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Ausgabe:

1949 Nr. 11

Spalte:

694-695

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Feckes, Carl

Titel/Untertitel:

Das Verhältnis von Natur und Übernatur 1949

Rezensent:

Bartsch, Hans-Werner

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693

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 11

694

Ziegler, Adolf Wilhelm, Prof.: Gregor VII. und der Kijewer Großfürst

Izjaslav. Rom: Abbazia di San Paolo 1947= S.A. aus Studi Gregoriani
per la storia di Gregorlo VII. e della Riforma Gregoriana. Bd. I, S. 387
bis 411. gr.8°.

Der Verf., dein wir bereits mehrere gründliche Arbeiten
zur russischen Kirchengeschichte verdanken, bemüht sich in
dieser Abhandlung, das schwierige Problem der Beziehungen
Gregors VII. zu Isjaslaw vonKijew zu klären. Die Quellen sind
spärlich: im wesentlichen nur zwei Papstbriefe. Der Verf. will
von den gregorianischen Grundsätzen aus die Deutung dieser
Texte vornehmen. Nach seiner Auffassung handelt hier der
Papst aus der Uberzeugung heraus, als pontifex universalis
für das Heil aller verantwortlich und darum auch für alle zuständig
zu sein. Das Schicksal Isjaslaws wird durchaus auf
dem Hintergrunde der Kirchentrennung gesehen. Es wird angenommen
, daß der Papst an konkrete Beziehungen zu Kijew
gedacht habe, die er freilich nicht als Lelms-, sondern als
Schutzverhältnis auffaßte.

Münster R. Stupperich

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Lovejoy, Arthur O.: Essays in the History of Ideas. Baltimore: John
Hopkins Univcrsity Press 1948. XVII, 359 S. $ 5.—.

Der Verf. dieses Buches hat vor 25 Jahren den „Klub für
Ideenforschung" (History of Ideas Club) in Baltimore gegründet
mit dem Zweck, die wichtigsten in der Literatur
imme- wiederkehrenden Ideen und Begriffe auf den Werdegang
ihrer Bedeutungen zu erforschen. Der vorliegende Band
enthält sechzehn von Lovcjoys eigenen Spezialuntersuchungen
einiger abstrakter Ideen, die ausgewählt erscheinen im Hinblick
auf ihre Zusammenstimmung zur Charakterisierung
einer auch lexikographisch schön verzweigten Begriffsfamilie.
Auf diese Weise wird hier wertvolles Material zur Erfassung
der wechselnden Bedeutungen verschiedener Ideen beigetragen
. Mit Nachdruck stützt sich L. hierbei auf Miltons Verlorenes
Paradies, das ihm eine Fülle von Ideen darbietet, die,
nicht von dem Dichter gemünzt, bei der Übernahme seitens
seiner in ganz neue Beziehungen gebracht worden sind und
unter denen die Idee der Natur von L. ganz in den Vordergrund
gesti l'.t wird. Es mag scheinen, als rolle er ein Problem
mehr auf, als daß er es beantworte, wenn er gewisse normative
Ideen teils begrifflich, teils anschaulich mit dem Begriff der
Natur verbunden sieht, durch den sie entweder vorgestellt
oder erläutert oder verborgen werden. Der Band schließt mit
einer Paraphrase von Tertullians „Anima naturaliter chri-
stiana" und „Natura veneranda non erubescenda" zur Behauptung
eüies kirchlich noch wenig gebundenen Standpunktes
.

Es sind unzusammenhängende Essays, die vorgelegt sind.
Dessen ungeachtet bleibt es schwer faßbar, wie man von
Rousseau und den englischen Deisten zu Tertullian zurückspringen
, dabei lange Artikel über die chinesischen Wurzeln
der Romantik sowie über die Phasen der Gotik einlegen kann,
ohne Erigena (und seinesgleichen) zu behandeln. Besonderes
Interesse dürfte der Aufsatz über „den Kommunismus des
heiligen Ambrosius" erwecken. L. bespricht des Ambrosius
Idee der redditio der „unrechtmäßig erworbenen Güter" und
arbeitet die Ansicht des Ambrosius heraus, daß überhaupt die
Gescllschaftsökonomie auf normalen Stand zurückgeführt werden
kann, wenn die Individuen ihre unrechtmäßig erworbenen
Güter zum Wohle aller Mitmenschen aufteilen und zugleich
das Motiv jenes Erwerbs, die avaritia, aus ihrer Brust ausmerzen
.

Lovejoy selber ist fasziniert durch das Miltonsche Paradox
des höchst beglückenden ersten Sündenfalls. Nicht nur
gelegentlich poetisch verwertet, sondern auch in Miltons Doc-
trina Christiana dogmatisch hingestellt ist der Gedanke, daß
der erste Sündeufall die grundsätzliche Ermöglichung der Erlösung
und der „Freude über die Sünder im Himmel" bedeutet
.

Mit Vernachlässigung der ganzen durch Erigena charakterisierten
Linie ist es wohl zu erklären, daß Verf. den „Uni-
forniitarianismus" bis zu dem Grade betont, daß aus de la
Haye's Spinozabiographie als Spinozas Ausspruch zitiert wird,
daß die Natur die Absicht oder den Zweck hat, alle Menschen
Uniform zu machen. Dies bedeutet freilich hier ebensowenig
..einheitlich gut" wie bei Rousseau, dessen (im zweiten Discours
) vorgetragene Idee der „Güte" des menschlichen Naturzustandes
nicht den Menschen als ethisches Individuum im
Auge hat. Der Mensch war, so arbeitet Lovejoy Rousseaus
Ansicht heraus, im Naturzustande nichts weiter als „ein gut

gearteter Roher" mit einem „natürlichen Widerwillen dagegen
, andere Exemplare seiner Gattung leiden zu sehen".

Es kommt L. darauf an, das Verhältnis von Natur und
Kunst in der Romantik zu verstehen und überhaupt eine
Theorie über die Romantik zu bilden, welche derjenigen Hayms
entgegenstellt. L. ist der Meinung, daß Friedrich Schlegels
spätere Auffassung des Romantischen eine spezifische Änderung
gegenüber dem 116. Athenaeumsfragment bedeutet. Er
sucht zu zeigen, daß der von Haym als später angenommene
Begriff des Romantischen in Wahrheit der ursprüngliche war
und daß nicht erst die Lektüre des Wilhelm Meister den festen
Begriff ermöglicht oder hervorgerufen habe. Hierfür bezieht
er sich günstig auf Friedrich Schlegels Brief an seinen Bruder
vom 17. Februar 1794, wo die Begriffe „Romantisch" und
„Wesentlich Modern" schon wie etwas Gleichartiges miteinander
verbunden sind. Hiernach also wäre „die romantische
Poesie", von der wir nach 1798 so viel zu hören bekommen,
einfach die „interessante Poesie" der früheren Periode, neu
nur die neue Wertung dieses Typus seitens Friedrichs.

Nach dieser Feststellung führt uns das Buch zu der Frage,
welchen Einfluß Schillers Besprechung des Sentimentalischen
auf die festere Formulierung des Begriffs Romantik gehabt
habe. Dieser Einfluß, bemerkt L., trete hervor in der „Tendenz
nach einem tiefen unendlichen Sinn", nach jener tief verankerten
Wahrheit, die erst in der Vollständigkeit von persönlichem
Erleben in allen seinen endlosen Mannigfaltigkeiten
faßbar werden kann — was L. schließlich „das Programm eines
echten Realismus" nennen möchte. Wegen dieses Unendlich -
keitsdranges nun findet sich L. auch auf Kant gewiesen und
auf dessen bestimmenden Einfluß auf den Begründer der englischen
Romantik, Coleridge. L. findet es bedeutsam, daß auch
hier eine Auflehnung gegen die Natur mitspricht, oder „der
ethische und metaphysische Dualismus" bzw. die von Kant
inspirierte, sofern in seiner Theorie der zwei Welten angelegte,
Ausbildung eines kräftigen Sündenbewußtseins, womit beide
der Aufklärungsphilosophie den Rücken kehrten — was wir
,,die Kantische Romantik" nennen sollen.

Chicago Karl Beth

Wenzel, Fritz, Lic. Dr.: Wandlung der Herzen. Sieben Aufsätze über
Albert Schweitzer, Sören Kierkegaard, Friedrich Nietzsche, Johann Christoph
Blumhardt u. a. Braunschweig: Limbach [1949]. 88 S. 8°. Kart. DM 1.25.
Tersteegen und der ältere Blumhardt werden wesentlich
als Seelsorger gewürdigt, Kierkegaard und Nietzsche als Kritiker
der Christenheit eng zusammengestellt, in anregender
Weise. Die Gerechtigkeit, die hier Nietzsche gewährt wird,
findet Lagarde nicht, dem W. „radikale Verwerfung der entscheidenden
Aussagen des Neuen Testaments und des christlichen
Glaubens überhaupt" zuschreibt; seine Theologie sei
„typisch liberalistisch" —- dem hätte nicht nur L. selbst widersprochen
(was wenig beweist, da man sich über sich sehr
täuschen kann), sondern das Verständnis dieses Romantikers
wird durch solche Schlagworte wirklich nicht gefördert. Daß
W. aber nicht etwa dogmatisch eng sein will, sieht man aus
seiner ausführlichen und sympathischen Wiedergabe der
Lebensanschauung Schweitzers. Kurz spricht er noch von
einem andern Theologen der Gegenwart, Heim, von dessen
Christusbild, dem er zustimmt; nur angedeutet sei hier eine
von W. nicht berührte Frage: ist Christus für H. und W. der
Weltversöhner und der Weltvollender, hat er für sie auch kosmische
Bedeutung, müßte dann nicht auch aus Joh. 1, 3 und
Hebr. 1, 2 eine Lehre von ihm als den Schöpfer gefolgert werden
, dhe weit über Apostolikum und überlieferte Dogmatik
hinausgeht ?

Niederbobritzsch H.Mulert

Feckes, Carl, Dr.: Das Verhältnis von Natur und Übernatur. Proiego-
mena zur Gestaltung eines christlichen Humanismus. Düsseldorf: Bastion-
Vlg. 1947. 60 S. kl. 8°. DM 1.90.

Diese Darstellung der katholischen Naturlehre, die in Auslegung
des Satzes „Gratia supponit naturam, non destruit,
sed complet et perficit eam" gegeben wird, erscheint darum
auch für den protestantischen Theologen und Laien wertvoll,
weil sie in klarer, verständlicher Form die katholische Lehre
entwickelt mit der Zielsetzung, einen christlichen Humanismus
vorzubereiten, der fähig und berufen ist, zu einer gesunden
Synthese des in Natur und übernatur aufgespalteten Lebens
zu führen. Wertvoll erscheint diese Schrift in ihrer Klarheit
gegenüber der so weit verbreiteten Unklarheit über die Gegensätze
zwischen katholischem und evangelischem Glauben und
der daraus erwachsenden Schwärmerei von einer Una Sancta.
Bereits die Anlage der Schrift als Auslegung des scholastischen
Satzes katholischer Lehre zeigt dem Protestanten den Graben:
So klar und sicher werden wir niemals eine Lehre aus einem