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Ausgabe:

1949

Spalte:

730-731

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lange, Kurt

Titel/Untertitel:

Götter Griechenlands 1949

Rezensent:

Herter, Hans

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729

Theologische Literaturzeitung 194g Nr. 12

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„Deutschen Christen" „Sammelbecken des gesamten Liberalismus" (36) gewesen
seien, ist notorisch unrichtig. Die Fronten des Kirchenkampfes deckten
sich mit keiner bestehenden theologischen Richtung. Mindestens einseitig ist
die heute viel gehörte Auffassung, daß die Unionen „offiziell die Wahrheitsfrage
annullierten". Die Wirklichkeit ist hier viel differenzierter. Unionen haben
— ich denke besonders an die von O. geschmähte altpreußische Kirche — die
Wahrheitsfrage gerade auch wachgehalten. Daß die „DC-Bewegung gerade
In den Konfessionskirchen auf den hartnäckigsten Widerstand" stieß (41),
trifft jedenfalls auf die lutherischen Kirchen Schleswig-Holsteins, Braun-
schweigs, Mecklenburgs und Sachsens (von Thüringen zu schweigen) nicht zu.
Zu fragen bleibt schließlich, ob das Thema dem Verf. nicht Fragen nahelegen
mußte wie die: Welche Gefahren liegen innerhalb einer positlvistisehen
Orthodoxie? Was bedeutet es, wenn durch eine morphologische „Schau"
der Kirche die Wahrheitsfrage relativiert wird? Und was bedeutet eine darauf
fußende bürokratisch-zentralistische Kirchenpraxis? Liegt hier etwa ein Zug
zum N. oder — mit Baader zu sprechen —zum „Obskurantismus" vor? Oder
Ist es verboten, überhaupt so zu fragen? Und hält O. diese ernsten Fragen
vielleicht für einen Scherz?

Welche Aufgaben ergeben sich aus dem bisher Erkannten
für die künftige theologische Erfassung unsere? Pro- '
blems: historisch (1), systematisch (2), praktisch (3) ?

1. Historisch wird stärker als bisher der positive Ansatz
des N. zu veranschlagen sein. Benz hat uns hier auf
Entscheidendes aufmerksam gemacht. Für den Kampf des
Menschen um Redlichkeit gegenüber heuchlerischer Konvention
sind die Dokumente des östlichen N. — etwa die Memoiren
Kropotkins — besonders aufschlußreich. Ein elementar
humanistisches Element gibt den Ausschlag: der Mensch soll
zur Menschlichkeit erweckt werden. Der ursprüngliche N. ist
der Anwalt der Humanität und der Vitalität. Ich selbst habe
bei der Analyse der Gegenwart darauf hingewiesen, daß alle
wesentlichen Existenzfragen, vor allem die«der Daseinsordnung
, solange schief gesehen werden, als man die positive Tendenz
des N. ignoriert.1 Hier erhebt sich zugleich das, was den
N. überhaupt zum Problem macht — die Frage: Woran
liegt es, daß der N. in seinem Vollzuge den Umschlag in die
Negation darstellt? Die gute Absicht bewirkt ja das Böse,
die Wahrheit wird in Lüge, die Humanität in Bestialität verkehrt
usw. Diese Frage ist weder geistesgeschichtlich noch
existenzphilosophisch zu beantworten.

2. Hier wäre es Aufgabe der systematischen Besinnung
, den N. mit dem biblischen Kerygma von Gott, Welt und
Mensch zu konfrontieren. Das eschatologische Weltverständnis
im allgemeinen — im Unterschied zur ,, Apokalyptik"!
— und die Aussagen des NT über die „Mächte und Gewalten"
im besonderen bedürften in diesem Zusammenhange einer sorgsamen
Interpretation.2 Aber auch hier muß man sich ebenso
vor kurzschlüssigen Identifizierungen wie vor allzu gefälligen
Formulierungen hüten. Zu berücksichtigen wäre u. a. das
merkwürdige Phänomen, daß der N. eine objektive Gesinnungsatmosphäre
schafft, die den Einzelnen wie die Massen
unter Uberspringung des positiven Ansatzes handeln läßt.

3. Das praktische Ergebnis der Besinnung dürfte darin
bestehen, den modernen N. als neuartige Form einer „alten",
d. Ii. ständigen Existenzgefährdung des Menschen —, und.
zwar jedes, also auch des christlichen Menschen 1 — zu verstehen
. Der echte Vertreter des N. bin jeweils — ich selbst.
Zuerst ist daher die Kirche zur Buße zu rufen. Ob sie willig
ist und fähig wird, der dem Gericht entgegenlaufenden Welt
Gottes Gesetz und Evangelium zu sagen, hängt davon ab,
ob ihr die Vollmacht des echten Exorzismus geschenkt wird.
Dem N. — intra et extra muros — gegenüber hat nämiich nur
der aus der Bußfertigkeit kommende Bußruf Verheißung.
Denn „diese Art fährt nicht aus denn durch Beten und Fasten"
(Matth.17, 21).

') Das Evangelium und die öcgenwart, Berlin 1948. S. 19 ff.
*) Vgl. ineine kurze Skizze a. a. O., S. 27 ff.

R EUG IONS WISSENSCHA ET

Gunsser, iise-Lore. Worte derWeisheit aus heiligen Schriften Indiens.

Essen: Dr. Hans v. Chamier [1948]. 174 S. 8°= „Zeit und Leben im Geiste
des Oanzcn". Oeb. DM G 80.

Auf 135 Seiten bringt das Buch 43 ausgewählte Stücke
aus den Upanishaden (1), die Kosmogonie aus dem Gesetzbuch
des Manu (1), aus dem Mahabharata (21), aus dem
Ramayana (12), aus dem Bhagavatapurana (3) und aus dem
Visnupurana (5), nichts aber aus der Bhagavadgita, weil diese
in Europa am ehesten bekannt, jedenfalls aber in vielen guten
deutschen Ubersetzungen leicht erreichbar sei. Uber die getroffene
Auswahl, die unerwarteterweise auch ein durch die
vorausgegangene Stoffabgrenzung ausgeschlossenes Upani-
-shadenzitat gleich an erster Stelle bringt, lohnt es sich um so
weniger zu rechten, als es sich um eine Auswahl unter einer
bestimmten Zielsetzung handelt. Die Helden der epischen
Werke sollen gehört werden „über das Dasein, das Wesen des
Göttlichen oder über ihr Geschick". Dabei sollen sie nach dem
Willen der Verfasserin nicht nur für sich sprechen, sondern
auch für den fragenden Menschen überhaupt und heute, in
dessen Suchen und Sehnen, Mühen und Streben nach der
Wahrheit es überall immer um „dieselben Fragen" gehe. An
Hand der gewählten Texte soll der Leser „jenen (indischen)
Weg gehen und unser Ringen und unser Fragen in ihnen
wiedererkennen" (S. 8, 15). Um „zu größerer Klarheit und Erkenntnis
des Geheimnisses unseres Menschseins" zu kommen,
wird der mit indologischem Wissen nicht vorbelastet gedachte
Leser auf 21 Seiten in einer der Zielsetzung entsprechenden
Gedankenreihe in den Sinn der Auswahlstücke eingeführt.

An dem christlich orientierten Leser wird das Ziel nicht
erreicht: weil die angerührten Fragen seine Hauptfragen auslassen
und die gegebenen Wegweisungen und Antworten z. B.
über „das gnädige Walten des Sonnengottes", über das Wesen
Gottes und der Götter, über die Seelenwanderung und den
Erlösungsweg, das Wesen der Frau („göttliche Tmggcstalt")
und den Leib zwar interessant, aber nicht ausreichend sind.

Drei Vierteile der Texte werden in Versen dargeboten. Die alte Frage,
wie indische Verse am besten in deutscher Sprache wiederzugeben sind, wird
so gelost: auf das uns fremde und nicht nachbildbare indische Versmaß wird
mit Recht verzichtet; es wird „der Versuch gemacht, den einzelnen Stücken
die äußere Form zu geben, die ihr Inhalt und ihre gesamte Gestaltung zu verlangen
schienen"; es wird eine gehobene Prosa gewählt und „häufig zu freien
Rhythmen übergegangen", die „sich der Freiheit des germanischen Verses bedienen
" (S. 155). Trotz der mir hier erstmalig begegnenden Darstellung einiger

Beispiele auf gut sechs Seiten In Notenschrift gelingt der Nachweis nicht, daß
damit das Rechte geschehen sei. Den Versen fehlt weithin die Lesbarkeit und
Flüssigkeit. Daran ist u.a. auch die oft seltsame Wortstellung schuld.

Einige Proben: .....und das Wirken sein

geschaffen so wird" (S. 47);
„ . . . anschließen will ich
nun auch Euch mich" (S. 66);
„ . . . was jenem auch gewährt
durch den Schöpfer wird" (S. 71);
„ . . . vollbringen möge
dieses auch man" (S. 102).
Otto v. Glasenapp bat in seinen „Indischen Gedichten aus vier Jahrtausenden
" sehr eindrucksvoll gezeigt (S. 20 fi., 148), daß der aus zwei reimlosen
sechzehnsilbigcn Versen bestehende Shloka flüssiger, angemessener und darum
auch wirkungsvoller wiedergegeben werden kann, als es hier geschehen ist.

„Thcopantisnius" an Stelle des bisher üblichen „Theopanismus" auf
Seite 169, so neuerdings auch bei Helmuth von Glasenapp (Der Stufenweg
zum Göttlichen Seite 131), ist keine notwendige Neubildung.

Dresden Arno Lehmann

Lange, Kurt: Götter Griechenlands. Meisterwerke antiker Münzkunst.
Berlin: Gebr. Mann [1946|. 135 S., davon 72 Bildtafeln, gr. 4°. Lw. DM 15.—
Ein wenig später als die in dieser Zeitschrift 10,41, 322
besprochene numismatisch-religionswissenschaftliche Publikation
von L. und M. Lanckoronski erschien 1941 das an Bildmaterial
viel reichere Buch von K. Lange, das 1946 trotz ungünstiger
Zeitverhältnisse in prächtiger Ausstattung und sogar
mit einer noch größeren Anzahl von Tafeln neu aufgelegt worden
ist. Eine sorgfältig ausgewählte Reihe besonders hervorragender
Götterbilder auf Münzen vom Ende des 6. bis zum
3. Jahrhundert v. Chr. ist, nach den einzelnen Gottheiten geordnet
, in vergrößerten Aufnahmen, über deren Berechtigung
jetzt prinzipiell wohl kaum noch Zweifel besteht, bewundernder
Betrachtung zugänglich gemacht. Der Erklärung dient
neben kurzen Einzeibeschreibungen eine Einleitung, die vor
allem die kunstgeschichtliche Entwicklung in der Art des Aufsatzes
des Verf.s in der „Antike" XVIII 1942, i8off. darlegt.
Da die Münzkunst im allgemeinen nicht unmittelbar von der
großen Skulptur abhängig ist, darf sie als eine eigenständige
Quelle sowohl für die künstlerischen Tendenzen als für die
Religion der verschiedenen Jahrhunderte angesehen werden.
Mit Recht hebt der Verf. die nicht immer genügend beachtete
Tatsache hervor, daß die Bildnerei der Entwicklung der
Göttervorstellungen selbst erst in weitem Abstände gefolgt
ist: auf den Münzen erscheinen menschengestaltige Köpfe und
Körper erst ganz vereinzelt im 7. Jahrhundert. Sehr fein ver-