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Ausgabe:

1949 Nr. 2

Spalte:

103-107

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Pius XII., Papst

Titel/Untertitel:

Benedikt-Enzyklika "Fulgens Radiatur" 1949

Rezensent:

Hermann, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 2

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auch die gedruckte Literatur im weitesten Umfang herangezogen
. Man staunt, wie er im biographischen Teil den einzelnen
Persönlichkeiten nachgegangen ist, so daß es nur noch
wenig Nachträge geben wird. Allerdings liegt in dieser Konstatierung
auch ein Anlaß zur Resignation. Man möchte über
manches, z. B. Bildung und Erziehung der Domizellaren,
Leben der Kanoniker mehr erfahren. Aber nach dem jetzigen
Tatbestand wird sich kaum noch etwas feststellen lassen.
Auch den Vergleich mit den Verhältnissen anderer Domkapitel
hat der Verf. manchmal aufgenommen; er scheint nicht
zum Schaden Bambergs auszuschlagen. Es legt sich aber der
Wunsch nahe, diese Arbeit bis zum Ende des alten Bamberger
Domkapitels fortgeführt zu sehen; vielleicht daß sich manches
Dunkel, das über der ganzen kirchlichen Behörde liegt, lüften
ließe.

Nürnberg Karl Schornbaum

KIRCHENKUNDE

Hessen, Johannes [Prof. D. Dr.]: Die Philosophie des heiligen Augustinus
. Nürnberg: Glock & Lutz 1947. 59 S. 16»= Görres-Bibliothek Bd. 55.
DM 2.—.

Müller, Max, Doz. Dr. phii. habil.: Das christliche Menschenbild und die

Weltanschauungen der Neuzeit. Zwei Vorträge, gehalten in d. Kath. Stu-
dentenseelsorge zu Freiburg/Br. am 30.6. u. 5.7.1939. Freiburg/Br.:
Herder 1945. 63 S. 8°= Das christl. Deutschland 1933 bis 1945. Kath.
Reihe. H. 5. DM2.50.

Lenhart, Ludwig, Prof. Dr.: Das Problem des Humanismus in der neuzeitlichen
katholischen Theologie. Mainz: Kupferberg 1947. 52 S. 8»=
Mainzer Universitäts-Reden. H. 8/9.

Naab, P.Ingbert, o. f. m. Cap.: Die katholische Beicht. München:
Dr. Schnell & Dr. Steiner [1946]. 96 S. kl. 8». DM 2.—.

Anler, Ludwig, p., o. f. m.: Comes pastoralis confessarii praesertim

religiosi. Für die seelsorgliche Praxis aus Pastoral und Kirchenrecht zusammengestellt
. 10. Aufl. Fulda: Parzeller & Co. [1947]. XII, 321 S. 8».
DM8.—.

PiusXII., Papst: Benedikt-Enzyklika ,,Fulgens Radiatur". Nürnberg:
Sebaldus-Verlag 1947. 31 S. 8»= Päpstliche Dokumente. Bd. 3.

über die Philosophie Augustins als „christlichen Plato-
uikers", daß in ihr antiker „Idealismus" und biblischer „Prophetismus
" zur Synthese kommen, läßt man sich von niemandem
lieber als von Joh. Hessen, auch in der schlichten, für
weitere Kreise berechneten Gestalt, berichten. Bringt er doch
die Vorzüge gründlicher Quellenforschung, selbständiger Gefolgschaft
und bewährten Kämpfertums für den Augustunis-
mus sowie lichtvoller Darstellung mit sich. Daß Hessen, wie
bekannt, gegenüber allem einseitig gepflegten Thomismus die
Augastinische Linie in Philosophie und Religionsphilosophie
festhalten und vertiefen will — auch in diesem Schriftchen
—, ist eine verdienstvolle Abwehrhilfe gegen alle dogmatistisch-
autoritäre Verfestigung, auch auf geisteswissenschaftlichem
Gebiet.

Eine andere Frage freilich ist es, ob wir theologisch und
religionsphilosophisch mit seinem Augustinisinus den Wertbegriff
zur Basis nehmen dürfen. Gibt es wirklich „Werte",
gar eine Welt der Werte, die unserem Schätzen und Werten
gegenüber selbständig bestünde ? Und sollen sie wirklich die
Träger des Ewigen sein ? Unseres Erachtens ist der Begriff des
Wertes dem der Zeit unter-, nicht übergeordnet; und angesichts
der voll Hessen an erster Stelle gerühmten Verankerung
der Wahrheit und der Werte in Gott befürchten wir,
daß dann trotz aller Erkenntuismetaphysik, ja vielleicht auch
ihr zufolge, „Wahrheit" und „Wert" die vermeintlich eigentliche
Interpretation Gottes in Anspruch nehmen müßten, und
daß sie damit in Gefahr kämen, auch Gottes Position zu übernehmen
.

Um das Verhältnis von Theologie und Philosophie, hier
nun im wesentlich thomistischeu Sinne, geht es auch in der
Schrift von Max Müller. Sie enthält zwei hochwertige, noch
während der nationalsozialistischen Zeit gehaltene Vorträge.
Der als tüchtiger Philosoph bekannte Verf. (vgl. sein Werk:
Sein und Geist, Tübingen 1941) entwickelt mit Bezug auf die
geistesgeschichtliche Lage der Zeit in charakteristischer Programmatik
und scharfsinnigem Gedankengang das alte Problem
von Vernunft und Offenbarung.

Der christliche Glaube gibt der Vernunft ein natürliches
Menschen- und Weltbild „vor". Dessen Aufbau soll sie selber
leisten, anstatt ihn vom Kirchlichen Lehramt zu erwarten
(29 f. u. ö.). Aber die Kirche stellt solches Menschen- und
Weltbild unter drei Hauptkriterien, ohne die es gleichsam für
das Christentum nicht verhandlungsfähig ist. Es sollen ihm

nämlich die Momente der Integralität, Universalität
undTranszendentalität nicht fehlen. Das heißt der Mensch
muß nach seinem unverkürzten Wesen, also nach Leib, Seele
und Geist, verstanden sein, nicht etwa bloß als biologische
(leibseelische) Einheit. Er darf ferner nicht nur nach Blut und
Nationalität gewertet werden, sondern es muß universal, in
jedem Menschen, die Menschheit geachtet und anerkannt sein.
Schließlich muß das Menschenbild nach oben offen und auf
das Uberendliche und Absolute ausgerichtet, also „transzendental
" sein (ebd.). — Entspricht das „Menschenbild" — ein
Ausdruck zugleich für eine „paradigmatisch" gedachte Ethik
— diesen Kriterien, so darf es „natürlich-christlich" (lioino
naturaliter christianus) heißen, d. h. als „Basis" für die übernatürliche
Gnade und ihre Kräfte angesehen werden. Die übernatürlichen
Züge sind m solche Weltanschauung und solches
Menschenbild eiutragbar. Gratia supponit et perficit naturam.

Dieser katholisch altvert'raute Gedanke wird in mannigfacher
, von Schwung und bester Versiertheit getragener Abwandlung
durchgeführt und mit führenden ( .eist(-111 der Neuzeit
auseinandergesetzt. Was der Verf. dabei über Luther sagt
(39 ff ), ist nicht ohne Anerkennung seiner positiven Bedeutung
für das „abendländische Christentum", eignet sich
aber zugleich als Ausgangspunkt zur Auseinandersetzung, (wie
ich sie für einen anderen Zusammenhang ausführlicher vorhabe
). Müller vertritt den bekannten Vorwurf gegen Luther,
daß die Erbsünde bei ihm nicht Schwächung (vulneratio) wie
im katholischen Christentum, sondern „völlige Korruptheit
der natura humana und ihre Unfähigkeit zum .guten Werke' "
bedeute.

Gewiß, wenn man eben überhaupt in dem Schema: Natur
und Ubernatur denkt, wobei sich aber 111. IC. die Persönlich«
keit Gottes leicht in ein „übernatürliches" gottheitliches
Leben, und schließlich ins Kirchentum, auflöst, dann kann das
Verständnis der Sünde bei Luther so aussehen, wie die katholische
Lehre es ihrem Begriffsgefüge gemäß zeichnet. Und
woher soll in der Tat dann die menschliche „Natur" Material
und Kräfte nehmen, ein „natürlich-christliches" Menschen-
und Weltbild aufzubauen, also eine Leistung zu vollbringen,
auf deren Freiheit (von der kirchlichen Leitung) und auf deren
humanistische Eigenverantwortlichkeit Müller Gewicht legt! ?
Wo dagegen trotz terminologischer Erbstücke verstanden
wird, daß der persönliche Gott in Christo selber und nicht die
Ubernatur, Heil und Gerechtigkeit des Menschen sein will, da
muß diesem freilich der offene Zugang zu Gott alles, und Leben
und Welt ohne Oottes Gegenwart das Verderben bedeuten —,
das also eben hierin besteht, nicht in einer Art Naturenseuche.
Fällt doch aus Gottes Schöpfung weder des Menschen „Natur"
und sein „Wesen", noch Geschichte und Kultur heraus. Sie
haben auf jeden Fall unter und in Gottes Hand ihren eigenen
Beruf und Lauf, die sie, unmittelbar zu Gott, nach seinem
endgültigen Urteil gut oder bös, aber ohne anderen Rekurs
auf Glaube und Kirche erfüllen, als auf das, was diese
selbst, geistig und sachlich, in sie eingeflochten haben. Die von
Müller aufgestellten Kriterien, so großzügig sie gemeint und
formuliert sein mögen, sind doch Auflagen der „Ubernatur"
auf die „Natur". Ebenso können sie umgekehrt zu einer
Art Einfassung und Regelung des Übernatürlichen durch das
Natürliche werden. Denn zwischen beiden dürfte stets eine
Art Schwebezustand bestehen, der aber letzten Eudes zugunsten
der menschlichen Seite, schließlich der Kirche als der
Vermittlerin übernatürlicher Gnaden, ausschlagen muß. Denn
das Schema: Natur und Ubernatur rollt die Fragestellung:
Gott und Mensch vom menschlichen „Wesen" und von seiner
Struktur, anstatt von der persönlichen Gemeinschaft von Gott
und Mensch her auf. Zu einem befriedigenden Verhältnis
zwischen Vernunft und Offenbarung kommt es u. E. auf
diesem Wege nicht.

Des zum Zeichen die Frage, was denn werden soll, wenn
das „natürlich-christliche" Menschen- und Weltbild — das also
die drei Kriterien aufweisen würde — nicht in den Zusammenhang
des christlichen Glaubens aufgehen will ? Der Verf. streift
diese Frage wohl, ohne sie doch recht zu lösen. U. E. kann das
Evangelium, wie in Menschentypen und Menschenherzen jeder
Art (bis zum Sehächer), so auch in jegliches „Menschenbild"
und in alle Weltanschauung Eingang finden, sofern diese nicht
bewußtes Antichristentuni sind. Und dann fragt es sich immer
noch, wer der Stärkere ist. Der christliche Glaube wird in diese
Menschenbilder und Weltanschauungen hineinzuwirken, auch
hineinzureden, ihnen aber kein Zulassungsexamen aufzuerlegen
haben. Die Freiheit, die er ihnen zugesteht, darf nicht
die bloße Freiheit des Schulhofs sein, auf dem es zweifellos viel
freie Bewegung geben kann, der aber doch kein freies Feld ist.
So wird der alte Ancilla-Gedanke nicht überwunden. — Die