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Ausgabe:

1949 Nr. 12

Spalte:

741-742

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Der Engel des Herrn 1949

Rezensent:

Girkon, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 12

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konstruiert, in der dieser mit klarem Bewußtsein sein gesamtes
bisheriges philosophisches Schaffen als Werk des Antichrist
verdammt. Die außerordentlich komplizierte innere
Entwicklung des späten Solov.jew kann nicht in solcher Weise
auf einen Neuner gebracht weiden. (Ausführliche Besprechung
demnächst in „Zeitschrift für Philosophische Forschung").
Marburg Ludolf Müller

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Weihrauch, Hans R.: Hans BaldUIlg Grien. Mainz: Kupferberg 1948.
20S., 32Taf. 8°= Beihefte d. Sammlung Genius. Kart. DM2.30.

Hans Baidung gen. Grien, der begabteste und am meisten
eigenwüchsige unter den Schülern Albrecht Dürers, ist nicht
nur durch seine vielseitigen künstlerischen Leistungen als
Tafel- und Glasmaler, Graphiker und Illustrator eine der interessantesten
Erscheinungen der Dürerzeit. Seine Persönlichkeit
und seine geistesgeschichtlichc Bedeutung an der Wende
zweier Zeitalter gibt ihm auch eine entscheidende Position in
der Auseinandersetzung zwischen deutschem Humanismus
und Reformation. Baidung ist der erste der großen deutschen
Künstler, der nicht aus handwerklichem Milieu hervorging,
wie noch Dürer und Holbein. Er stammt aus einer angesehenen
schwäbischen Familie von Gelehrten, Ärzten und Juristen.
Und er trat in seiner zweiten Heimat Straßburg in offenbar
sehr enge Fühlung mit den elsässischen Reformatoren. Von
Caspar Hedio, dem Straßburger Münsterprediger, Johannes
Indagine, dem reformatorischen Pfarrer, Astrolog und Chiromanten
, Otto Brunfels, dem Prediger und Botaniker und
dem Musiker Rudalphinger hat er Bildnisse in Holz geschnitten
, die zu den eindrucksvollsten Werken der Holz-
schnittkunst überhaupt gehören. Sein ebenfalls in Holz geschnittenes
Bildnis Martin Luthers ist zwar nach dem berühmten
Cranachischen Lutherbildnis kopiert, erhält aber
seine einzigartige Bedeutung durch die Hinzufügung von
Strahlennimbus und Taube des Heiligen Geistes. In dem für
jene Zeit beispielhaften Ablauf von Baidungs künstlerischer
Entwicklung vollzieht sich selten deutlich die fortschreitende
Loslösung der Kunst von den Themen und dem Geist des
kirchlichen Mittelalters und das Wachsen einer neuen humanistisch
bestimmten künstlerischen Gestaltung, in deren Mittelpunkt
der Mensch als Individuum und Persönlichkeit steht.
Die starke Vitalität und Schönheitstrunkenheit des Künstlers
ist gepaart mit einer tiefen Schau in die dämonischen Hintergründe
des Lebens, das in höchstem Genuß dem Todesschicksal
am nächsten ist. In Baidungs psychologisch oft schon ganz
modern anmutenden Bildnissen, in den tollen Hexen- und
Totentanzphantasien kommt die Tragik im Gewand der Schönheit
zu erregendem Ausdruck.

W. hat in seiner auch typographisch schön gesetzten Einleitung
zu den 32 Bildtafeln knapp und geschickt zusammengefaßt
, was wir über Baidung wissen und was geeignet ist,
sein Werk dem Menschen von heute verständlich zu machen.
Vom Theologischen und Geistesgeschichtlichen her wird man
allerdings manches von dem oben Angedeuteten vermissen
und Kritik anmelden. So z. B. wenn W. in dem Adam-Eva-
Holzschnitt von 1519 das „Bewußtsein der Sünde schlechthin
" ausgedrückt findet, während doch Baidung, der große
Deuter und Gestalter weiblicber Schönheit und Verführungskunst
, hier den Sündenfall nur — allerdings höchst eindrucksvoll
— als leibliches, geschlechtliches Geschehen deutet. Die
Auswahl der Abbildungen, die wegen des mäßigen Papiers
nicht immer befriedigen, teils zu klecksig, teils unscharf ausgefallen
sind, ist klug und gibt einen guten Überblick über das
vielseitige und spannungsreiche Schaffen des oberrheinischen
Meisters.

Berlin Hans Möhle

Der Engel des Herrn. Werke westfälischer Meister nach Aufnahmen von
Annl Borgas. Mit einer Betrachtung von M.Th.Breme. Münster: Der Quell
[1947]. 56 S. m. Abb. kl. 8°. Kart. DM3.75.

Der Titel des sympathischen kleinen Werkes ist irreführend
: es bietet nicht eine Sammlung westfälischer Engel-
Darstellungen, sondern eine durch Abbildungen veranschaulichte
Einführung in das Gebet, das die Bezeichnung „Der
Engel des Herrn" trägt. Nur die kleinere Hälfte der Bildbeilagen
zeigt das Engelthcma. Trotzdem ist die Auswahl der Bilder
durchaus erfreulich, nicht minder, trotz des kleinen For-
niats, ihre Wiedergabe im Druck sowie auch die gesamte typographische
Ausstattung des kultivierten Bändchens. Sehr eindrucksvoll
ist die Gegenüberstellung zweier Darstellungen der
Verkündigung: einer Taufsteinplastik aus dem Anfang des
12. Jahrhunderts von archaisch-herber Strenge und Feierlichkeit
und eines Altargemäldes aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
mit allem Zauber gotischer Zartheit und Innigkeit —
magische Repräsentation und mystische Kontemplation als
Ausdruckspole bildenden Betens! Das Gebetbüchlein ist ein
dankenswerter Versuch, das christliche Gebet der Gegenwart
aus der Isolierung in der Rede in den Bereich des Schauens
zu überführen, auf daß meditative Anschauung dem Wort verlorene
Wesentlichkeit und Wirklichkeitskraft zurückgewinnen
möge. Wenn es auch für katholische Christen bestimmt ist,
wird es zweifellos auch dem aufgeschlossenen Protestanten
Wertvolles zu bieten haben. Es erweist sich hier von neuem,
daß die Una Sancta auf dem Gebiet des Bildsymbols noch vorhanden
oder doch weit eher zu verwirklichen ist, als im Raum
des Dogmas und der Gedanklichkeit. Eine kleine Schwäche
ist das letzte Bild, die einzige Wiedergabe eines modernen
Werkes, das die weitverbreitete tragische Abhängigkeit heutiger
christlicher Kunst von byzantinischen und andern Vorbildern
repräsentiert, die in psychologischer Verdünnung nachgebildet
werden.

Soest Paul Oirkon

Gravenkanip, Curt: Marienklage. Das deutsche Vesperbild im vierzehnten
und im frühen fünfzehnten Jahrhundert. Aschaffenburg: Pattloch
[1948]. 62 S., 25Taf. 8°=; Maria in Werken der Kunst. Eine Bücherreihe
über das Marienbild, hrsg. v. Adriane Heimendahl. Bd. I. Kart. DM 5.50.
Hier wird gezeigt, wie, entsprechend der immer subjektiver
werdenden Zeitströmung, die mit dem 14. Jahrhundert
einsetzenden „Andachtsbilder" Schmerz und Minne bekunden,
oder, mit einem schlagenden Bildwort Huizingas zu reden,
„den Duft von Blut und Rosen". Dabei erwachsen aus den
Darstellungen der Passion des Herrn die Jesus-Johannes-
Gruppe und das Vesperbild. Dem letzteren wendet sich das
Büchlein zu im Anschluß an die Monographie von Elisabeth
Reiners-Ernst, Das freudvolle Vesperbild und der Anfang der
Pieta-Vorstellung 1939. Dabei findet besonders Beachtung
eben dieses „freudvolle" Vesperbild im Hinblick auf eine neuentdeckte
Gruppe in Schweizer Privatbesitz aus der Wende
des 13. Jahrhunderts: eine lächelnde Maria hält den Sohn
im Schoß, ein Gedanke, der sich dann auch bei Heinrich Seuse
findet, sich aber bis ins n. Jahrhundert zurückverfolgen läßt.
Aber freilich sind diese Gruppen nur Ausnahmen. In der
Hauptsache sind die Vesperbilder von tiefem Leid erfüllt. Doch
wie sich die Menschheit zu Anfang des 15. Jahrhunderts von
ihren physischen und psychischen Schwächen zu erholen begann
, wird auch die Maria der Vespergruppe „schön". Der
Christuskörper bekommt eine streng waagerechte, d. h. ausgewogene
Haltung, das private Andachtsbild erhebt sich
schließlich zum Kultbild. Der Ursprung wird in Böhmen gesucht
. Die beigegebenen 25 Abbildungen werden psychologisch
genau analysiert, feinsinnig, bisweilen tiefsinnig — ihre
Schnitzer würden das vielleicht nicht immer verstanden
haben, was von ihnen hier gesagt wird. Der Verf. rangiert die
einzelnen Plastiken Jahrzehnt für Jahrzehnt ein: ich bewundere
seinen Mut. Leider bricht die Untersuchung mit dem
Anfang des 15. Jahrhunderts ab. Man würde für die Folgezeit
lehrreich beobachten können, wie die Gestalt des toten Heilandes
dem Boden immer näher kommt, das Erdgewicht zieht
immer mehr an. Die Renaissance meldet sich mit ihrer Hori-
zontgebundeuheit zum Worte.

Erlangen H. PreuB

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Barth, Karl: Die Botschaft von der freien Gnade Gottes. (These6 der

Barmer Erklärung.) Stuttgart: Kohlhammer 1948. 35 S. 8°= Kirche für

die Welt. Eine Schriftenreihe. 14. H. Kart. DM 1.20.

Wie alle Schriften Barths: glänzend und wortreich im
Stil, anpackend, oft fortreißend, und scharf in der Polemik.
Freie Gnade ist das Wesen Gottes (7). Für die Botschaft der
Kirche ergeben sich nach B. u. a. folgende Konsequenzen: Sie
kann „nicht von irgenwelchen menschlichen Bedürfnissen, Anliegen
, Sorgen, Nöten und Problemen ausgehen" (10). Sie kann
„mit keinen auf Seiten des Menschen aufzuweisenden Eignungen
, Kapazitäten, Anknüpfungspunkten u. dgl. und auch
mit keinen ins Gewicht fallenden menschlichen Vorschußleistungen
und Meriten rechnen" (12). Darum bleibt es eine
„vermaledeite Abgötterei, sein Opfer in einem von menschlichen
Händen dargebrachtenOpf er wiederholen zu wollen .. .—
ihm, dem Herrn seiner Kirche, einen menschlichen Vikar zuzugesellen
— dem Menschen eine solche Begnadung zuzuschreiben
, kraft welcher er weitere Gnade für sich selber und
andere erwerben könnte" (14). Und „die Geschichte und über-