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Ausgabe:

1949 Nr. 3

Spalte:

147-150

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Davies, William David

Titel/Untertitel:

Paul and Rabbinic Judaism 1949

Rezensent:

Jeremias, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 3

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Recht und Pflicht zur Ausrichtung des allgemeinen Priester-
turns.

24. Für besondere aus dem Auftrag der Kirche sich ergebende
Dienste hat die Gemeinde besondere Ämter wie das
Ältestenamt, das Diakonenamt, das Kantorenamt, das Lehreramt
und andere. Sie haben ihren Auftrag von der Gemeinde,
ihre Vollmacht aus dem Worte Gottes.

25. Das Predigtamt dient in ausschließlichem Sinne der
Verkündigung des Wortes und der Verwaltung der Sakramente
. Es ist nicht Herrschaft über die Gemeinde, nicht
kirchliche Obrigkeit, sondern wie alle kirchlichen Ämter
Dienst. Es ist Dienst an der Gemeinde, die zu ihrem Leben
des Wortes bedarf. Es ist Dienst in der Gemeinde, die sich
um das von dem Predigtamt verkündigte Wort als um ihre
Mitte sammelt. Es ist Dienst aus der Gemeinde heraus, die
durch ihren Gottesdienst und ihr Gebet das Predigtamt trägt.
Es ist Dienst mit der Gemeinde, die durch das Wort des
Predigtamtes zum Dienst an der Welt gerüstet und gesandt
wird.

26. Träger eines jeden kirchlichen Amtes kann nur sein,
wer im Leben der Gemeinde unter Wort und Sakrament
wurzelt. Das ist nicht die Forderung einer höheren Christlichkeit
für die Amtsträger, sondern der Ausdruck dafür, daß
alles Amt in der Kirche seine Vollmacht nur empfängt aus

dem Aufgebot Gottes durch Christus, darum bewußt unter
diesem Aufgebot stehen muß.

27. Alle für die Ämter in der Einzelgemeinde geltenden
Sätze gelten auch für die Ämter der Kirche auf den höheren
Stufen ihres Gesamtlebens.

28. Die Ordnung der Kirche entspricht nur dann ihrem
Wesen, wenn alle ihre Organe ständig leben aus dem Glauben
an den Herrn der Kirche und dem Gehorsam gegen seine
Sendung. Wo dieser Glaube und Gehorsam verdrängt werden
durch eine an irdischen Gesichtspunkten ausgerichtete Verwaltung
, wird die Ordnung der Kirche aus einem Werkzeug
zu einem Hindernis für ihren Dienst. Darum bedürfen die
Träger des kirchlichen Lebens in allen Organen und auf allen
Stufen des ständigen Rufes zum Glauben und Gehorsam, der
ständigen Warnung vor einem glaubenslosen Mißbrauch der
Ordnung. Diesen Ruf und diese Warnung durch Verkündigung
und Seelsorge auszurichten, ist Aufgabe der geistlichen Leitung.

29. Ob die Gegenwart eine Stunde der Kirche im Sinne
großer Wirksamkeit und Frucht ist, weiß Gott allein. Darüber
zu urteilen, ist nicht unsere Sache. Aber sicher ist es eine
Stunde der Kirche in dem Sinne der Selbstbesinnung auf
ihren Herrn, ihren Auftrag, ihre Verheißung. Keines großen,
neuen Programmes bedarf die Kirche, wenn sie es nur im
Glauben wagen will, nur Kirche zu sein und ganz Kirche zu
sein als das Aufgebot Gottes durch Jesus Christus.

NEUES TESTAMENT

Schniewlnd, Julius, Prof. D.: Das biblische Wort von der Bekehrung.

Berlin: Christi. Zeitschriftenverlag [1947]. 16 S. 8»= Hefte der Besinnung
Nr. 4. DM 1.50.

Schniewind wagt es, dies fragenreiche Kapitel anzufassen
. Er tut es mit der Fülle biblischer Anschauung und
christlicher Erfahrung, die ihm zu Gebote stand. Theologisch
merkt man, daß von ihm gilt, was Kahler vom Biblizismus
sagte: Man danke ihm das „Wachhalten der reformatorisehen
Fragestellung" nach dem gnädigen Gott.

Auf Grund der Hinkehr Gottes zu uns gibt es Bekehrung
und ist alle christliche Predigt Bekehrungspredigt. Erweckung
vom Todesschlaf; Gott recht geben; das Todesurteil anerkennen
; das Wort, das Tote lebendig macht, annehmen;
Heilsgewißheit empfangen, ohne der Sicherheit zu verfallen;
mit Furcht und Freude zugleich von Bekehrung reden, — das
alles zeigt, daß sich christlicher Glaube nicht von selbst verstehen
kann. Die Frucht der Umkehr weist auf das neue Leben
in den Geboten und es geht „um unser Leben bis ins kleinste
und geringste".

Hier ist gesunde Lehre, feste Speise. Das Heft kann
nicht erwecklich im psychischen Sinn genannt werden, aber
es hat Kraft durch die bezeugte Wahrheit. Schniewind schrieb
und sprach weniger in Kraft und Auftrag des Denkers als in
Kraft und Auftrag des erkennenden Zeugen. Auch seine populären
Hefte, wie dieses, werfen wissenschaftlich etwas ab. Da,
wo Menkens Biblizismus die Botschaft von der Versöhnung
verfälschte, erneuerten Cremer und Kähler die reformatorische
Sicht. Schniewind lebte in der paulinischen Theologie der
Reformatoren und fand sie auf jeder Seite der Schrift. Obwohl
oder weil seine Theologie im vollsten Sinn reformatorisch
war, lehnte er den Konfessionalismus ab. In ihm lebte
die echte Leidenschaft um Gesetz und Evangelium. In seiner
Sicht gewinnt die Kirche durch den lebendigen Christus im
Heiligen Geist Zeugnis und Form. Wer anderweitig Zeugnis
und Form sichern will, verletzt ihr Geheimnis. Zu dieser Erkenntnis
und Praxis muß man — bekehrt werden!

Berlin Martin Fischer

Davies, W. D.: Paul and RabbinlC Judaism. Some Rabbinic elements in
Pauline Theology. London: S. P. C. K. 1948. IX, 376 S. 8». 27 s. 6 d.
Eine Behandlung des Themas „Paulus und das rabbi-
nische Judentum" war seit langem fällig; man greift daher
mit gespannter Erwartung zu der umfangreichen Untersuchung
, mit der W. D. Davies, jetzt Professor für Neues
Testament am United College, Bradford, ein Schüler von
C. H. Dodd und D. Daube, es unternimmt, diese Lücke auszufüllen
. D. geht so vor, daß er an neun zentralen Themen der
paulinischen Theologie jeweils den rabbinischen Hintergrund
aufzuzeigen versucht. Er will auf diese Weise die These durchführen
„that in the central points of his interpretation of
the Christian dispensation Paul is grounded in an essentially
Rabbinic world of thought, that the Apostle was, in Short,
a Rabbi become Christian and was therefore primarily gover-

ned both in life and thought by Pharisaic concepts, which he
had baptized ,unto Christ'" (S. 16).

So richtig es nun fraglos ist, daß das Judentum der
geistige Nährboden des Apostels gewesen ist, so ist doch der
Eindruck, den die Durchführung der über diesen Satz hinausgehenden
These des Verf.s im Einzelnen hinterläßt, ein ausgesprochen
zwiespältiger. Ich möchte diesen Eindruck in der
Form zum Ausdruck bringen, daß ich zunächst die negativen
und dann die positiven Eindrücke wiederzugeben versuche.
In dem ersten Kapitel, das auf die Einleitung folgt: „The Old
Enemy: The Flesh and Sin" (S. 17—36) wird nachzuweisen
versucht, daß der Gegensatz oa^f / nvtü/ta seinen Ursprung
nicht im hellenistischen Sprachgebrauch habe, sondern vom
AT und vom rabbinischen Judentum her zu verstehen > sei.
Als Begründung hierfür wird auf die rabbinische Lehre von
den beiden Trieben hingewiesen. Aber so einfach geht es doch
nun wirklich nicht! Die Schwierigkeit fängt hier doch erst an
— nämlich angesichts der zweifachen Tatsache, r. daß der
paulinische Gegensatz Fleisch-Geist der rabbinischen Literatur
völlig unbekannt ist und 2. daß für rabbinisches Denken gerade
nicht das Fleisch, sondern das Herz der Sitz des bösen
Triebes ist. Die rabbinische Gedankenwelt allein ist also
nicht in der Lage, die Frage nach dem Ursprung des paulinischen
»dpf-Begriffes zu beantworten. Ebensowenig dürfte
der Verf. Gefolgschaft finden, wenn er den Zusammenhang
der paulinischen Mystik (Sterben und Auferstehen mit
Christus) mit hellenistischen Gedanken bestreitet, wenn er die
paulinischen Aussagen über die Schöpfungsmittlung des prä-
existeuten Christus von einer angeblichen Identifikation
Christi mit der neuen Tora (wo steht so etwas bei Paulus ?)
her erklären will usw. Wo liegt der Fehler ? Der Verf. geht
zu weit! Die paulinische Theologie wird nicht in ihrer Tiefe erfaßt
, wenn man sie einseitig und oftmals gewaltsam in rabbinische
Kategorien einzufangen sucht. Zudem ist der Verf.
Eklektiker: er setzt ein Paulusbild aus Mosaiksteinen zusammen
, die neuzeitlichen Sammlungen rabbinischer Texte
und der Paulusliteratur entnommen sind; die Steine sind echt,
aber das Bild stimmt nicht. Der nationalistische und gesetzliche
Judenchrist, den der Verf. zeichnet — das ist nicht
Paulus! Hinzu kommt, daß der exegetische Unterbau nicht
immer ausreicht. Sagt Paulus wirklich „that in Adam all
sinned" (S. 32)? Ist 1. Kor. 11, 29 äva£ia>s und rov x^w»
zu lesen (S. 55) ? Besagt Gal. 1, 16, daß Gott den Apostel aussonderte
, to reveal Christ in him (S. 87) ? Geht es an, im
Jakobusbrief das paränetische Schema des Kol. und Eph.
wiederzufinden, weil auch im Jakobusbrief nacheinander von
neuer Geburt (1, 18), Ablegen des Schmutzes (1, 21), vom
reinen Gottesdienst (1,26 f.), Unterordnung (4,7a), Statthaftigkeit
(4, 7b) die Rede ist? Schließlich ist zu fragen, ob
das Bild des zeitgenössischen Rabbinats, das D. vor Augen
hat, immer zutrifft. Ist es wirklich „klar" (S. 9), daß das
Judentum des 1. Jahrhunderts von dem schammaitischen Pha-
risäisinus beherrscht war ? Die Ehescheidungspraxis, das
wissen wir sicher aus Philo und Josephus, war hillelitisch, nicht
schammaitisch! Und Gamaliel, der führende Theologe zur
Zeit der Urgemeinde (act. 5, 34), war Hillelit! Sollen wir ferner