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Ausgabe:

1949 Nr. 3

Spalte:

151-153

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Schrenk, G.

Titel/Untertitel:

Im Wellenschlag der Zeit 1949

Rezensent:

Schultz, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 3

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begriff. — Daß ferner Religionsgeschichte, Religionsphäno-
menologie und Religionspsychologie nur am Rande erscheinen
, sei wenigsten kurz vermerkt, wie denn auch, zumal
in der Gegenwart, das Verhältnis von Theologie und Religionsphilosophie
in stärkerem Maße umstritten ist, als hier zum
Austrag kommt. Aber das soll kerne Beanstandung sein. Denn
die hier verhandelten Fragen über Vernunft und Offenbarung
haben ein perennierendes Interesse, und sie werden in sehr
durchdachter Weise vorgetragen. Und auch bei einem von
dem des Verf.s verschiedenen theologischen Ansatz scheint
mir die allgemeine Bedeutung der, nicht minder in mancherlei
Einzelheiten dankenswerten, Schrift besonders in zwei Punkten
zu bestehen. Einmal dokumentiert sie schon durch ihr
Dringen auf die Einzigartigkeit der Person Jesu Christi und auf
die Sündenvergebung das unbezweifelbare Recht zur Wortmeldung
auch für eine theologische Auffassung, die man
früher ohne Zweifel als freisinnig abgestempelt hätte. — Sodann
vertritt sie mit fachlicher Vollausrüstung das Recht des
philosophischen Denkens, sich positiv zu den Aussagen des
Glaubens zu stellen, ohne alsbald einer Anklage auf humanisierende
und säkularisierende Verfälschung der Offenbarung
verfallen zu müssen.

Greifswald R. Hermann

Zähmt, Heinz: Der Mensch an der Grenze. Briefwechsel und Gespräch.
München: Paul Müller [1947]. 87 S. kl. 8». Kart. DM2.50.

Baden, Hans Jürgen: Das Abenteuer der Wahrheit. Piaton — Pascal —

Winckelmann — Oetinger. Hamburg: Wittig 1946. 86 S. DM2.80.
Schoeler, Herbert: Die Geistwerdung des Lebens. Willsbach: Scherer
1947. 91 S. 8». DM3.90.

Schütz, Paul: Europa — eine Frage an die Theologen. Kassel: Stauda

[1947]. 23 S. 8». DM 1.20.
Schrenk, G., Prof. D.: Im Wellenschlag der Zeit. Ein Beitrag zur religiösen
Frage der Gegenwart. Basel: Heinrich Majer o. J. 30 S. kl. 8".
50 Cts.

Hellpach, Willy, (Prof. Dr. phii. et med.): Gesinnung, Gewissen und
Gesittung der Wissenschaftlichkeit als positive Werte im öffentlichen

Leben. (Hrsg.: Forum Academicum, Frankfurt/M.) Frankfurt/M.: Schulte-
Bulmke 1947. 29 S. 8»= Deutschland, Europa u. d. Welt. DM 1.50.

Hylander, Franz Josef: Universalismus und Föderalismus. Ais Erbe

und Aufgabe des christlichen Abendlandes und des deutschen Volkes. München
: Dr. Schnell & Dr. Steiner [1946]. 77 S. kl. 8»= Das andere Deutschland
. Bd. 2. DM 1.80.

Spaemann, Heinrich: Die Stadt des lebendigen Gottes. Erwägungen zu

einer Theologie der Stadt. Münster: Regensberg 1947. 37 S. kl. 8». DM 1.20.

Pauquet, Peter Paul: Vom Wort zur Tat. Regensburg: Habbel 1947.
171 S. kl. 8". DM 4.50.

Gutersohn, U.: Evangelium und Bildung. Nachträgliche Zusammenfassung
von Vorträgen, gehalten im Akademikerlager der CVJM in Ponte

1943. St. Gallen: Verlag d. CVJM-Bundes d. deutschsprachigen Schweiz

1944. 27 S. 8°.

Taube, Otto, Frhr. v.: Von den Zeichen der Zeit. München: Chr. Kaiser
1947. 19 S. 8»= Gottes Wort u. Geschichte 7.

Spaemann, Heinrich: Worauf es jetzt ankommt.... Münster/W.: Regensberg
1947. 32 S. 16».

Gutersohn, u.: Weltanschauung oder christlicher Glaube. St. Gallen:

Schweizerischer CVJM-Vlg. 1946. 97 S. kl. 8".
Lang, Albert, Prof.: Umkämpftes Christentum. Bonn: Hanstein 1947.
63 S. 8». DM 2.50.

Cranach-Sichart, Eberhard von: Das verlorene Paradies. Novelle.

München: Paul Müller [1947]. 48 S. kl. 8». Kart. DM 1.50.

Fast alle genannten Schriften bewegen sich um die eine
entscheidende Frage der Gegenwart: worauf es jetzt ankommt.
Sie beschäftigen sich mit der ungeheuren seelischen und
geistigen Not, in die der Mensch durch die Katastrophe des
/.weiten Weltkrieges hineingeführt wurde, um dann in jeweilig
besonderer Form zu zeigen, daß nur ein Weg aus dieser Not
herausführt: die lebendige Begegnung mit Christus. Nachdem
alle Sicherungen von Menschen her zerschlagen sind,
bleibt nur noch der Weg des christlichen Glaubens.

Wir greifen aus der Fülle des Dargebotenen einige besonders
beachtliche Ausführungen dieses Themas heraus. In
der Form eines Briefwechsels schildern Heinz Zahrnt und
Eberhard v. Cranach-Sichart die Situation der Verzweiflung
und des Zweifels und ihre Überwindung. Besonders anschaulich
und theologisch klar durchdacht hat Zahrnt, der
Kieler Studentenpfarrer, die inneren Kämpfe der aus dem
Krieg zurückkehrenden deutschen Jugend zum Ausdruck gebracht
, ihr Stehen ,,an der Grenze" mit leeren Händen bis
zu dem nach schwerem Ringen erfolgenden Durchbrach der
Erkenntnis, daß das Ziel des inwendigen Lebens nur Gott sein
kann und der Weg zu ihm nur Christus.

In anderen Schriften wird dann die gegenwärtige Bedeutung
des Tatchristentums hervorgehoben im Gegensatz zu
allen religiösen oder kirchlichen Phraseologien. So bemerkt
der Katholik Spaemann in seiner Schrift: worauf es ankommt
: „Wie viele gingen zur Beichte und Kommunion, und
nun könnte ein neues Leben beginnen, ein wirkliches Weitergehen
zu Gott. Aber schon nach wenigen Tagen stockt der
Schritt. . ." „Die Wahrheit muß zum Herzen durchdringen,
und sie muß Leben werden." „Vom Wort zur Tat" lautet die
Forderung in Pauquets gleichnamiger Schrift. Die Schuttwände
zwischen den Herzen wegräumen, das Trennende und
Unterscheidende zwischen den Menschen aufheben, die eine
Front eines christlichen Sozialismus aufrichten, in der sich
jung und alt, Stadt und Land, Bayer und Preuße, Katholik
und Protestant zusammenfinden, Heimatlosigkeit, Not und
Tod überwinden durch den Glauben an die Liebe des allmächtigen
Gottes —, das ist es, worauf es heute ankommt.
Darum kein beruhigtes Wohnen in einer selbsterdachten Weltanschauung
, die jeden Augenblick wieder von der harten
Wirklichkeit zerbrochen werden kann, sondern christlicher
Glaube, der seinen Grund allein in dem Gott der Liebe hat,
und der zugleich immer wieder neu erkämpft werden muß,
Leben aus der Kraft des Glaubens, der weiß: Gott sitzt im
Regimente und führet alles wohl, wie Gutersohn in seiner
gehaltvollen Schrift „Weltanschauung oder christlicher
Glaube" ausführt. Und darum auch nicht das beziehungslose
Nebeneinander von Bildung und Evangelium, nicht Bildung
von den Voraussetzungen einer humanistischen Theorie her,
die das Evangelium entwertet oder verflacht, sondern Bildung
aus der Kraft des Evangeliums her, das den Menschen zur
Buße ruft und ihn gleichzeitig zur Gewißheit der Vergebung
führt und so die Bildung des Menschen nicht vernichtet, sondern
zur eigentlich richtigen Entfaltung führt — dem Resultat,
zu dem derselbe Verfasser in seiner Schrift „Evangelium und
Bildung" kommt.

So weiß sich der Mensch von heute in diesem Schrifttum
immer vor den gewaltigen Ernst einer unbedingten Glaubens-
entscheidung gestellt, und nicht nur der deutsche Mensch, sondern
auch Europa. Die Frage Europa und das Christentum
wird von katholischer und lutherischer Schau aus beleuchtet:
von katholischer Schau aus von Albert Lang in seiner Schrift
',, Umkämpftes Christentum'' und von Hylander in seinen Ausführungen
über „Universalismus und Föderalismus", von
lutherischer Schau aus von Paul Schütz in seiner Broschüre:
„Europa, eine Frage an die Theologen". Der protestantische
Theologe wird nicht immer der Kritik und der Deutung der
geistigen und politischen Faktoren zustimmen können, wie
sie der katholische Christ vollzieht, So, wenn Lang bemerkt,
Kant habe zwar den Wissenstolz der Aufklärung gebrochen,
aber an seiner Stelle den Stolz der autonomen Sittlichkeit
mit seinem Prinzip der Selbsterlösung gesetzt. Oder wenn
Hylander die Uberwindung des religiösen und politischen
Dualismus fordert, den Renaissance und Reformation in
Europa gebracht habe, durch den christlichen Universalismus,
wie er im Mittelalter verwirklicht wurde. Aber in ihrem Endresultat
werden wir auch dieser Deutung zustimmen müssen :
„Daß das Abendland sich weiter von seiner christlichen Grundlage
löst oder wieder mehr zu ihr zurückkehrt, das wird eine
Lebensfrage sein, nicht für das Christentum, sondern für das
Abendland" (Lang). Mit dramatischer Wucht gibt dann Paul
Schütz eine Darstellung des Kampfes zwischen Christus und
Antichrist in Europa, die in ihrer Formulierung öfters an die
Deutung Nicolai Berdjajews erinnert. Europa und vor allem
Deutschland in Europa der „apokalyptische Ort", das „dynamische
Feld" im Geisteskosmos, auf dem der Entscheidungskampf
zwischen den satanischen Mächten und dem christianischen
Pneuma ausgekämpft wird. „Es ist unmöglich, den
Kampf zu bestehen, der heute der Menschheit aufgelegt ist,
ohne das Hereingreifen des „Fingers Gottes". Der Mensch ist
nicht mehr das Maß aller Dinge. Eine nur menschlich-politische
Gemeinschaft ohne Offenbarung muß in der Ungerechtigkeit
enden. Wir sind an die äußerste Grenze des Meeres
in Leid und Schuld hinausgetrieben, hinter der es nur noch
die ewige Nacht gibt. Wir können nur noch eines: „umkehren
".

Oder stellen wir bereits am „Ende der Zeit?". Sind die
Zeichen der Zeit Zeichen dieser Endzeit ? In biblizistischer
Ausrichtung beiaht Otto Frh. v. Taube diese Frage in seiner
Schrift „Von den Zeichen der Zeit". Heinrich Spaemann
sieht in der Verheißung und Ordnung seiner Kirche schon
jetzt die Wirklichkeit der „Stadt des lebendigen Gottes", um
dann doch auch in eschatologischem Bekennen festzustellen,
daß diese Stadt ihre letzte und bleibende Stätte nicht in
dieser Welt hat, daß wir unserem innersten Wesen nach Pilger