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Ausgabe:

1949

Spalte:

751-752

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Meisen, Karl

Titel/Untertitel:

Die heiligen drei Könige und ihr Festtag im volkstümlichen Glauben und Brauch 1949

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 194g Nr. 12

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Besinnung auf die „Tiefenkräfte des Menschen", die der Verf.
in einem idealistisch bestimmten Humanismus christlicher
Färbung sucht. „Von Goethe ergriffen zu sein ist ein einziges
Glück" (S. 43). Der „Morbus Sacer" ist der dämonischen, aber
auch der göttlichen Sphäre nähergerückt; er ist behinderter,
aber im rechten Verständnis seines Leidens auch freier und
erhöhter geworden, sein Schicksal soll zu einer schöpferischen
Auswirkung kommen. Trotz gelegentlicher Berufung auch auf
den Apostel Paulus, zur Sicht von 2. Kor. 12, 9, zur „Schicksalsmeisterung
" vom Kreuz her, ist der „christliche" Humanismus
B.s nicht vorgedrungen. Aber das tapfere Ethos des
Morbus Sacer hat den vielen Leidensgefährten und Opfern des
Krieges schon Wichtiges zu sagen, und wer als Theologe mit
der Seelsorge an Hirnverletzten zu tun hat, dem wird das
Büchlein wesentliche Einblicke in die seelische Verfassung der
von ihm zu betreuenden Kameraden vermitteln, wenn auch
sem christlicher Zuspruch noch aus tieferen Quellen als den
hier aufgewiesenen zu schöpfen haben wird.

Münster Joachim Konrad

RELIGIÖSE VOLKSKUNDE

Meisen, Karl, Prof. Dr.: Die heiligen drei Könige und ihr Festtag im
volkstümlichen Glauben und Brauch. Eine volkskundliche Untersuchung
. Köln: Göller L1949J. 62 S. m. 19 Abb. 8°. Kart. DM 3.50.
Die Schrift ist aus einem Vortrag zum Kölner Domjubiläum
1948 hervorgegangen. Sie ist eine volkskundliche
Untersuchung, wie der Untertitel ausdrücklich feststellt. Das
ältere Schrifttum, so die zweibändige Monographie Hugo
Kehrers („Die heiligen drei Könige in Literatur und Kunst",
1908/09), hatte die Stellung der drei Heiligen in Literatur, Geschichte
und Kunst behandelt.

Der erste Teil sammelt die Zeugnisse für Glauben und
Brauch. Dabei kommt ein Reichtum ans Licht, über den der
volkskundlich nicht Beschlagene staunt, mit dem aber der
Eingeweihte immer rechnen konnte. Wieviel Fleiß und Sorgfalt
haben die entlegenen Quellen aufgespürt und dem Leser
zugänglich gemacht! Es werden zwei Gruppen von Vorstellungen
unterschieden: 1. der Glaube an die Hilfe der drei Magier
in Feuer- und Unwettergefahr, bei Krankheiten von Mensch
und Vieh, bei der Erforschung der Zukunft, beim Wiederfinden
von Verlorenem, in Sciiutzbriefen, Flur- und Reisesegen
. 2. Die andere Gruppe wird durch Zeugnisse gekennzeichnet
, die mit dem kirchlichen Brauchtum des Dreikönigs-
tages zusammenhängen: mit den Segnungen von Gold, Weihrauch
und Myrrhe, mit dem Gebrauch der Lichter, der Wahl

des „Bohnenkönigs" in einem verbreiteten Gesellschaftsspiel
u. a.

Der zweite Hauptteil deutet die Glaubens- und Brauch-
tumsformen und versucht, das Alter der Schichten aufzudecken
. Das Ergebnis ist in. E. überzeugend. Die erste Gruppe
(Hilfe in Nöten) ist an die Vorstellung der drei Heiligen als
Magier gebunden, — darum ihre Auflassung bald als Sterndeuter
, bald als Mithraspriester, bald als babylonische Traum-,
deuter u. a. Spätestens seit dem 4. Jahrhundert wuchern diese
magischen Vorstellungen in üppiger Fülle. Die Denkmäler mit
Bildern der Magier gehören bezeichnenderweise der Kleinkunst
an (Amulette, Medaillen, Kästchen), zählen also zu den
apotropäischen Zeichen. Die zweite Gruppe hängt mit der Geschichte
des Epiphanienfestes zusammen, — die Bräuche sind
Nachklänge an die alte kirchliche Feier des 6. Januar, teilweise
auch spätere Wucherungen auf altem Boden. Sie werden
von der Vorstellung der Heiligen als Königen beherrscht.
Diese Könige aber erscheinen als Gestalten des Mythos, der
Sage, des Märchens.

Soweit das Referat über die lehrreiche Schrift. Es ist mir
deutlich geworden, warum das Patrozinium der drei Könige
nur selten begegnet. Gestalten,welche ihre volkstümliche Beliebtheit
der Macht über die niedere Dämoneuwelt verdanken
und die in den Niederungen der Sage bleiben, bringen es nicht
zu der Bedeutung eines Mauritius oder Michael. Daß ausgerechnet
Deutschlands größte Kirche, der Kölner Dom, die drei
Könige zu Schutzpatronen bekam, hat allein darin seinen
Grund, daß 1164 Rainald von Dassel die Gebeine der Heiligen
als kostbares Geschenk seines Kaisers nach Köhl überführte.

Rostock d. Holtz

Hege, Hans u.a.: Fragen bäuerlicher Lebensführung. Drei vortrage.

Tübingen: Furche-Verlag [1948J. 47 S. 8° = Schriftenreihe der Evangelischen
Akademie, hrsg. in Verbindung mit Dr. Reinhold von Thadden und
Prof. D. Dr. Helmut Thielicke von Dr. Eberhard Müller. Reihe II. H.3.
DM 1.80.

Es werden die Themen behandelt „Der Bauer und sein
Besitz", „Unsere Bauernfrauen", „Wir Bauern und unsere
Pfarrer". Die drei Vorträge wurden in Bad Boll bei der Bauerntagung
der Ev. Akademie im Januar/Februar 1946 gehalten.
Sie sprechen die Sprache des Kreiskircheutages, wissenschaftliche
Absichten liegen fern. — Der einzige Versuch, die dorfkirchliche
Lage von heute praktisch-theologisch zu erfassen,
wurde im „Volksmissionarischen Wort" Heft 1/2 1949 (Christlicher
Zeitschriftenverlag Berlin) unternommen.

Rostock O. Holtz

BERICHTE UND

Theologenausbildung in England

Eindrücke von einer Studienreise.

Auf Einladung der C.R.E. (Christian Reconstruction in Europe) habe
ich im vorigen Jahr eine Studienreise durch England durchführen können
und Gelegenheit gehabt, Stätten und Methoden der Ausbildung anglikanischer
Theologen kennen zu lernen. Die gesamten Eindrücke sind zu
mannigfaltig, als daß sie im Zusammenhang eines kurzen Berichtes zusammengefaßt
werden könnten, ihre Auswertung bedarf längerer Zeit. Es erscheint
aber geboten, in aller Vorläufigkeit solche Erfahrungen zusammenzufassen,
die im Vergleich zu deutschen Verhältnissen wesentliche Besonderheiten darstellen
und imstande sind, unsere eigene Theologenausbildung anzuregen und
auszubauen. Ganz gewiß sind die englischen Methoden nicht ohne weiteres
auf deutsche Verhältnisse übertragbar. Es liegt uns auch fern, sie zu idealisieren
, wie auch die englischen Stellen immer wieder selbst ausdrücklich betonten
, daß ihnen nichts daran läge, ihr besonderes Wesen anderen Kirchen
aufzudrängen. Aber es ist außerordentlich hilfreich, im Vergleich mit anderen
das Eigene zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Lange genug hat
uns Deutschen der Blick aus dem Fenster gefehlt.

Einleitend darf gesagt werden, daß ich in England überall mit großer
Gastfreundschaft und brüderlicher Hilfsbereitschaft aufgenommen wurde. Alle
Wege wurden geebnet, alle Wünsche erfüllt, und die erste Frage lautete immer
wieder: What do you want to see? So war der Besucher vollständig frei in der
Wahl seiner Reiseziele und konnte sich unbeeinflußt ein eigenes Urteil bilden.
Die Zurückhaltung der englischen Stellen, die meine Reise gestalten halfen,
in bezug auf die Wertung dessen, was ich zu sehen bekam, berührte außerordentlich
wohltuend und war sehr hilfreich hinsichtlich selbständiger Urteilsbildung
und unvoreingenommener Betrachtung.

Meine Reise führte mich von London über das ökumenische Zentrum
Wistow, wo ich einige Tage des Einlcbens und der Erholung in außerordent-

MITTEILUNGEN

lieh freundlicher Umgebung verbrachte, zunächst nach Oxford. Ich wohnte
dort im hochkirchlichen Puseyhouse und hatte Gelegenheit, verschiedene
theologische und andere Colleges zu besuchen, mir einen allgemeinen Lindruck
vom studentischen und kirchlichen Leben zu verschaffen und mit manchen
Professoren und Pfarrern wie Studenten Zusammen zu sein. Anschließend
ergab es sich, daß ich in Cambridge einen fünftägigen Pfarrerkursus mitmachen
konnte, den das Westcotthouse, ein in der Mitte der kirchlichen Richtungen
stehendes College, für seine früheren Schüler veranstaltete. Etwa
40 Teilnehmer aus allen Teilen Englands waren der Einladung für die fünftägige
Freizeit gefolgt. Die Berührung mit ihnen in der besonders aufgeschlossenen
Atmosphäre des etwas mehr liberal bestimmten Cambridge erwies
sich als besonders fruchtbar. Um den Amtsträger auch in seiner Geineinde-
tätigkeit kennen zu lernen und um nicht nur akademische Eindrücke mitzunehmen
, durfte ich sodann für weitere acht Tage das Leben eines praktischen
Gemeindepfarrers im Herzen Englands im Kohlenrevier von Derbyshire teilen,
hatte aber auch von da aus tägliche Gelegenheit zu Fahrten in die weitere
Umgebung, zur benachbarten Universität Nottingham, zu verschiedenen bedeutsamen
kirchlichen Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Lambeth-
Konferenz und zu allerlei Besuchen bei Pfarrern und anderen Persönlichkeit««.
Einen besonderen Eindruck" anglikanischer Geisteshaltung gewährten mir
einige Tage in dem Kloster Mirfield der Community of Resurrection, deren
Glieder sich zu Armut, Keuschheit und Gehorsam von der Welt zurückgezogen
haben, unter strenger Innehaltung der Horenordnung ein geistlich
bis Ins einzelne geordnetes Leben führen und sich zugleich teils in der theologischen
Erziehung, teils in Heidenmission und Evangelisation betätigen. In
Manchester ergab sich sodann die Gelegenheit, meine bisner wesentlich bei
den Anglikanern gesammelten Eindrücke durch ausgiebige Aussprachen mit
den Methodisten des Hartley Victoria College zu erweitern, und zehn Tage
London nach kurzem Aufenthalt in verschiedenen Großstädten des Industriegebietes
rundeten das Gesamtbild nach der Seite des öffentlichen Lebens ab.