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Ausgabe:

1949 Nr. 12

Spalte:

740

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Szyłkarski, Wladimir

Titel/Untertitel:

Sołowjew und Dostojewskij 1949

Rezensent:

Müller, Ludolf

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739

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 12

740

beheimatet und deren Förderung der Sinn der Kulturentwicklung
ist.

Es muß gefragt werden, ob bei einer solchen Fassung des
Grundgedankens die Schrift Kirejevskijs, die ihn auch nach
dem Urteil B.s nur sehr inadäquat ausdrückt, wirklich bleibenden
Wert für uns hat. Nicht die harmonische Persönlichkeit
des deutschen Humanismus ist das Ideal K.s, sondern die
durch den Heiligen Geist geschenkte Ganzheit des christlichen
Lebens. Der Ansatzpunkt der Kritik K.s ist, daß er dieses
Ideal in der westlichen Welt so wenig verwirklicht findet, und
von hier aus gesehen hat diese Kritik — besonders etwa diejenige
der westlichen Kirchen- und Geistesgeschichte — m. E.
doch eine höhere Bedeutung, als B. ihr beilegen möchte, ganz
abgesehen von dem eigenartigen Reiz, den jeder Blick von
draußen auf unsere geistige Heimat für uns hat. Vielleicht
darf man die schöne Ubersetzung für noch wertvoller halten
als der Ubersetzer selbst es tut.

Spuler, Bertold, Dr.: Die Gegenwartslage der Ostkirchen in ihrer völkischen
und Staatlichen Umwelt. Wiesbaden: Metopenverlag 1948.
180 S.= Bücher des Wissens Band 6.

Der bekannte Orientalist gibt einen umfassenden Uberblick
über die Gegenwartslage der orthodoxen Kirchen des
Ostens und der aus ihnen hervorgegangenen getrennten
Nationalkirchen der Nestorianer, Monophysiten und Maro-
niten. Ein umfangreiches Material ist aus vielen bibliographisch
wie auch sprachlich schwer zugänglichen Zeitschriften
usw. zusammengetragen worden. Die ältere Geschichte der
verschiedenen Kirchen ist soweit berücksichtigt, als es zum
Verständnis ihrer Gegenwartslage erforderlich ist. Von besonderem
Interesse ist die ausführliche Darstellung der neueren
Entwicklung der russischen Kirche. Ein ausführliches Register
macht das Buch zu einem bequemen Nachschlagewerk. Das
Literaturverzeichnis ist leider allzu knapp.

Dokumente der orthodoxen Kirchen zur ökumenischen Frage. Heft 1:

Die Moskauer Orthodoxe Konferenz vom Juli 1948. Hrsg. vom Kirch!.
Außenamt der EKD. Witten/Ruhr: Luther-Verlag [1949j. 79 S. 8°. Kart.
DM 2.40.

Das kirchliche Außenamt der Evangelischen Kirche in
Deutschland vermittelt einer breiteren Öffentlichkeit die
Kenntnis der offiziellen Stellungnahme der Moskauer Kirche
zu den entscheidenden Fragen der Gegenwart (Verhältnis zum
Vatikan, zur ökumenischen Bewegung, zur anglikanischen
Hierarchie). In den Anlagen werden wichtige Dokumente zum
Verhältnis von Kirche und Staat in der Sowjet-Union seit 1917
zusammengetragen.

Die Herausgeber enthalten sich der Stellungnahme zu den
einzelnen Dokumenten, die nach Ton und Inhalt sehr verschieden
sind, und fordern nur auf zur ernsten Prüfung, die
gerade im Zeitalter der ökumenischen Bewegung den Lebens-
äußerungen einer Schwesterkjrche niemals versagt werden
sollte.

Orthodoxie und Evangelisches Christentum. Studienheft Nr. 1. Hrsg.

vom Kirchl. Außenamt der EKD. Witten/Ruhr: Luther-Verlag 1949. 87 S.
8°. Kart. DM2.40.

In einer zweiten Veröffentlichung zur Problematik der
orthodoxen Kirche, besonders der Kirche Rußlands, hat das
Kirchliche Außenamt der EKD eine Reihe von Vorträgen
herausgegeben, die im März dieses Jahres auf einer vom Kirchlichen
Außenamt einberufenen Tagung gehalten wurden. Der
Vorsitzende des Außenamtes, Kirchenpräsident D. Niemöller,
weist im Vorwort auf die auch von kirchlicher Seite stark
empfundene Notwendigkeit einer genaueren Kenntnis des
Ostens hin. Deutschland als Land der Mitte hat seiner Uberzeugung
nach hier eine besondere Aufgabe. Das Heft enthält
folgende Referate: Prof. Philipp-Mainz: „Die orthodoxen
Kirchen als Frage der EKD an die deutsche Wissenschaft und
der wissenschaftliche Befund". Prof. Benz-Marburg: „Beziehungen
zwischen den deutschen Reformationskirchen und
den Orthodoxen Kirchen von der Reformation bis zum
19. Jahrhundert". Dr. Ludolf Müller-Marburg: „Orthodoxe
Kritik am Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert". Prof.
Wolf-Göttingen: „Die Moskauer Botschaft über die Einheit
der Kirche vom Juli 1948". Harald von Rautenfeld-Hannover:
„Die zeitgeschichtlichen und ökumenischen Zusammenhänge
der Moskauer Botschaft seit der Jahrhundertwende".

Onasch, Konrad: Geist und Geschichte der russischen Ostkirche.

Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1947. 95 S.

Das Büchlein von Onasch ist das Gegenstück und in mancher
Hinsicht eine glückliche Ergänzung zu Bonwetschs
„Kirchengeschichte Rußlands", der es auch an Umfang etwa

gleich ist. Onasch verzichtet auf alles, was bei Bonwetsch zu
finden ist: Daten, Namen, Ereignisse. Es geht ihm um das
Erfassen des Geistes der russischen Kirche und der Geschichte
dieses Geistes, nicht aber der der kirchlichen Institution
: Puskin, Belinskij und Tolstoj spielen für ihn eine
größere Rolle als Fotij und Filaret. Die Hauptlinien der
geistesgeschichtlichen Entwicklung des russischen Christentums
sind lebendig und kräftig gekennzeichnet. In vielen
Einzelfragen kann man anderer Meinung sein als der Verf.,
was bei der großzügigen Art der Darstellung nur natürlich ist.
Vor allem wichtig erscheint mir die Frage, ob das „russische
Wesen" eine so feste und bekannte Größe ist, daß man bei
einer solchen Darstellung von ihm ausgehen kann, und ob
dieses „russische Wesen" dann gar als Sonderform eines umfassenderen
„östlichen" Menschentums verstanden werden
darf.

Onasch, Konrad: Gott schaut dich an. Briefe über die altrussische Ikone.
Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1949]. 47 S., 20Taf.

Die gleichen Fragen müssen dieser mehr ikonosophischen
als ikonographischen Arbeit Onaschs gegenüber angemeldet
werden. Auch hier wird vielleicht zuviel von der „harten,
weiten russischen Seele" und den „Tiefen des geprüften, aber
gläubigen Herzens" des „durch die maßlose Not der Tatarenzeit
gegangenen Russen" gesprochen (übrigens darf man sich
auch von dieser Not keine übertriebenen Vorstellungen
machen!). Onasch möchte „alle theologischen und überhaupt
gemeineuropäischen Bedenken und Ressentiments ganz dahinten
lassen" (S. 40) und meint, von hier aus den doch wirklich
sehr wesentlichen Unterschied von Pantheismus und
Panentheismus als Bagatelle beiseite schieben zu können
(S. 9), während Rilke, Ludwig Klages, Leopold von Ziegler,
die doch auch „gemeineuropäisch" sind, bei der Prägung der
ikonosophischen Begriffssprache gern zu Hilfe gerufen werden.
Wirklich wertvoll und das Gelungenste des Büchleins ist das,
was der Verf. die „meditative Erschließung" der dem Heft
beigegebenen Ikonen-Reproduktionen nennt. Es wäre zu
wünschen, wenn er auf diesem Wege weiterginge und uns
weitere Ikonen in theologischer Interpretation erschlösse.

Szylkarski, Wiadimir: Solowjew und Dostojewski]. Bonn: Oötz
Schwippert-Verlag 1948. 72 S.= Kleine Schriften aus der Sammlung Deus
et Anima, Erste Schriftenreihe, H. 2.

Der Altmeister der Solowjew-Forschung gibt in dieser
Studie, die eine Erweiterung seiner Bonner Antrittsvorlesung
ist, eine neue Darlegung seiner Theorie, daß die von Dosto-
jewskij im „Großinquisitor" und von Solowjew in den „Vorlesungen
zum Gottmenschentum" vollzogene Anwendung der
Geschichte von der Versuchung Christi auf die Kirchenge-
schichte zuerst von Solowjew vollzogen sei. Weiterhin schildert
Sz., wie Solowjew nach dem Tode Dostojewskijs über
das Slawophilentum hinausgewachsen ist zu einem ökumenischen
Christentum, und er stellt die Stufen dieser Entwicklung
dar. Die Problematik dieses Fragenkomplexes ist ausführlich
behandelt in meiner Schrift „Solowjew und der Protestantismus
", zu der Sz. ein ausführliches, kritisches Nachwort
geschrieben hat und die demnächst im Logos-Verlag erscheinen
wird. Die vorliegende Schrift Sz.s ist besonders wertvoll
auch durch ausführliche Zitate aus wenig zugänglichen
Werken Solowjews.

Fjodorow, O.: Die Religion in der UdSSR. Berlin: Verlag der Sowjetischen
Militärverwaltung in Deutschland 1947. 46 S.

Das Büchlein schildert in populärer Darstellung das Verhältnis
der Sowjetmacht zur Religion. Die wichtigsten Dokumente
der sowjetischen Kirchengesetzgebung werden in Ubersetzung
mitgeteilt. Die grundsätzliche Religionsfeindschaft des
Kommunismus wird zugegeben, aber gleichzeitig gezeigt, daß
bei der Bekämpfung der Religion in Rußland ohne jede Gewaltanwendung
, vor allem durch die „Erziehung der Menschen
im Geiste einer wissenschaftlichen Weltanschauung", und mit
Vorsicht und Takt vorgegangen wird.

Lieb, Fritz: Die Selbsterfassung des russischen Menschen im Werke

Dostojewskijs und Solowjews. Berlin: Chronos-Verlag 1947. 38 S.

Unter diesem Titel hat der Verf. zwei Kapitel seines vielumstrittenen
Buches „Rußland unterwegs" noch einmal herausgegeben
. Der erste Aufsatz bringt eine eindringende Interpretation
der „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" und zeigt
die Linie, die von diesem Werk zu den „Brüdern Karamazov"
führt. Nur wird Dostojewskij etwas zu stark von den Kategorien
der dialektischen Theologie her interpretiert. Noch
mehr ist dies der Fall in dem Abschnitt über Solowjew. Es wird
hier eine „letzte Periode" im Denken und Schaffen Solowjews