Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1949 Nr. 2

Spalte:

85-92

Autor/Hrsg.:

Preisker, Herbert

Titel/Untertitel:

Lukas 16,1-7 1949

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

86

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 2

86

aber beim Verhältnis des Menschen zu Gott nicht die Rede
sein. Der Mensch kann Gott nicht vor das Forum der Gerechtigkeit
fordern: soll auch das Verhältnis zwischen Gott und
dem Menschen an dem Maßstabe der Gerechtigkeit gemessen
werden, so kann das Ergebnis nur sein, daß Gott den Menschen
richtet, aber nicht umgekehrt.

Wenn Gott der Heilige genannt wird, so kommt darin
zum Ausdruck, daß sein Wille der schlechthin gute Wille ist.
In der Verbundenheit der Menschen unter einander prägt sich
dieser schlechthin gute Wille Gottes in der das menschliche
Leben adelnden Gerechtigkeit aus. Aber je mehr der Mensch
in der Wechselwirkung des menschlichen Lebens in den Bereich
des guten Willens hineinwächst, umso mehr empfindet
er den Widerstreit, der zwischen dem Eigenwillen seines naturhaften
Daseins und den aus dem Zusammenleben mit den
anderen stammenden Forderungen besteht. Im Gewissen des
Menschen weckt die Heiligkeit Gottes das Bewußtsein der
Sünde, d. h. das Bewußtsein der Gottesferne des von Haus aus
unter der Herrschaft des eigenen Ich stehenden Willens.

Als der Heilige ist Gott der Inbegriff aller Lebensvollendung
. Dies bedeutet für den Menschen, daß ihm'die Begegnung
mit Gott die Vollendung auch des ihm geschenkten Lebens
verheißt, vorausgesetzt daß der heilige Wille Gottes auch
das Gesetz seines Lebens wird.

c) Wie die Ewigkeit Gottes dem Menschen seine Verhaftung
in die Schranken des geschaffenen Lebens zum Bewußtsein
bringt, so schließt die Heiligkeit Gottes den Zugang des
Menschen zum Leben Gottes aus. Aber trotzdem ist die Welt
von Gott geschaffen und der Mensch zum Ebenbilde Gottes
berufen. In diesem Nebeneinander des dem Menschen so fernen
und doch ihn suchenden Gottes besteht die überwältigende Erhabenheit
des alttcstamentlichen Gottesglaubens, die ihn
gegen alle Verflechtung der Gottesvorstellung in die Schranken
des naturhaften Daseins sichert.

Wenn trotzdem der alttestamentliche Gottesglaube nicht
das letzte Wort der Offenbarung Gottes ist, so ergibt sich dies
daraus, daß die einander widerstreitenden Momente des Gottes-
KUubena auch in der alttestamentlichen Frömmigkeit nicht zu
harmonischer Ausgleichung gelangt sind. Es ist immer wieder
die Perspektive vom Menschen aus, die das Gleichgewicht nach
der Seite der menschlichen Leistung hin verschiebt und die
l'nbedingtheit der freien Hingabe Gottes ungewiß werden
'äßt. Allerdings fehlt es nicht an der beständigen Erinnerung,
daß die Erkenntnis der Heiligkeit Gottes die Bundesschließung
von Seiten Gottes zur Voraussetzung hat. Der Gedanke der Erzählung
greift über den Gegensatz von Ewigkeit und Vergäng-
;!c. 'keit ebenso wie über den Gegensatz von Heiligkeit und
Sünde hinaus und läßt es eindeutig werden, daß nicht der freie
Wille des Menschen, sondern der freie Wille Gottes die Zusammengehörigkeit
des Menschen mit Gott begründet.

Der Abstand, in dem sich das vergängliche Leben der Welt
gegenüber dem ewigen Leben Gottes befindet, bezeugt nicht
bl°ß, daß die von Gott geschaffene Welt nicht ihrer selbst
'nächtig ist, sondern läßt auch in der unendlichen Fülle des
geschaffenen Lebens den unerschöpflichen Reichtum des
Gebens Gottes offenbar werden. Es macht das Wesen des
ewigen Gottes aus, daß er überquellendes Leben ist. Wenn er
sein Leben verschenkt, so hat dies nicht seinen Grund in Ansprüchen
, die an ihn gestellt werden können, sondern in seiner
•Selbstmitteilung vollzieht sich sein Leben. Wenn er die Gemeinschaft
mit ihm gleichartigen Leben sucht, so ist dies
licht ein willkürliches Zugeständnis, das ihm irgendwie abgenötigt
wird, so daß es seinem inneren Wesen fremd bliebe.
^ gibt vielmehr in Gottes Wesen nichts anderes als nur den
willen zur Gemeinschaft, und in der Unbedingtheit des sich
ausgebenden Willens enthüllt sich die Grenzenlosigkeit des
gött innewohnenden Lebens. Daß Gottes Wesen die Liebe ist,
in seiner Ewigkeit verankert. Der Kontrast, in dem sein

ewiges Leben zur Vergänglichkeit alles Irdischen steht, kommt
zur vollen Wirkung erst dann, wenn er nicht bloß den Abstand
des Irdischen vom Leben Gottes beleuchtet, sondern zur Erkenntnis
des innersten Wesens des Lebens Gottes führt.

Von der freien Gnade Gottes aus tritt dann aber auch der
Gegensatz von Heiligkeit und Sünde in ein neues Licht. Die
Liebe Gottes kann im Menschen nur dann ein Echo finden,
wenn er die Größe der Gabe erkennt, die ihm in der Anteilnahme
an dem Leben Gottes zuteil wird, — diese Erkenntnis
ist aber nur in der Umwandlung der Selbsterkenntnis des
Menschen möglich. Alle Selbsterkenntnis ist Bekenntnis zum
Inhalt des eigenen Lebens und also Abspiegelung des den
Lebensinhalt bestimmenden Willens. Daher kann der Glaube
an Gott erst dann lebendig werden, wenn über den Willen des
Menschen das Gerichtsurteil Gottes ergangen ist. Nur wenn
der Mensch die Gottesferne seines Wollens erkennt, verlieren
die den Willen reizenden Antriebe ihre Macht, und in dem
Untergange der ihn blendenden Lebenswerte vollzieht sich das
Gericht Gottes über sein Leben.

Aber wenn Gott der Heilige und also sein Wille aller Güte
voll ist, kann das Gericht nicht das Ende der Wege Gottes
sein. In der Erkenntnis seiner Gottesferne wird der Mensch
frei von der ihn irreführenden Lüge. Die Erkenntnis seiner
Gottesferne ist der Anbruch wahrer und echter Gotteserkenn-
nis. Indem der Mensch seiner eigenen Gottesferne inne wird,
wird ihm die Erhabenheit des Willens Gottes zu anschaulicher
Wirklichkeit. In der Tiefe des Selbstgerichtes mißt das Auge
die ihm unerreichbare Höhe des Lebens Gottes und sieht ihn
so, wie er in Wahrheit ist. Und so geschieht es, daß ihm der
in der Welt überall verborgene Gott unmittelbar nahe kommt
und in der Umgestaltung seines innersten Erlebens zur lebendigen
Gegenwart wird.

In dieser Begegnung des seiner Gottesferne bewußten
Menschen mit dem nach ihm fragenden und ihn suchenden
Willen Gottes verwandelt sich die bedingungslose Bereitwilligkeit
Gottes, sein Leben mitzuteilen, die das Wesen seiner Heiligkeit
ausmacht, in das Wunder der barmherzigen Liebe. Daß
es für die Liebe Gottes keinen Grund außer ihm gibt, ist erst
dann sicher bezeugt, wenn es auch außer ihm kein Hindernis
seiner Liebe gibt. So kann ihm auch die Gottesferne des Menschen
kein Hindernis seiner Liebe sein; im Gegenteil: gerade
die Verlorenheit des nach seinem Bilde geschaffenen Menschen
ist der seine Liebe zwingende Anruf.

Wenn in der alttestamentlichen Frömmigkeit der Glaube
an die Ewigkeit und Heiligkeit des Schöpfers das Leben Gottes
in seiner Einzigart und seinem Reichtum greifbar werden läßt,
so zeigt sich darin, daß der Ansatz der alttestamentlichen
Frömmigkeit geeignet ist, der von Gott ausgehenden Offenbarung
den Weg zu bahnen. Aber trotzdem bleibt die alttestamentliche
Frömmigkeit in dem Zwiespalt zwischen der vom
Menschen und der von Gott ausgehenden Sicht. Dies hat darin
seinen Grund, daß der Ansatz der alttestamentlichen Frömmigkeit
in dem Ebenbilde Gottes gegeben ist, wie es auf Grund
der Schöpfung jedem Menschen eigen ist. Wenn es in der
Schöpfungsgeschichte heißt, daß der Mensch nach dem Bilde
Gottes, auf das Bild Gottes hin, geschaffen worden ist, so ist
es verständlich, daß die in der irdischen Schöpfung gegebene
Anwartschaft auf die Lebensgemeinschaft mit Gott nur in der
Form der Verheißung auftritt und daß die Erfüllung der
Verheißung infolge ihrer Eingliederung in den naturhaften Zusammenhang
des menschlichen Lebens den Anfechtungen
unterliegt, über diese Schranke hinaus kommt die Offenbarung
Gottes erst dann, wenn nicht von der Schöpfung, sondern
vom Schöpfer her das Bild Gottes in einem Menschenleben
leibhafte Gestalt gewonnen hat und damit das Leben in der
Gemeinschaft mit Gott zu einer von aller Bedingtheit durch
den Naturzusaminenhang unabhängigen Lebensmacht im
Rahmen der Menschheitsgeschichte geworden ist.

Lukas 16, 1-7

Von Herbert Preisker, Jena

Carl Sleucrnagel zum HO .Geburtstag

Kaum eine Parabel hat den Kxei»eten so viel Schwieriir- Xmtüs aal i^rjtaafiivws)1, aber die Allegorese hat diese Warnung
überhört und die seltsamsten Blüten getrieben. Die
Auslegung braucht freilich nicht gleich so abzugleiten wie in
dem Evangelienkommcntar, der fälschlich dem Antioche-
nischeu Bischof Theophilus zugeschrieben wird, der wohl aber

ke i um e*ne Parabel hat den Exegeten so viel Schwieriger
V Stacht wie die Gleichiiiserzählung vom „ungerechten
ausIlalter". Es ist darum verständlich, daß immer wieder
voi ai " weniger allegorisiert wurde und wird. Bereits Cyrill
zMil Alcxandria hat in seinem Lukaskonimentar diese Er-
stii t 8 ?f den stückc'n gerechnet, bei denen nicht alle Einzel-
oi7% scharfsinnig und sorgfältig ergrübelt werden müßten
/«? ännvra rf/s na(taßolTi<i rä firorj ■nolvxqa.yuovilolftu XC'i

') Conmi. in Luk. 10, 1 (PO 72, 809 f).