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Ausgabe:

1949

Spalte:

681-682

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bea, Augustin

Titel/Untertitel:

Die neue lateinische Psalmenübersetzung 1949

Rezensent:

Allgeier, Arthur

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Seite 1

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681

Theologische I<iteraturzeitung 1949 Nr. 11

682

So aber, wie das menschliche Denken an die Grenzen der
Existenz gekommen ist, so ist auch die Naturwissenschaft
selbst durch ihre Forschung an jene Grenze gestoßen, welche
durch Auflösung alles Materiellen, Sichtbaren und Meßbaren
gekennzeichnet ist.

Damit stehen Naturwissenschaft und Glaube vor der Aufgabe
, ihr Verhältnis neu zu bestimmen.

II.

4. Das Wissen erkennt seine Aufgabe darin, der menschlichen
Existenz zu dienen. Das Selbstverständnis des Wissens,
das nicht seine Grenze im Dienen erkennt, trägt den Keim der
eigenen Auflösung in sich selbst. Es zerstört, statt zu bauen.

Das Wissen hat um dieser Aufgabe willen die Pflicht, sein
Gesichtsfeld ständig zu erweitern, die geschichtlichen und
lebendigen Zusammenhänge alles Seienden zu erforschen und
auch das Experiment dieser Pflicht dienstbar zu machen.

Das Wissen erhält damit nicht nur eine ökonomische,
physische oder politische, sondern auch eine soziale und sittliche
Bedeutung.

5. An dieser Stelle tritt das Wissen mit dem Glauben in
ein Gespräch. Das Wissen fragt den Glauben: Ist die menschliche
Existenz die letzte und wertvollste Art alles Existierens ?

Was ist „das Böse", und gibt es einen Herren über dasselbe
?

Kanu das Wissen von der bösen Macht des Mißbrauchs
seiner selbst erlöst werden, damit es seine „dienende Aufgabe"
recht erfülle ?

6. Auf diese Fragen antwortet der christliche Glaube:
Uber aller sichtbaren und meßbaren Existenz steht Gott.

Er ist der Herr auch über das „Gegengöttliche", „das Böse",
dessen Ursprung uns verhüllt ist und dessen Überwindung die
Menschheit als ebensolche Aufgabe vorfindet wie die Wissenschaft
die Erforschung des Seienden. Christus ist erschienen,
damit auch die Wissenschaft vom Mißbrauch des Bösen erlöst
und unter der göttlichen Herrschaft der Ehre Gottes diene.

III.

7. Der christliche Glaube erkennt seine Aufgabe darin,
den göttlichen Aufruf des Gerichtes und der Gnade in Christi
Kreuz und Auferstehung der Menschheit weiterzugeben.

Im Dienste des Christus findet er das Gesetz seines eigenen
Dienstes. Das Selbstverständnis des Glaubens, das nicht seine
Grenze im Dienste erkennt, trägt den Keim der eigenen Auflösung
zum Bösen in sich selbst. Es zerstört, statt zu bauen.

Der Glaube hat um dieser Aufgabe willen die Pflicht, den
Herrschaftsbereich Gottes ständig zu erweitern, den göttlichen
Anruf in allen geschichtlichen und lebendigen Zusammenhängen
ständig zu erweitern und das „Seiende" zu Gott zu
rufen.

Der Glaube erhält damit nicht nur eine sittliche und
religiöse Bedeutung, sondern auch eine physische, ökonomische
und politische Aufgabe.

8. An dieser Stelle tritt der Glaube mit dem Wissen ins
Gespräch. Der Glaube spricht zum Wissen: Zeige mir die Zusammenhänge
und Grundbedingungen alles Seienden!

Offne nur die Augen für die Grenzen des menschlichen
Wissens und Könnens!

Weise mir jenen Platz, wo ich in einer gefährdeten Welt
die Botschaft von Christus zu verkündigen und die Kräfte der
Liebe einzusetzen habe!

9. Auf diese Bitte antwortet das Wissen:

Blicke mit mir in die geheimnisvolle Werkstatt, in der die
Kräfte des Bauens und Zerstörens wirken!

Erkenne mit mir die Kleinheit des Menschen! Ich zeige
dir die Nöte der Erde und weise dir die Stelle, wo mein Wissen
machtlos ist und wo nur du allein noch helfen kannst.

IV.

10. So ergänzen sich Wissen und Glauben in gemeinsamem
Dienst. Kein Bruder kann ohne den andern gedacht
werden. Glaube ohne Wissen ist blind. Wissen ohne Glauben
ist nur eine tote oder zerstörende Kraft.

Sie dienen dem einen Herrn und der einen Menschheit.

Arbeitsgemeinschaft Evgl. Akademie Westfalen

ALTES TESTAMENT

Bea, Augustin, s. j.: Die neue lateinische Psalmenübersetzung, ihr

Werden und ihr Geist. Freiburg/Br.: Herder [1949J. VIII, 171 S. 8°.
Lw. DM6.50.

Auf diese Schrift ist in den Spalten der Theologischen
Literaturzeitung bereits hingewiesen worden. Es handelt sich
um die deutsche Bearbeitung des Vortrages, den A. Bea am
25. April 1945, einen Monat nach der Veröffentlichung des
neuen Römischen Psalters in Rom gehalten hat. In drei Kapiteln
wird die Vorgeschichte, das Problem sowie die Eigenart
und der Geist des „Psalterium Pianum" dargelegt. Psalte-
rium Pianum nennt der Verf., der selbst zum Leiter der verantwortlichen
Kommission bestellt war, und daher über Sinn
und Zweck am besten Auskunft erteilen kann, die neueste
römische Ubersetzung. Sie unterscheidet sich von ihren Vorgängerinnen
, sowohl dem historischen Psalterium Romanum
wie der Vulgata dadurch, daß sie bewußt auf das hebräische
Original zurückgeht, dieses aber auch nicht in der bekannten
massorethischen Gestalt wiedergibt, sondern kritisch zu benützen
strebt und für den heutigen Leser eine verständliche
Form schafft, ohne ciceronianische bzw. humanistische Vorlagen
zu kopieren. Dabei ist wesentlich, daß die neue Version
eine Übersetzung des Hebräischen, also nicht der Septuaginta
sein will. Das muß deswegen immer wieder vor Augen gehalten
Werden, weil bewußt oder unbewußt immer wieder eine gute
Psalmenübersetzung verlangt wird, gleichgültig von welcher
konkreten sprachlichen Vorlage, als ob diese nicht entscheiden
und jede Ubersetzung nur eine Probe irgendwelchen sprachlichen
Könnens darstellen würde. Wenn die Vorlage unklar ist,
kann man von der Übersetzung, wo sie diesen Namen beansprucht
, nicht mehr verlangen, auch wo eine andere Ubersetzung
verständlich war. Hier trennen sich grundsätzliche
Wege. Auch kann eine systematische Ubersetzung nicht nachträglich
eklektisch verfahren. Zweitens legt Bea Gewicht auf
die Rechtfertigung der Latinität, der namentlich von Seiten
einiger Kritiker in La Maison-Dieu der Vorwurf gemacht worden
ist, daß sie sich zu weit von der Vulgata entferne und dem
historischen Geist der lateinischen Sprache zuwider laufe. Hier
2eigt Bea glücklich, wie dehnbar und geradezu verkehrt
sprachgeschichtliche Argumente gehandhabt werden; selbst für
Augustin war Sprache nicht Selbstzweck, sondern Werkzeug;

es sollte weder ein antiquarisches, auch kein klassisches oder
klassizistisches Latein gewählt werden, sondern dasjenige
Latein, das dem Hörer und Leser verständlich ist, wobei eingeräumt
wird, daß der Begriff nicht frei von subjektiver Willkür
ist.

Freiburg i. Br. A. Allgeier

Uber Psalmorum cum Canticis Breviarii Roman! nova e textibus primi-

geniis interpretatio latina cum notis criticis et exegeticis cura professorum
Pontificii Institut! Biblici edita editio altera. Romae: Pontificio Instituto
Biblico [1945J. XXIV, 350 S. kl. 8°.

Wie sehr auch das Schwergewicht nicht auf die sprachliche
Fassung, sondern auf die Textgestaltung gelegt wird,
lehrt die sog. editio scientifica, so genannt zum Unterschied
der liturgischen Ausgabe. Diese bietet lediglich den Text, wie
er im Offizium gebraucht wird, jene stellt eine kritische Ausgabe
dar, die zunächst den hebräischen Grundtext, aber mit
allen Mitteln herstellt, wie sie dem biblischen Philologen geläufig
und bei Kittel geübt sind, also mit Hilfe der direkten
und indirekten Überlieferung, wobei die Übersetzungen, vor
allem die Septuaginta, aber auch die Lateiner und Syrer, sowie
das Targum gebührend berücksichtigt süid. Auch innere
Argumente der Konjekturalkritik werden nicht gescheut, aber
nur sparsam und mit bemerkenswerter Umsicht gehandhabt.
Bezeichnend ist z. B. 2, n:

rm*P a mir -»» -na?
: rrpns nbnm
—□ —'nptp?

Die zwei letzten Zeilen sind nach wohlbegründeter Annahme
durch Umstellung und teilweise Verschreibung entstanden:

(msnn) vbsna Mpipj

„küsset seine Füße, d. h. huldigt ihm (mit Ehrfurcht)", also
in sprachlich verständlichem Parallelismus membrorum zur
ersten Zeile. Die Konjektur setzt eine .schriftgeschichtlich mögliche
orthographische Änderung der masorethischen Textbestandteile
voraus, die nach den Untersuchungen der Schreibund
Lesefehler von Friedrich Delitzsch (1920) keinen Eingriff
in die Uberlieferung in sich birgt und die Gewalttätigkeiten,