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Ausgabe:

1949 Nr. 11

Spalte:

691-692

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Aland, Kurt

Titel/Untertitel:

Apologie der Apologetik 1949

Rezensent:

Doerne, Martin

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691

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 11

692

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Aland, Kurt, Prof. Lic: Apologie der Apologetik. Zur Haltung und Aufgabe
evangelischen Christentums in den Auseinandersetzungen der Gegenwart
. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag 1948. 179 S. 8°= Hilfe für's
Amt Bd. 15. Kart. DM 4.—.

„Apologetik" gilt vielen evangelischen Theologen heute
von vornherein als eine Preisgabe der Selbstgewißheit des
christlichen Glaubens. Demgegenüber bekennt sich der Berliner
Kirchenhistoriker, der sich in den Jahren des Nationalsozialismus
selbst als tapferer und gründlicher Sachwalter der
evangelischen Wahrheit wider den Deutschglauben erwiesen
hat, aufs neue zu der bleibenden Notwendigkeit christlicher
Rechenschaftslegung sowohl „gegen die Angriffe erklärter
Gegner, d. h. gegen Anschauungen, welche nicht auf dem
Boden des Christentums stehen", wie „in der Auseinandersetzung
mit anderen Konfessionen, kirchlichen oder weltanschaulichen
Gemeinschaften" (26). Die grundsätzliche Aufgabebestimmung
, der die drei ersten Kapitel des Buches gewidmet
sind, gibt der Kritik an der falsch defensiven und
weithin durch glaubensfremde Interessen getrübten Apologetik
ihr Recht („die Apologeten haben die Apologetik diskreditiert
" 15), sie weiß aber davon zu überzeugen, daß recht
verstandene Apologetik „eine unaufgebbare Lebensäußerung
der christlichen Kirche" bleibe (17). Sie ist „keine besondere
theologische Disziplin", am wenigsten eine der Dogmatik vorgegebene
Grundlegurg der Thsologie; ihr Auftrag ist nicht der
rationale „Beweis" der christlichen Wahrheit (22), wohl aber
die Entfaltung und Bewährung dieser Wahrheit, nach Alands
eigener Formulierung die „praktische Nutzanwendung" der
theologischen Disziplinen „im Hinblick auf die Bedürfnisse
der Gegenwart" (16).

Die weitere Verdeutlichung der apologetischen Aufgabe,
nicht zuletzt die heilsame Warnung vor einer schlecht konservativen
(21) wie vor einer sachlich mangelhaft gerüsteten (116)
Apologetik, ergibt sich aus der konkreten Gegenwartsthematik
, in die das Buch vom 4. Kapitel an sofort eintritt. Innerhalb
eines „ersten Kreises" kommen vier Gegner zu stehen:
die Aufklärung, der Deutschglaube, das Freidenkertum (je mit
ihren „Uberresten und Nachfolgern"), schließlich der Aberglaube
. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Auf-
klärungserbe kommt Sartres Existentialismus, speziell in
seiner propagandistisch wirksamsten Form („Die Fliegen"),
ausführlich zu Wort und empfängt die gebührende Kritik.
Erstaunliches Material für das zähe Fort- und Wiederaufleben
des Dinterschen „Geistchristentums" wie der „deutschen Gotterkenntnis
" M. Ludendorffs im deutschen Süden und Westen
bietet das umfängliche 5. Kapitel. Sorgsam und kenntnisreich
wird die (heute in den Hintergrund tretende) marxistische
Kritik an Luthers Stellung im Bauernkrieg mitsamt ihren
Entsprechungen z. B. in Thomas Manns Lutherbild dargestellt
(9. Kapitel). — Der zweite (innerchristliche) Aufgabenkreis,
dem sich das Buch vom 11. Kapitel an zuwendet, umfaßt einmal
das Ringen mit dem Katholizismus (12. Kapitel), dessen
fortdauernde Notwendigkeit z. B. an der Bedrückung des Protestantismus
in Franco-Spanien illustriert wird, zum anderen
mit den sog. Sekten, unter denen die „Zeugen Jehovahs"
(13. Kapitel) besonders eingehend und sachkundig berücksichtigt
werden.

Mit diesem konkreten Eingehen auf die heute vordringlichsten
Gesprächs- und Kampfpositionen erweist sich Alands
Buch als eine wirkliche „Hilfe fürs Amt". DieKirche wird es
dem Verf. danken, daß er ihr so solides Handwerkszeug für ihre
Praxis darbietet, beinahe ein neues „Handbuch der Apologetik
", trotz dem bewußten Verzicht auf stoffliche Vollständigkeit
. Für eine Neuauflage wäre der wichtigste Ergänzungswunsch
wohl eine Einbeziehung der „Christengemeinschaft",
die zwar nicht an Breiten-, wohl aber an Tiefenwirkung alle
in Kap. 13 und 14 genannten Gruppen überragt (vgl. dazu
P. Althaus, Evangelischer Glaube und Anthroposophie, München
1949, Verlag des Evang. Preßverbandes für Bayern). —
über dem Dank und den Desiderien für diese das Gesamtbild
des Buches beherrschende praktisch-gegenständliche Zwecksetzung
soll die Weiterarbeit an der prinzipiellen Besinnung
über Wesen und Maßstäbe der „Apologetik", zu der die ersten
Abschnitte an ihrem Teile wieder aufrufen, nicht zu kurz
kommen. Es wird festzuhalten sein, daß die Apologetik eine
doppelte Wurzel und dementsprechend wohl auch eine zweifache
Ausführungsgestalt hat: eine systematische und eine
praktische. Es ist zu hoffen, daß sich aus dem notwendigen
Abbau der alten Apologetik, die die Selbstgewißheit des Glaubens
philosophisch oder sogar „wissenschaftlich" zu untermauern
strebte, eine neue Form systematischer Rechenschaftslegung
des Glaubens, im Gespräch mit den „Geistern
der Zeit" wiederherstellt; in K. Heims, E. Brunners, H. Thie-
lickes Arbeit ist, auf je verschiedene Weise, diese neue Apologetik
bereits sichtbar. Je schärfer ihre Umrisse sich formen,
desto fester wird das Fundament sein, auf dem die praktische
Apologetik (richtiger: Apologie) sich aufbaut. Die hier noch
fälligen Erörterungen könnten mit Gewinn auf Arbeiten wie
E. Brunners Aufsatz über „Die andere Aufgabe derTheologie"
(Zwischen den Zeiten 1929), Fr. K. Schumanns Abhandlung
„Neue Wege der Apologetik?" (Theolog. Rundschau N. F. I,
1929), nicht zuletzt auf A. Adams Monographie „Die Aufgabe
der Apologetik" 1931 zurückgreifen. Auch zu dieser grundsätzlichen
Klärung hat Alands Buch einen verdienstlichen
Impuls gegeben.

Rostock AA. Doerne

Wunderle, Georg: Das geistige Antlitz der Ostkirche. Sechs Aufsätze.

Würzburg: Augustinus-Verlag 1949. 160 S. 8°. DM6.—.

In den heutigen Verhältnissen ist es durchaus begründet
und sogar erwünscht, wenn ältere Arbeiten, möglichst zusammengefaßt
, dem Leser wieder zugänglich gemacht werden
. In welchem Maße der Verf. seine vor einem Jahrzehnt
teils im Sammelwerk „Der christliche Osten. Geist und Gestalt
", teils anderwärts erstmalig veröffentlichten Abhandlungen
für den Neudruck erweitert oder abgeändert hat, vermochte
ich im einzelnen nicht nachzuprüfen. Im Mittelpunkt
seiner Aufsatzsammlung stehen die beiden Arbeiten über
Symeon den neuen Theologen und über Nikolaus Kabasilas,
die markanten Vertreter der byzantinischen Mystik. Nach
Anschauung des Verf.s gibt nämlich gerade die Mystik der
Ostkirche ihr weSintliches Gepräge. Diese Auffassung wird in
den weiteren Aufsätzen ebenfalls stark betont. Im einleitenden
Aufsatz, der den Titel für das ganze Buch hergegeben hat,
wird dieser Zug insonderheit als für das Verständnis der orthodoxen
Frömmigkeit entscheidend angeführt. Bei aller Anerkennung
dieses sachlichen Anliegens wird nur zu fragen sein,
ob das Antlitz der Ostkirche daneben nicht noch andere Züge
aufweist, die auch nicht übersehen werden dürfen. Auch hätte
bei der Darstellung der byzantinischen Mystik des Mittelalters
bemerkt werden müssen, daß sie für das Gegenwartsleben der
Ostkirche keineswegs kennzeichnend ist.

Abschließend bringt der Verf. im Sinne der Enzykliken
Pius XI. sein Unionsanliegen zum Ausdruck. Es werden einige
verwandte Züge in der Auffassung der östlichen und westlichen
Kirche erwähnt, während die Differenzen in Geist und
Gestalt bewußt zurückgestellt werden. Dem Inhalt des Buches
entspricht auch die Auswahl der herangezogenen Literatur.

Münster R. Stupperich

SolowjOW, Wladimir: Drei Gespräche. Übersetzung, Nachwort und Erläuterungen
von Erich Müller-Kamp. Bonn: Schwippert [1947]. 264 S. 8°-
Pp. DM9.—.

Die Tatsache, daß Solowjows berühmte „Drei Gespräche",
die gerade vor 50 Jahren geschrieben worden sind und sozusagen
das Vermächtnis des großen russischen Philosophen darstellen
, in den letzten Jahren des öfteren in Deutschland neu
übersetzt und aufgelegt wurden, hat verschiedene Gründe. Es
sei mir erlaubt, bei dieser Gelegenheit erneut darauf hinzuweisen
, daß wir in Deutschland keine einwandfreie Gesatntausgabe
von Solowjows Werken besitzen. Die „Drei Gespräche
" sind auch leichter zugänglich als die größeren Werke.
Außerdem aber entspricht diese Schrift in einem erstaunlichen
Maße der heutigen Problematik und zugleich dem eschato-
logischen Zuge der Zeit. Es ist ja kein Zufall, daß die das dritte
Gespräch abschließende Betrachtung über den Antichrist iß
den vergangenen Jahren in Deutschland so stark beachtet
worden ist und heute nicht weniger bekannt sein dürfte als
Dostojewskijs Legende vom Großinquisitor.

Auf die Schrift selbst braucht daher nicht eingegangen zu
werden. Es genügt der Hinweis, daß die Übersetzung gut uri"
flüssig ist, abgesehen von einigen Schönheitsfehlern, die das
rußland-deutsche Idiom verraten. Auch das Nachwort des
Ubersetzers, das in die geistige Situation einführt, in der dl
Schrift Solowjows entstanden ist, wird durchaus zu beacbt*»»
sein. Gerade angesichts so vieler übertriebener und ausgesprochen
falscher Deutungen, die Solowjows Haltung
gegenüber bis in die letzte Zeit hinein gefunden hat, sind ui
hier gegebenen Hinweise zu Solowjows Verhandlungen ui
Bischof Stroßmayer einwandfrei. Die neue Ausgabe verfolg
keine Tendenz und schon dies wirkt angenehm, weil es in O-
Solowjow-Literatur selten ist.

Müniter R. Stupperich