welches Modernismus; als treuer Katholik scheinter z. B.
, biblischen Bericht vom Sündenfall für geschichtlich anzu-
St'lien, schreibt den Hebräerbrief Paulus zu, hält sich bei Jes.9, 3
a" die Vulgata: „Das Volk hast du vermehrt, die Freude nicht
^höht", obwohl doch der masoretische Text, dem sie folgt,
0"enbar verderbt, das Richtige hier aber besonders leicht zu

finden ist. Man versteht schon, wie er dazu kommt, seine katholische
Kirche als Hort der Freiheit hinzustellen. Sie hielt
immer an ihrer Lehre fest, daß der Mensch frei sei, und ist
Tyrannen oft entgegen getreten. Aber davon, wie in christlichen
Kirchen Geister bedrückt, Gewissen geknickt worden
sind, sieht er zu wenig. Andrerseits gibt er vom Liberalismus
ein Zerrbild; der ist ihm wesentlich Libertinismus (S. 73). So
kann er sich keine rechtschaffnen Beweggründe für den Widerstand
gegen die Art denken, wie Pius X. den Modernismus
unterdrückte. Besonders ungerecht urteilt Adam über Kant.
Er sieht in ihm nicht den strengen Propheten sittlichen Ernstes,
sondern den Erzieher zu korrekter Legalität preußischer Offiziere
und Beamten, die keine eigne Meinung haben (158t.).
Lehrreich ist Nichtkatholiken, wie sehr er sich für die Selbständigkeit
des Untergebenen auf Thomas berufen kann, auch
Ignatius von Loyola nicht so, wie man oft meint, Kadavergehorsam
fordert. Besonders lehnt Adam die Ansicht ab, Gehorsam
sei um so verdienstlicher, je blinder er sei und je schwerer
er dem Gehorchenden falle. Das Stück der überlieferten
Moraltheologie, das ihm namentlich hilft, gegenüber der im
Katholizismus allzusehr betonten Unterordnung den Wert
der Selbständigkeit hervorzuheben, ist der Begriff der Epikie
(epieikeia), der Billigkeit, die sich nicht au den Buchstaben
des Gesetzes bindet, sondern jede Vorschrift nur so anwendet,
daß der Gerechtigkeit und der Liebe gedient wird. Die Abschnitte
des Buches sind: Freiheit und Gesetz, Freiheit und
Christentum, Freiheit als Tugend, Freiheit und Sünde, die Erziehung
zur Freiheit. Wie die Grundstimmung des Buchs, ein
fröhliches Christentum, das mehr Freiheit will, der göttlichen
Gnade sich freut, als von Sünde und Gesetz zu reden, sympathisch
ist, so enthält es auch viele gute Einzelbemerkungen:
„Die absolute Totalität des Staates bedeutet die absolute Versklavung
des Volkes" (46).

In necessarüs unitas ist nicht von Augustin (S. 254). S, 20 Abs. Z.4 str.
andere. S. 148 Z. 16 v. u. I. autgezwungene.

Niederbobritzsch H.Mulert

F rem gen, Leo, Lic. Dr.: Vom gegenwärtigen Menschen. Hin Vortrag,

mehrmals gehalten, u. a. am 21. September 1947 in der Friedenskirche zu
Orünstadt (mit Rezension im Südwest-Funk). Kaiserslautern: Senftieben
1948. 25 S. 8'. DM 1.20.

Dem Rätsel Mensch, vor dem wir in den vergangenen
Jahren mit tiefem Entsetzen standen und das uns heute stark
beunruhigt, geht Freingen in seinem in mehreren Städten gehaltenen
und im Südwest-Funk besprochenen Vortrag „Vom
gegenwärtigen Menschen" mit der ihm eigenen analysierenden
und deutenden Art nach. Er will uns eine Schau der gegenwärtigen
Menschentypen geben und versucht „den gegenwärtig
lebenden Menschen bei seinem .nächsten Schritt' zu beobachten
, zugleich einen Appell an den christlichen Menschen
der Gegenwart zu richten". Nach Darlegung der zunächst aussichtslosen
Lage des gegenwärtigen Menschen stößt er auf einzelne
Typen, die er charakterisiert als den „weltverlorenen",
den „weltallverloreuen", den „jenseitsverlorenen", um dann im
Christen den „wirklich-wahren Menschen" erstehen zu lassen.
Der Christ kann nur „wirklich-wahrer Mensch" sein, wenn
er zugleich wirklich-wahrer Mensch ist. Die Forderungen
des Human ums, des Menschseins „müssen auch vom Christen
erfüllt sein". Aber über den humanistischen Menschen wächst
der Christ hinaus, dessen christliche Verantwortung im Gehorsam
, im Hinhören auf Gottes Willen besteht. Im 2. Haupt-
tcil wird nach dem „nächsten Schritt" gefragt, d.h. darnach,
was geschehen soll, und in „Ende oder Frieden ?", „Für oder
wider Christus?", „Kirche oder Unkirche?", „Gethsemane
heute" die Antwort gegeben. Die Schrift zeigt in gedrängter
Kürze die Vielfalt der Probleme, die sich bei der Betrachtung
des gegenwärtigen Menschen aufwerfen, und zwingt den aufmerksamen
Leser zur Auseinandersetzung mit den dargelegten
Gedanken, weiß ihn aber auch zur Erkenntnis seiner selbst
und damit auf den Weg des „wirklich-wahren Menschen" zu
führen.

Grünstadt Ludwig Blankenheim

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Schreiner, Hehnuth, Prof. D. Dr.: Vom Recht der Kirche. Grundsätzliches
und Praktisches zur Neuordnung des evaggelischen Kirchentnms.
Gütersloh: Bertelsmann [1947]. 132 S. kl. 8'. Pp. DM 3.—.

Im Kirchenkampf haben wir empfunden, wie überholt alle
Darstellungen des Kirchenrechts waren, auch die verdienstvolle
Arbeit von G. Holstein über die „Grundlagen des evangelischen
Kirchenrechts". Bisher fehlt eine systematische Darstellung
, die den neuen Erkenntnissen Rechnung trägt . Schrei-