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Ausgabe:

1949 Nr. 12

Spalte:

738-739

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Govorov, Georgij V.

Titel/Untertitel:

Russische Frömmigkeit 1949

Rezensent:

Müller, Ludolf

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 12

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Gern erkennt man den Fleiß und das eifrige Bemühen
Börnhausens an, einzelne Situationen der letzten Kapitel der
Evangelien dadurch anschaulicher zu machen, daß er den einzelnen
Worten der Berichte eine oft überspitzte Beachtung zuwendet
. Selbstverständlich trifft er damit gelegentlich auch
bislang übersehenes Richtiges; aber es tritt daneben dann
auch mancherlei zutage, was keine überzeugende Wucht hat.
Wenn man das Buch mit viel Kritik liest, dann wird es gewiß
manchen Gewinn abwerfen — vor allem, und damit kommen
wir auf den eingangs gegebenen Hinweis zurück, wird der
Pfarrer, der sich zu Passionsgottesdiensten rüstet, daraus Anregung
bekommen, über diese und jene Partien der biblischen
Texte nicht schnell hinwegzulesen, sondern sich in die Worte
und Begriffe in vertieftem Nachdenken zu versenken. Hierzu
anzuregen dürfte ein Verdienst des Verf.s sein, das man ihm
als Wert auf praktisch-theologischem Arbeitsgebiet verbuchen
soll.

Marburg Alfred Uckeley

KIRCHENGESCHICHTE: LUTHER

Luther, Gestalt und Glaube. Mit Beiträgen von Rektor H. Dietzfelbinger,
Lic. K.Frör, Oberkirchenrat D.J Schlcder, Prof. D. Dr.W.Trillhaas, Kirchenrat
F.Veit. Hamburg: Reich & Heidrich [19481. 143 S. 8°= Menschen unter
Gottes Befehl. Lebensbilder und Zeugnisse persönlicher Christusbegegnung.
In einem hübschen Bändelten ist ein Zyklus von fünf Vorträgen
vereinigt, die auf einer Luther-Woche gehalten wurden.
W. Trillhaas: Luthers Persönlichkeit. — J. Schieder:
Luthers Glaube, Luthers Ehe. — H. Dietzfelbinger: Luther
und sein Herr Christus. — K. Fror: Luthers Ja zur Welt. —
Fr. Veit: Die Musik in Luthers Leben und Werk. — Gemeindevorträge
sind keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Dieser
Charakter ist auch im Druck beibehalten worden. Es fehlt deswegen
jeder wissenschaftliche Apparat und Zitationsnachweis
. Das ist verständlich, aber doch zu bedauern; denn sämtliche
Vorträge reizen geradezu an, nach Luther selbst zu
greifen. Der alle Vorträge erfüllende Grundzug ist eine Leidenschaft
zur Sache, ohne daß dadurch eine ertötende Monotomie
entsteht. Ja, der kritische theologische Leser wird nicht ohne
Humor bemerken, wie Luther dann und wann nicht im eigenen
Gewand seiner Theologie, sondern in dem neuen einer ihm
noch unbekannten Theologie erscheint. Es ist nicht möglich,
jeden der einzelnen anregenden, gehaltvollen Vorträge zu
wiederholen. Es muß genügen, wenn wir drei Beispiele herausgreifen
. Wer die Literatur über Luthers Persönlichkeit kennt,
der wird zugeben, daß Trillhaas nach Inhalt und Form ein
originelles Meisterstückchen geliefert hat. Er zeigt die Gegensätze
, die sich in Luthers Charakter spannen: Das Komplizierte
und das Einfache, das Geistliche und das Weltliche, das
Selbstbewußtsein und die Selbstbescheidung und bindet sie
in der höheren Einheit der Sache. In gleicher Höhe, sprachlich
und inhaltlich, bewegt sich von einer ganz anderen Seite
her der Vortrag von Dieizfelbinger: „Luther und sein Herr
Christus". In diesem Thema schlägt das Herz des Glaubens
und der Theologie Luthers. „Luthers Leben ist nicht ohne
Christus zu denken und auch sein Werk nicht ohne Christus
vorstellbar." Mit sicherem Griff hebt der Verf. die edelsten
Schätze aus Luthers Schrifttum heraus und versteht es, in
systematischer Kraft von der das ganze Leben und Werk des
Reformators tragenden Lebendigkeit des christlichen Glaubens
zu zeugen. Wenn wir zu dem „Biographischen" und „Theologischen
" noch ein gleichgewichtiges „ethisches Beispiel"
aktueller Lutherverwendung hinzufügen dürfen, dann sei auf
den Vortrag Schiede»; „Luther und die Ehe", verwiesen. Hier
laßt ein Seelsorger den großen Seelsorger in all den einzelnen
Fragen der Ehe — Luthers eigene Ehe, Ehe und Kinder, Ehelosigkeit
, Ehe und Leid — in seiner ganzen lebendigen Fülle
und Kraft zu Worte kommen.

Es gibt in der Gegenwart in neuer Weise einen Kampf
uni Luther; deshalb verdienen diese ganz unpolemischen, positiven
Luther-Vorträge eine weite Verbreitung.

Erlangen Theodor H e c k e I

Luther, Martin: Der deutsche Psalter. Hrsg. v. Dr. Fritz Schmitt. Nürnberg
: Verl. Hans Carl [19481. 205 S., 1 Titelbl. kl. 8°= Geleit des Geistes.
Kart. DM3.50.

Die vorliegende handliche Ausgabe will nichts anderes
sein als eine möglichst getreue Neuausgabe des Psalters,
deutsch von 1524. Das Teilbändchen gehört in einen größeren
Plan hinein, der das Ziel verfolgt, die Biblia deutsch von
IX M. Luther in der Ausgabe von 1545 wieder zugänglich zu
machen. Und zwar in der ursprünglichen Sprachgestalt, Phonetik
und Rhythmik. Uber Ziel' und Verfahren spricht sich

der Herausgeber in einem Nachwort aus. Im Vordergrund
stehen betont die sprachlichen Gesichtspunkte. Wir können
uns nur freuen über das Verständnis für die Sprachgewalt und
Sprachform Luthers. Der heutige Sprachrationalismus, der in
der Sprache nur ein technisches Verständigungsmittel sieht,
kann nur dann überwunden werden, wenn die metaphysische
Tiefe der Sprache wieder ergriffen wird. Daß dies in der
Sprachauffassung Luthers, in der Dolmetschung der Bibel, der
Fall ist, ist nicht zu bezweifeln. Daß es eine sonderliche Aufgabe
ist, nicht in Altertümelei zu verfallen und doch die Patina
und den Sprachklang zu bewahren, weiß der Herausgeber
. Wir wollen nicht darüber rechten, ob die Maße ganz
ausgewogen sind. Aber eines bedauern wir, daß die überaus
köstliche Vorrede Luthers zum Psalter deutsch fehlt. Wir
hoffen, daß dies bei einer Neuausgabe nachgeholt wird und
daß bei den anderen Bibelteilen Luthers Vorreden nicht fehlen.
Denn Luther ist als Dolmetscher der Bibel nie nur ein Meister
der Sprache, sondern immer zugleich der Ausleger der heiligen
Schrift.

Erlangen Th.Heckel

Praesent, Wilhelm: Alles ist Wunder. Martin Luther beschaut die
Schöpfung. Mit Bildern von W. Harwerth. Kassel: Johannes Stauda-Verlag
[1948]. 56 S. kl. 8°.

Ein wahrhaft beglückendes Büchlein! Voran geht eine
ausgezeichnete Einführung des Herausgebers, die es verdiente
, allgemein bekannt zu werden (Lesebücher!). Sie betont
insbesondere, daß Luther keine „Natur" kannte, „dieses
seltsame, von Menschen auf dem Rückzug von Gott erfundene
und vorgeschobene Scheinwesen", sondern nur Gottes Kreaturen
, seine Schöpfung, seine Wunder. Es folgen bekannte
Lutherworte über Himmel und Erde, den Menschen, Tiere und
Pflanzen in vielseitiger Auswahl. Die meisten Zitate sind mit
sinnigen Federzeichnungen aus der Schule Rudolf Kochs
geziert. In einer Zeit, da die verzwickte Problematik des Tages
auch das Thema „Luther" übersponnen hat, erscheint das
Büchlein wie eine erquickende Oase — für Erwachsene, die
nach dem Worte Jesu Kinder sind.

Erlangen H. Preuß

KIRCHENKUNDE: DIE OSTKIRCHE

Bubnoff, Nicolai von: Russische Frömmigkeit. Briefe eines Starzen.

Aus dem Russischen übersetzt, elngel. u. hrsg. Wiesbaden: Metopenverlag

1947. 179 S. = Bücher des Wissens Band 1.

Das Buch bringt in der Einführung eine kurze Darstellung
der Entwicklung des Starzentunis, wobei mit vollem Recht
auf gewisse Entstellungen des Bildes dieser Bewegung durch
Dostojevskij hingewiesen wird. Es folgt in vorbildlicher Übersetzung
eine Briefreihe des Staretz Feofan Zatvomik (1815
bis 1894) an eine Dame der hohen russischen Gesellschaft aus
den Jahren vor 1860. Die Briefe machen sowohl die Grenzen
des Starzentums deutlich (eine gewisse Rückständigkeit der
philosophischen und theologischen Anschauungen, Unberührtheit
von den schweren sozialen Fragen der Zeit usw.), wie auch
seine überzeitliche Bedeutung in der Praxis der Seelenführung
aus dem Zentrum des östlichen Christentums, dem Glauben
an die lebenschaffende und verwandelnde Kraft des Heiligen
Geistes heraus. Für den westlichen Leser wären einige erklärende
Anmerkungen von Nutzen gewesen.

Kirejewskl, Iwan w.: Rußland und Europa. Übers, und mit einem

Nachwort hrsg. von Nicolai von Bubnoff. Stuttgart: Klett [1948]. 77 S.=
Ankerbücherei Band 14.

In einem schmucken Bändchen legt Bubnoff den Aufsatz
Kirejevskijs „Uber den Charakter der Bildung Europas
und ihr Verhältnis zur Bildung Rußlands" (1852), der zur
Charakterisierung der slawophilen Bewegung von großer Bedeutung
ist, in leicht gekürzter Ubersetzung vor (S. 5—5,6). In
einem Nachwort versucht der Übersetzer, die wesentlichsten
Mängel, aber auch die überzeitliche Bedeutung der Schrift
Kirejevskijs zu zeigen. Er wirft dem Russen vor allem die Willkür
seiner Geschichtskonstruktion und die Reduzierung der
abendländischen Kultur auf die allzu einfache Formel der
„Uberzüchtung der abstrakten Vernunft" vor und zeigt die
Unzulänglichkeit der Kritik an Europa und der Idealisierung
Rußlands durch K. Die Bedeutung der Schrift und überhaupt
des Slawophilentums sieht er einerseits in dessen Wirkungen
auf die russische Geistesgeschichte bis in die Gegenwart hinein
, andererseits aber in dem noch heute gültigen Grundgedanken
von der harmonischen Geschlossenheit der Persön-
liclikeit, deren Kern in der metaphysisch-religiösen Sphäre