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Ausgabe:

1949 Nr. 10

Spalte:

626-628

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ohm, Thomas

Titel/Untertitel:

Asiens Kritik am abendländischen Christentum 1949

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 10

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gerade ihnen für die Weltmission zukommt, und möchte deshalb
— in der Erinnerung an Latourettes Werk — noch mehr
Einzelheiten auf diesem Teilgebiet christlicher Mission erfahren
. Auch wenn der Raum des einen, schmalen Bandes
gegenüber dem mehrbändigen Werk des amerikanischen Mis-
sionswissenschaftlers beschränkt war, wäre z. B. eine umfassendere
Begründung der missionarischen Unfruchtbarkeit
der Reformationszeit wünschenswert gewesen, da es gerade
hier noch gilt, einer weitverbreiteten, — biblisch gesehen —
unzulänglichen Begründung immer wieder nachdrücklich entgegenzuwirken
. Der nichtenglische Leser würde auch eine Erhellung
der geistig-religiösen Situation begrüßen, aus der am
Ende des 17. und vollends des 18. Jarhunderts die englischen
Missionsgesellschaften herausgewachsen sind. Und schließlich
weckt das in seiner Gliederung und klaren Aufzeigung der
Probleme vorbildliche II. Kapitel über die „Akklimatisierung"
(der christlichen Verkündigung) den Wunsch, nicht nur „die
Komplexität fortschreitender Akklimatisierung illustriert" zu
sehen, wie der Verf. schreibt, sondern gerade auch der Frage
nachzugehen, ob und wieweit eine „Synthese zwischen diesen
Anschauungen" möglich ist, die er aufzeigt. Das würde allerdings
ein „vergleichendes Studium der Theologie" erfordern.
Campbell lehnt das ab, und da er sich die Aufgabe geschichtlicher
Darstellung der Entstehung der weltweiten Anglikanischen
Gemeinschaft gestellt hat, hat er ein Recht dazu.

Seine Aufgabe hat er — wir deuteten es schon an — vorbildlich
gelöst. Er schildert im 1. Kapitel die Frühzeit der
Anglikanischen < Gemeinschaft, in der die aus römische! und
irischer Mission „empfangende" Kirche von England zu
einer „gebenden" Kirche wird, die durch irische Mönche und
angelsächsische Missionare auf den Kontinent und nach Skandinavien
hinüberwirkt. Dann folgen „Jahrhunderte des Stillstands
" (Kap. 2), in denen der Strom der anglikanischen Mission
unterirdisch fließt; Campbell teilt diese Zeit, in der die
englische Kirche ihre „Gleichheit mit der Mission" verliert,
ein in eine vorreformatorische Epoche, in der ihr durch
ihre Zugehörigkeit zur Papstkirche, durch die Wirksamkeit
der Universitäten und die Kreuzzüge ihre Verbindung mit der
Ökumene erhalten blieb, und eine nachreformatorische
Epoche, in der der Ruf des Erasmus von Rotterdam an die
Kirche, Mission zu treiben, weder bei Lutheranern noch Kal-
vinisten einen Widerhall fand, wahrend die römische Kirche
sich in Asien und Amerika ausbreitete. Das 3. Kapitel weist
inmitten der wachsenden nationalen Expansion Englands jene
,,vorbischöfliche Periode" der kirchlichen Ausbreitung
nach, die der Kirche von England die Pflicht auferlegte, sich
der Auswanderer seelsorgerlich anzunehmen. Damals entstanden
die Gesellschaft zur Förderung christlicher Erkenntnis
(1698) und die Gesellschaft zur Ausbreitung des Evangeliums
in auswärtigen Gebieten (1701), deren Tätigkeit in Amerika
sich allmählich mit der Missionsarbeit unter den Indianern
verband, während die Aufgaben, die ihnen aus der Tätigkeit
der Ostindischen Kompagnie erwuchsen, sie zur Missionsarbeit
auf indischem Boden führten. Im 4. Kapitel untersucht
Campbell die „Heimatbasis" der erwachenden Missionsarbeit
, ihre „formgebeuden Jahre". Unter den mannigfaltigen
Missionsgesellschaften, die damals (um 1800) entstanden,
wurde die Kirchliche Missionsgesellschaft (1799) neben
der Gesellschaft zur Ausbreitung des Evangeliums
zur Trägerin der Missionsarbeit der Kirche von England. Es
War das in vielem eine Krisenzeit für die anglikanische Missionsarbeit
: nicht nur daß die offizielle Kirche gegenüber dem
leidenschaftlichen Bekenntnis weiter Laienkreise zu ihr mißtrauisch
blieb — es fehlte auch an Missionaren. Aber das Verhältnis
zur Kirche ordnete sich, und das 5. Kapitel gedenkt
dankbar der „deutschen und dänischen Bundesgenossen und
Helfer", die sich der anglikanischen Mission zur Verfügung
stellten: Ziegenbalg und Schwartz, Gobat und Krapf, Isenberg
und Pfänder und viele andere. Draußen auf den Missions-
teldern aber entstanden bald die ersten sieben Bistümer
(Kap. 6): in Neuschottland und Neufundland, Kalkutta, Barbados
und Jamaika, Australien und Neuseeland. Unter den
S*ten Bischöfen finden wir Männer, die den „Dienst der
Kirche in den entferntesten Kolonien des Britischen Reiches"
aufs beste repräsentiert haben. Kap. 7 und 8 schildern das
Vordringen der anglikanischen Mission in Afrika bzw. Fernst
. In Afrika folgte der Ausbreitung vom Westen (Sierra
Leone, Niger) und Süden (Bistum von Kapstadt), die vor
Livingstones Wirksamkeit geschah, in der Zeit nach ihm der
Eingang vom Osten (Bistümer von Sansibar und Ost-Äqua-
toriulafrika). Im Fernen Osten entstanden die Anglikanischen
Kirchen in Birma, Bomeo, Malaja, China, Korea und
Japan. Das 9. Kapitel beschäftigt sich mit der Mission der
^glikanischen Kirche unter den Juden in Palästina (Bistum

Jerusalem) und unter den Muslim. Zusammenfassend stellt das
10. Kapitel die Wege und Erfolge der missionarischen Arbeit
in den britischen Kolonien auf Grund der Voraussetzungen,
die sich aus der Kolouialpolitik sowie aus der jeweiligen gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Lage der Völker ergaben,
und der Ausbreitung in der nichtchristlichen Welt dar, wie sie
teils durch „influence of power" (Olaf Tryggvason; Karl d.
Gr.; der König von Portugal um 1550; Königin Viktoria; der
Kaiser von China), teils durch „power of influence" (Einzelbekehrung
; Massenbekehrung im Mittelalter und in der Neuzeit
; Literarische, Ärztliche und Schul-Mission) bestimmt wurden
. Dann folgt das oben erwähnte 11. Kapitel über „Akklimatisierung
", das die „Klimatische Herbheit" (Götzendienst,
Brauchtum und Vielehe in der primitiven Gesellschaft; fremde
Religionen, Bräuche und Kulturen, z. B. Kastensystem und
Ahnenkult, in den Kulturvölkern) sowie die „Verpflanzungsprobleme
" (Provinzialismus und Sektentum) darlegt und dann
an den Maßstäben kirchlicher Selbständigkeit, Selbstdarstellung
und Selbstausbreitung das Vorhandensein von „Akklimatisierung
" prüft, nicht ohne vorher ihre Grenzen nachgewiesen
zu haben. Das 12. Kapitel trägt die Überschrift
„Festigung" und schildert den Aufbau und die Verfassung der
Anglikanischen Kirche, von deren Missionsgesellschaften
Campbell „ehrfürchtig" bekennt, daß sie an ihren Leibern die
Zeichen des Herrn Jesus tragen. Der Ausblick auf das Jahr
2000 wird dem Verf. in seinem „Epilog" zum Aufruf, alle
Kräfte zum Bau einer Kirche einzusetzen, die in jener Zukunft
und darüber hinaus Bestand hat.

Tübingen Gerhard Rosenkranz

Ohm, Thomas: Asiens Kritik am abendländischen Christentum. München
: Hösel 1948. 215 S. 8°. DM5.50.

Der katholische Ordinarius für Missionswissenschaft an
der Universität Münster füllt mit diesem materialreichen
Buche, das die Reaktion des Ostens auf das Dasein und die
Darbietung des Christentums zur Darstellung bringt, eine
Lücke im Gesamtschrifttum der katholischen und der evangelischen
Missionswissenschaft aus.

Das in großer Vielseitigkeit vorgelegte Material verdankt
Verf. seinen Erfahrungen "auf ausgedehnten Reisen, vielen
persönlichen Gesprächen mit Vertretern der verschiedensten
Milieus, Länder und Religionen und der Kenntnis der oft
schwer erreichbaren religionswissenschaftlichen Literatur. Berücksichtigt
hat er vor allein das buddhistische, hinduistische,
konfuzianische, schintoistische und islamische Asien, nur gelegentlich
gibt er auch aus dem primitiven Heidentum und
dem östlichen Christentum Stimmen wieder. Die Zitate stammen
von urteilsfähigen Menschen, die oft genug neben Asien
auch Europa kennen.

Einleitend bietet Verf. eine asiatische Gesamtbeurteilung
von Wert und Wahrheit des abendländischen Christentums.
Dann behandelt er die Stellungnahme der Asiaten gegenüber
der Kirche und ihrer Lehre unter verschiedenen Gesichtspunkten
, die Stellungnahme zur Frömmigkeit und dem sittlichen
Leben der Christen, ferner Sitten und Gebräuche, künstlerische
Äußerungen des Christentums und schließlich die Mission
, um mit einer Würdigung und Auswertung abzuschließen.
Von der vorgebrachten Kritik, deren Umfang vom Verf. und
anderen noch erweitert werden könnte, sei einiges herausgegriffen
: das Christentum sei nicht in das Zentrum des Religiösen
vorgestoßen, habe einen großen Substanzverlust erlitten
und sei in teilweisen Verfall geraten; es zeige eine abstoßende
Zersplitterung und richte sich selbst durch seine geringen
Erfolge, durch seine Wirkungslosigkeit im öffentlichen
Leben des Abendlandes, seine kriegerische Geschichte und die
enge Verbindung mit den weltlichen Mächten; es sei euro-
äisch in allen Stücken und wirke darum in Asien als Fremd-
örper und Gärungsstoff; es leide allzu sehr an einem betonten
Historismus. Einmal erscheint es als zu alt und versteinert
, dann wieder bildet seine relative Neuheit den Anstoß.
Seine Intoleranz und Abwehrstellung gegen den Synkretismus
wird beklagt, ebenso der Universalismus, die Selbständigkeit
den Staaten gegenüber und die klerikale Bevormundung,
das geformte Kirchentum („Churchism"), die Rede von einem
Zorn Gottes, und natürlich erst recht die dein Kreuz zugesprochene
Bedeutung. Bedauerlich erscheint das Unvermögen
, die asiatischen Seher richtig einzuschätzen und das
vorgefundene religiöse Schrifttum zu verstehen und zu würdigen
; die Überbetonung der ratio, der Mangel an Gefühl, die
Betonung der Lehre mit ihren dogmatischen Formulierungen
und ihrer auffallenden Wortfülle. Die Frömmigkeit, auch vieler
Theologen, sei nicht meditativ, nicht frei von westlicher Hast

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