Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1949 Nr. 10

Spalte:

614-615

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hellinger, Walther

Titel/Untertitel:

Die Sprache im Dienst der Busse 1949

Rezensent:

Melzer, Friso

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

613

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 10

614

in der Bibel doch einen grundlegenden Gegensatz, und zwar
den von Gott und Teufel" (245).

In der Frage Gesetz und Evangelium findet B., daß
„Barth darum gegen jeden Versuch einer selbständigen Betrachtung
des Gesetzes polemisiert, weil er den usus civilis
ganz außer Betracht läßt. Damit würde seine Gesamtkonzeption
verdorben, denn das, was aus einem gewissen Gesichtswinkel
gesehen berechtigt ist, wird von ihm zum allgemeinen
Prinzip erhoben: daß das Gesetz als unselbständiges Werkzeug
für das Evangelium in eingeschränkter Bedeutung zu betrachten
ist" (264). In Barths Versuch einer Lösung des Problems
der politischen Ethik in „Christengemeinde und Bürgergemeinde
" sieht B. eine theokratische Linie und Annäherung
an die sonst abgelehnte analogia entis. Benktson bekennt sich
zu der lutherischen Auffassung, wonach der neue Mensch eine
Frucht des Evangeliums ist und nichts mit dem Gesetz zu
schaffen hat, während der alte Mensch unter dem Gesetz steht.
Die primäre Frage ist nicht die nach der natürlichen Gotteserkenntnis
im Gesetz, sondern die praktische nach dem Gebrauch
des Gesetzes.

„Eine Überwindung des Gegensatzes (sc. von Gott und Mensch) bedeutet
ein Verlassen der Ebene, auf der man nach des Menschen natürlichen
Voraussetzungen für die Offenbarung fragt. Die Theologie handelt nicht in
dieser Welse von Gott und dem Menschen, daß diese beiden von Anfang an
gegeneinander stehen sollen. Sie handelt von Gott, von Gottes Tat, vom
lebendigen und handelnden Gott, dessen Wirksamkeit nicht auf den Himmel
beschränkt ist, sondern auf Erden geschieht, in unserer Zeit, mit den Menschen.
Darum existiert überhaupt kein Problem der natürlichen Theologie. Das Wahrheitsmoment
in allem, was natürliche Theologie heißt, Ist der Gedanke an
Gottes Offenbarung auch außerhalb der Offenbarung in Christus. Dieser Oedanke
kann allerdings nicht innerhalb des Rahmens einer Entgegensetzung
von Oott und Mensch ausgeführt werden. Außerhalb dieser Antithese ist allerdings
dieser Gedanke gegeben, ohne daß eine natürliche Theologie angenommen
wird. Natürliche Theologie ist etwas, das restlos abgewiesen werden kann, ohne
daß die Reichweite der Offenbarung problematisch wird. Sie ist hier dasselbe
wie die dem natürlichen Menschen eigene falsche Religion" (271).

Trotz dieser scharfsinnigen Kritik an Barth bleibt die
Frage zurück, ob das Anliegen der dialektischen Theologie
richtig gesehen ist. Wenn Barth seinen Einsatz nimmt beim
Menschen qua Sünder, dann ist das keine Verkürzung der urständlichen
Schöpfungsrealität, sondern eine Aussage über den
heute wirklichen Menschen, wie er vom Evangelium her charakterisiert
wird. Auch Benktson muß schließlich zugeben,
daß er es nicht mit einem „neutralen" Menschen zu tun hat,
sondern mit einem, den eben der Teufel in der Tat schon
Immer reitet. Daß bei Barth die Dämonologie und Satanologie
zu kurz kommt, könnte ja darin seinen guten Grund haben, um
auf alle Fälle eine metaphysische Spekulation und eine Ausflucht
ins mythische Weltbild abzuschneiden. Der hier vorliegende
Versuch einer Entmythologisierung hat doch wohl
den Sinn, den Menschen auf alle Fälle für und in seiner Sünde
zu behalten. Daß die Transposition der dramatisch-dualistischen
Heilsgeschichte In einen „ontologischen" Gegensatz
(Gott-Mensch) nicht zu einer Verkürzung des Gedankens der
Königsherrschaft Christi zu führen braucht, das ist bei Barth
doch überaus deutlich. Iiier bliebe an Barth allenfalls noch
die Frage, wieweit die Verborgenheit der Königsherrschaft
Christi in diesem Aon noch ernst genommen wird.

Bei Benktsons Behauptung einer Offenbarung Gottes
außerhalb Christus scheint uns die schon von Söderblom vollzogene
Verwechslung von Allwirksamkeit und Offenbarung
Cottes vorzuliegen. Daß Gott auch „außerhalb der Offenbarung
in Christus" als deus absconditus in der Welt am Werk
■t, diese in ihrer Konfusion durch seine Providenz erhält,
Wirde auch Barth zugeben, doch bleibt die Frage, ob die Theologie
angewiesen ist, hierüber zu spekulieren. Benktson bleibt
JUÜ die Antwort auf die Frage schuldig, was er für ein Interesse
"at mit seiner Feststellung einer allgemeinen Offenbarung
°hne natürliche Theologie, und ob nicht das eine das andere
notwendig involviert.

Tübingen H.-H. Schrey

Ferm, Vergiiius: What can we believe? New York 1948. IX, 211 S. gr.8°.
» 3.—.

Die Wichtigkeit dessen, was Ferm hier unternimmt, ist
n'<'ht nur in dem amerikanischen, sondern nicht minder im
Jttropäischen Kirchenleben stark empfunden. In unserer zweien
Nachkriegszeit wird die Frage, was denn unbezweifelbares
y'it christlichen Glaubens sei, mit einem Ernst aufgeworfen,
der eine möglichst allseitige Behandlung verlangt, zumal es
eben gleichzeitig nicht an Angeboten fehlt, die schäbiger Er-
'^atz sein würden. Der europäische Leser wird, um ein rechtes
Verständnis für dies Buch zu gewinnen, gut daran tun, sich

die Eigenart nordamerikanischer kirchlicher Verhältnisse und
religiöser Verhaltungsweisen vor Augen zu halten bzw. aus
dem Buche herauszulesen.

Hierfür ist zu erwägen vor allem, so gewiß gerade die
psychische Lage heute über die Erde gleichartige Erscheinungen
aufweist, in Amerika im besonderen ein Widerstreit
zwischen Verstand und Glauben und das Bedürfnis einer entsprechenden
apologetischen Einstellung von Kirche und Theologie
heftig empfunden wird. Zweitens ist nicht zu vergessen,
daß während der Bemühungen um solche Apologetik bereits
seit langem ein Ausweg in der Überbetonung der aus dem
Evangelium abzuleitenden Forderungen erblickt wurde, die
zu der Marke „soziales Evangelium" führte. Ferner ist nicht
zu übersehen, daß der philosophische Unterbau der Theologie
des Landes im wesentlichen durch Locke und Hume bestimmt
ist, wie das Northrop in seinem Buche „The meeting of East
and West" (New York, Macmillan, 1948) aufs beste gezeigt
hat. Mit alledem verbindet sich in der amerikanischen Theologie
ein Niederschlag der Bibelkritik, die wegen geringer Verbreitung
der Kenntnis der griechischen Sprache nur von
wenigen nachgeprüft werden kann und von Fenn hier für das
Laienpublikum dahin zusammengefaßt wird, daß die Bibel
„eine Sammlung von vermischten Briefen, Essays, Gedichten
und Legenden" ist. Bei dem hieraus gefolgerten Grundsatz
liberaler Benützung der Bibel als Quelle des Christentums
lehnt man gern ab, sich um eine originale Fassung des Christentums
zu bemühen, und aus der Uberzeugung, daß „wir nicht
bloß von einer Form des Christentums behaupten können,
sie sei die unsre", erwächst in den hier vorgetragenen Zusammenhängen
der Ausblick: „Wir müssen, wie unsere Väter
vor uns, unser eigenes (Christentum) machen in Übereinstimmung
mit den Zeitverhältnissen und deren Forderungen."

Diese Stellungnahme ist selbstverständlich nicht als Ergebnis
kritischer Studien zu betrachten, sondern als ein Ausdruck
der allgemeinen humanistischen Anschauung, daß die
Religion ein Kulturprodukt ist und mit der Kultur sich ändert.
Ferm versteht Religion am besten aus der „Tatsache, daß
die Religionen natürliche Produkte und nicht übernatürliche
Aufnötigungen sind". Düs-r Gedanke wird weiter dahin ausgeführt
, daß wir eine Religion zu bejahen haben, wenn sie die
humanistischen Ideale pflegt. „Wir sind uns heute mehr denn
je dessen bewußt, daß wir für unseren religiösen Glauben
mehr Verstand einzusetzen haben, ein feineres soziales Gewissen
, und daß unsre Religion, wie immer sie aussehen möge,
verstandesmäßig abgestimmt sein muß auf eine endgültige
Vollendung für alle Menschenkinder."

Die unter den verschiedensten Gesichtspunkten geforderte
Verstandesgemäßheit der Religion darf nun aber nicht einfach
im Sinne alten Intellektualismus begriffen werden. Sie
ist ein Hauptpunkt dieses Buches und, soweit ich sehe, der
Grund, weshalb dasselbe in Theologenkreisen außerordentlich
geschätzt wird. Man gewinnt die rechte Perspektive dazu nur,
wenn man sich klar macht, daß man hier mehr als vielleicht
anderswo alles religiöse Gefühl, jeden Emotionalismus als den
Widerpart des Verstandes und der Vernunft fürchtet, seitdem
man jene trüben Erfahrungen mit den Revivals gemacht
hat, die man immer wittert, sobald eine mystische Welle sich
erhebt.

Diese tief im Unterbewußtsein des Kirchenmannes lebende
Angst vor allem, was an Revivalismus gemahnt, hat den Verf.
dieses kleinen Buches dazu vermocht, von der in aller Welt
viel genannten Negerkirche des Father Divine eine, wenn schon
für jeden, der sie nicht näher kennt, hochinteressante, jedoch
etwas mißverständliche und auch eingestandenermaßen auf
vorzeitig abgebrochener Beobachtung beruhende Beschreibung
zu liefern. Er findet kein Wort positiver Würdigung der eigenartigen
Lebhaftigkeit, wie wir sie in allen Kirchen von Farbigen
— und nicht nur in Amerika — als ihre Besonderheit antreffen
. Wir suchen vergebens nach einer religionshistorisch-
psychologischen Einstellung zu dem parabolischen Wort, das
Father Divine gelegentlich des Besuches von Ferm seiner Gemeinde
als die Grundlage ihrer wöchentlichen Meditation gab.
Dieser Umstand möge uns die Mentalität reflektieren, welche
der Verf. bei seinen Lesern voraussetzt. Die Frage des Titels
nach dem „Was" unsres Glaubens wird nur in ganz allge-
meüien Zügen beantwortet.

Chicago Karl Beth

Hellinger, Waithcr: Die Sprache im Dienst der Buße. München: Chr.
Kaiser [1949]. 58 S. 8°= Oottes Wort und Geschichte, H.9. DM 1.65.
Der Leipziger Missionsinspektor Walther Hellinger, der
1932—1939 als Missionar in Indien war, hat seiner hier zu besprechenden
Schrift kein Inhaltsverzeichnis beigegeben. Der
Leser entdeckt beim Lesen: der Verf. geht von der deutschen