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Ausgabe:

1949 Nr. 2

Spalte:

97-101

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Törnvall, Gustaf

Titel/Untertitel:

Geistliches und weltliches Regiment bei Luther 1949

Rezensent:

Elert, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 2

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leniischen oder judäischen Vorgängerin der ,,Gemeinde des
neuen Bundes im Lande Damaskus".

Bei der ,,Gemeinde des neuen Bundes im Lande Damaskus
", in deren vordamaszenischem Studium nach Ginsberg
alle unsere Rollen ihren Ursprung haben, handelt es sich um
die Religionsgemeinschaft, von der die im Winter 1896/97
durch Salomo Schechter in der Geniza einer Synagoge von
Altkairo entdeckte, 1910 von ihm herausgegebene, 1933 als
Nr. 167 der Lietzmannschen ,.Kleinen Texte" von Leonhard
Rost neu bearbeitete und 1922 von W. Staerk, Die jüdische
Gemeinde des neuen Bundes in Damaskus (Beiträge zur
Förderung christlicher Theologie 27,3) in deutscher Übersetzung
dargebotene Damaskus - Schrift zu sagen weiß.
Diese Schrift läßt erkennen oder doch vermuten, daß die hinter
ihr stehende Sekte von einem „Lehrer der Gerechtigkeit"
(DTE riTITä möreh saedacq) in Jerusalem gegründet, dann

aber wegen ihres Zerwürfnisses mit dem „Mann der Frechheit
" ("pjjbn ™ hn-läsdn), der träufeln läßt auf Israel

Wasser der Lüge (3x3 käzäb), und der von ihm geführten
(»nippe, die sich der Habgier, der Unzucht und der Entweihung
des Heiligtums schuldig gemacht hatte, Jerusalem
verlassen hat und nach Damaskus ausgewandert ist. Der Zeitpunkt
dieses Geschehens hat sich bisher leider ebensowenig
sicher bestimmen lassen, wie es gelungen ist, die an ihm beteiligten
Gruppen religionsgeschichtlicn einzuordnen. Die An-
setzungen schwanken hier zwischen dem 2. Jahrhundert
v. Chr. und dem 7. oder 8. Jahrhundert 11. Chr., wobei im
erstell Falle die Schrift mit der makkabäischen Erhebung in
Verbindung gebracht, im zweiten die sie tragende Gruppe als
Vorläuferin der Karäer-Bewegung betrachtet wird. Wenn nun
Gillsberg das jetzt aufgefundene Sekten-Buch und die mit
ihm hier zusammen ans Licht gekommenen Schriften, darunter
den vorhin beschriebenen Habakuk-Kommentar aus
dem vordamaszenischcn Stadium dieser Sekte herleiten will,
so bestimmen ihn dazu vier Gründe. 1. Die Kinder des Lichts
und die Kinder der Finsternis stehen sich im Buch der Kämpfe
genau so einander gegenüber wie im Sekten-Buch; 2. das
Buch der Kämpfe und das Sekten-Buch teilen mit der Damaskus
-Schrift den Gebrauch von "HD saeraek im Sinne von

■ .Brauch", „Verfahrensweise"; 3. die im Buche der Kämpfe
für die griechischen Seleukideu und die griechischen Ptole-
niäer vorkommenden Ausdrücke „Kittiter von Assyrien" und
>.Kittiter von Ägypten" stimmen dazu, dal.!, wie wir sahen,
der Habakuk-Kommentar die im Buche Habakuk genannten
Chald&er auf die Kittiter deutet und daß die Damaskus-
Schrift das Ottern-Gift (tijni von 5- Mose 32, 33 als

das Haupt (t3N"1 »"'»*) der Könige von Griechenland erklärt;
4- das Buch der Kämpfe, das Sekten-Buch und die Damaskus-
Schrift haben das miteinander gemein, daß sie einerseits das
l'iblische Hebräisch nachzuahmen bemüht sind, anderseits
vpr der Verwendung unbiblischer Worte und Wendungen
■licht zurückscheuen.

Auf die im Buch der Kämpfe vorkommenden Wendungen
• •Kittiter von Assyrien" (tnex ^td kitlijjc 'oZxiir) und „Kittiter
von Ägypten" (n"HII)3 "^TO küiijje, mismjim) muß darum
noch besonders nachdrücklich hingewiesen werden,
Wcjl sie Ginsberg die Handhabe zu genauerer zeitlicher
Ansetzung zunächst dieses Buches, dann der mit ihm zusammen
aufgefundenen anderen Schriften und mittelbar auch
Q*t Daniuskus-Schrift darbieten. Nach dem von Kahle ermähnten
, von Ginsberg hier wörtlich ausgezogenen Buche
■sukeniks richtet sich der Kampf der Kinder des Lichts,
von dem das Buch der Kämpfe zu sagen weiß, *JJpB^)3 b*~d.

"wids vina Hvnm rrobs.....puy wi ns-rai dvtk rmn

».gegen die Haufen Belials, gegen das Heer Fdoms und
Möaba und der Animoniter . . ., Philistäas und gegen die
Heere der Kittiter von Assyria", und nach demselben Gewährsmann
gebraucht das Buch der Kämpfe in einem
•linieren — nicht weiter beschriebenen — Zusammenhang den
Ausdruck 0vnr*3 mro „Kittiter von Ägypten". Da, wie eben
bereits als Auffassung Ginsbergs, der hier wiederum Suke-
111k folgt, mitgeteilt, die Kittiter von Assyrien die Seleuki-
dischen Griechen und die Kittiter von Ägypten die Ptole-
RUUftChen Griechen sind, ist damit zugleich ein terminus a

quo und ein terminus ante quem für das Buch der Kämpfe
und die mit ihm zusammen aufgefundenen Schriften gegeben
. Die Schriften müssen vor dem Erlöschen der Seleuki-
dischen (63 v. Chr.) und der Ptolemäischen (31 v. Chr.) Herrschaft
einerseits entstanden sein und setzen anderseits die 301
v. Chr. abgeschlossene Teilung des Alexander-Reiches voraus
. Ist damit für die Ansetzung unserer Schriften ein Heruntergehen
unter 63 v. Chr. ausgeschlossen, so steht der
Möglichkeit, mit ihr in die hasmonäische und vorhasmo-
näische Zeit, also in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr.
hinaufzugehen, einstweilen wenigstens nichts im Wege.

Zur Bestimmung des historischen Ortes der neu aufgefundenen
Schriften vermag auch genauere Untersuchung der
literarischen Art des Buches der Kämpfe und des Buches der
Danklieder einen wesentlichen Beitrag zu liefern. Denn bei
näherem Zusehen zeigt sich, daß es sich hier nicht eigentlich,
wie man bisher vielfach anzunehmen geneigt war, um frei
über Raum und Zeit schwebende Spekulationen handelt, sondern
vielmehr um praktische Anweisungen für die der hinter
diesen Schriften stehenden Sekte obliegenden Kämpfe. Das
Buch der Kämpfe sieht vor, welche liturgischen Formeln dann
zu rezitieren, welche Trompetensiguale vor und nach den einzelnen
Kampfphasen zu blasen sind, was der Oberpriester zu
tun und zu sagen hat und dergleichen mehr. Die im Buche der
Danklieder vereinten Lieder aber scheinen für die Kinder des
Lichts bestimmt zu sein, die den Kampf gegen die Kinder
der Finsternis überlebt haben, und insofern geradezu eine
Fortsetzung des Buches der Kämpfe zu bilden und mit diesem
zusammenzugehören. „Wenn das alles nicht bloße apokalyptische
Spekulation, sondern Gesetzgebung für einen Krieg
oder in Aussicht genommene Kriege ist, so mögen unsere
Schriften in der Zeit der Makkabäer entstanden sein, die tatsächlich
zu kämpfen hatten mit ,Edom ( = Idumäa), Moab
und den Ammonitcrn («=» Nabatäer und Hellenistische Städte
des Ostjordanlands), Philistäa (—Hellenistische Städte von
Azotus usw.), und die Kittiter von Assyria (r= Seleukidische
Makedonier und Griechen'. Oder die Sekte wurde vielleicht
während der ersten neun Jahre der Regierung des Antiochus IV.
Epiphancs, gegründet, bevor er den entscheidenden Schritt
tat, den Tempel zu entweihen und den jüdischen Kultus zu
verbietenfwährend dieser Zeit ist der Hauptbestandteil von
Dan. 7 verfaßt; nur die späteren Erweiterungen dieses Kapitels
rühren, wie Kapitel 8—12, aus der Zeit der Verfolgung
selbst her; siehe meine „Studies in Daniel", Abschnitte II
und IV und S. 62), mit dem Ziel, Antiochus und seine syro-
nabatäischen Werkzeuge und Mitläufer zu bekämpfen. Da
aber bald mehr Material zur Verfügung stehen wird, ist es
unklug, sich weiteren Vermutungen hinzugeben".

Wie Ginsberg in dem letzten seiner eben angeführten
Sätze selbst zu verstehen gibt, ist es gegenwärtig noch verfrüht
, über Entstehungszeit und geistige Heimat der neu gefundenen
Texte endgültige Feststellungen zu versuchen, und
die mir von Paul Kahle in einem Briefe aus Wadhtirst,
Sussex, England vom 8. März 1949 gemachte Mitteilung, daß
nach einer ihm von W. F. Albright aus Baltimore, Maryland,
U. S. A. zugegangenen Nachricht S. Zeitlin im Jewish Quar-
terly Review soeben entschieden für die Ansetzung der neu
gefundenen Handschriften im Mittelalter (a mediaeval date)
eingetreten sei, bedeutet jedenfalls eine Warnung vor Unbesonnenheit
und Voreiligkeit. Freilich hält Albright, wie er
ebenfalls Kahle geschrieben hat, diese Ansetzung für irrig,
da ihre Begründung sich ausschließlich auf ein paar eigenartige
Wendungen (characteristic expressions) stützt, den diesen abgewonnenen
Argumenten viel zu viel Beweiskraft zutraut und
die paläographischen Kriterien (palaeographic evidence, ex-
trinsic criteria), die in Wahrheit entscheidend sind, völlig
außer Acht läßt. Der von Ginsberg erwogene Gedanke, die
neu gefundenen Schriften aus den in die makkabäische oder
gar vormakkabäische Zeit zurückreichenden Anfängen der Gemeinde
des neuen Bundes im Lande Damaskus herzuleiten,
bleibt also zunächst nur eine Möglichkeit. Aber angesichts
des Gewichtes der für ihn ins Feld geführten Grftude verdient
dieser Vorschlag doch ernsteste Beachtung. Sollte er
sich bewähren, so würde durch den neuen Fund die Makka-
bäer-Zeit in ein so helles Licht gerückt, wie man es auch in
seinen kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt hätte.

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Törnvall, Gustaf: Geistliches und weltliches Regiment bei Luther.

Stildien zu Luthers Weltbild und Gesellschaftsverständnis. München: Chr.
Kaiser 1947. 196 S. 8'= Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus
, 10. Reihe üd. IL

Daß der Verf. (Pfarrer in Hällcstad, Schweden) unter den
mannigfachen Stichworten, mit denen Luther die Zwiefalt der
„beiden Reiche" ausdrückt, das Begriffspaar seines Themas
ausgewählt hat, zeigt an, worin er den Schwerpunkt des Problems
und seine Lösung erblickt. Der Ausdruck Regiment
besagt noch deutlicher als der Ausdruck Reich, daß es sich