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Ausgabe:

1949 Nr. 10

Spalte:

612-613

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Benktson, Benkt-Erik

Titel/Untertitel:

Den naturliga teologiens problem hos Karl Barth 1949

Rezensent:

Schrey, Heinz-Horst

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 10

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Vor allem die Vorlesung im Anschluß an das apostolische
Glaubensbekenntnis stellt das Ganze des christlichen Glaubens
, soweit der Text dazu Gelegenheit gibt, mit Vollmacht
dar. Gemäß der Vorlage hat auch Barths Darstellung weniger
den Charakter schulmäßig-methodischer dogmatischer Begründung
und Problemerörterung, als den des Bekenntnisses
in theologischer Gestalt. Oft gewinnt die Rede unmittelbar
packende Gewalt. Die Sprache nähert sich dann der homiletischen
. Die Auslegung des zweiten Artikels wird dem
Pfarrer für die Festpredigten ganz unmittelbar zur dogmatischen
Ausrichtung dienen können (W. Trillhaas hat Barths
Schrift in der neuen Auflage seiner „Predigtlehre" mit Recht
hierfür empfohlen).

Die wesentlichen Kennzeichen der Theologie Barths verleugnen
sich selbstverständlich auch in diesen Vorlesungen
nicht. Es sei nur auf zwei Punkte hingewiesen. 1. Die von der
Schrift bezeugte und in der Lehrtradition der Kirche anerkannte
revelatio generalis wird auch jetzt als nicht
vorhanden behandelt. Was hier zu tun wäre, scheint Barth
damit erledigt, daß er die natürliche Theologie, die rationalen
Gottesgedanken des Menschen abweist: sie haben mit Gott
„nichts zu tun" (S. 24, 38). Die Religionen und die Gottesgedanken
der Philosophen zeugen für Barth offenbar von
nichts anderem als von „religiöser Erfindungskunst", aber
auch Willkür des Menschen (S. 38). Uns scheint das Problem
der vor- und außerchristlichen Frömmigkeit und des „philosophischen
Glaubens" damit unerlaubt vereinfacht. — 2. Barths
Lehre von Evangelium und Gesetz tritt auch in
dieser Schrift in aller Deutlichkeit hervor. „Das Credo ist
immer gleichzeitig Evangelium, frohe Botschaft Gottes an den
Menschen . . . und als solche notwendig auch Gesetz"
(S. 19, Sperrung von mir). „Das Evangelium ist das Primäre,
die frohe Botschaft ist zuerst auf dem Plan und enthält als
solche das Gesetz." Es ist klar, daß bei dieser Auffassung das
Wort vom Zorne Gottes an Gewicht verlieren muß, vor allem,
daß die Versöhnung in Christus nicht mehr als das große
Wunder Gottes, als der Durchbruch durch das Zornesgericht,
das der Sünder unter dem Gesetze allein erwarten kann, zu
stehen kommt. Barth führt den Sünder nicht vom Gesetze,
unter dem er steht, weiter zum Evangelium, das des Gesetzes
Ende ist, sondern erinnert ihn an den dem Gesetze wesentlich
vorangehenden Bund der Gnade, der „in seiner Substanz
Jesus Christus" ist (Die christliche Lehre, S. 34). Stehen wir
damit noch bei Paulus, von Luther und den lutherischen Bekenntnissen
ganz zu schweigen ? Verliert das Evangelium in
dieser so hellen Evangelium-Gesetz-Theologie nicht seinen
dunklen Hintergrund und Kontrapunkt, sein göttliches Dennoch
, seine echte Geschichtlichkeit in der Welt und im Herzen
— wenn mir doch immer nur gesagt zu werden braucht, daß
ich auch, ja eben gerade unter dem Gesetze von ihm schon
herkomme, weil dieses im Evangelium von Anfang an
gründet ? Ist es wohlgetan, die ursprüngliche Gnade Gottes,
welche in der Tat der Grund seines Gebietens ist, schon
„Evangelium" zu nennen ? — Die beiden bezeichneten Punkte
gehören eng zusammen. Aber so sehr sie auch in diesem
Buche Barths bestimmend hervortreten, sie machen doch
nicht seinen ganzen Inhalt aus. Daher hört man den Vorlesungen
auf weite Strecken als einer vollmächtigen Auslegung
des Bekenntnisses ohne Anstoß und gern zu.

Weniger geglückt, literarisch und didaktisch, ist das
zweite Buch, in dem Barth die christliche Lehre nach dem
Heidelberger Katechismus darzustellen unternimmt. Das hat
gute Gründe. Der Heidelberger Katechismus ist in viel
höherem Maße eine theologische Arbeit als das Apostolikum.
Und seine Theologie ist vielfach eine andere als die von Barth.
Karl Barth will beiden gerecht weiden, er will den Katechismus
auslegen, zugleich aber die Sache in eigenem dogmatischem
Gedankengange und eigener Begriffsbildung entwickeln
. So stellt er jedem Paragraphen einen Leitsatz voraus,
der durchaus nicht Zusammenfassung des Lehrgehaltes der
betreffenden Fragen des Katechismus, sondern der eigenen
Gedanken Barths ist. Die Ausführungen erläutern nun teils
den Leitsatz, gehen teils dem Katechismustexte nach. Ist das
schon rein formell unbefriedigend, so ist es auch sachlich bedenklich
. Denn vielfach sagen der Katechismus und sein Ausleger
etwas durchaus anderes. An manchen Stellen spricht
Barth das selber nachher aus und bezeichnet die Unterschiede.
Aber nicht immer, vor allem nicht an einem entscheidenden
Punkte. Der Katechismus antwortet in Frage 3 eindeutig:
„Woher erkennst du dein Elend ? — Aus dem Gesetz Gottes".
Das widerspricht nun Barths Lehre von Evangelium und Gesetz
völlig. Demgemäß läßt er auch, ohne Rücksicht auf den
Katechismus, in seinem Leitsatz zu § 4 (S. 30) die Erkenntnis
der Sünde an Jesus Christus entstehen, wobei Gesetz und

Evangelium offenbar ineinsliegen. Für den Hiatus zwischen
Text und „Auslegung" ist bezeichnend schon, daß, wo der
Katechismus vom „Gesetz Gottes" spricht, Barth die Wendung
„Wort Gottes" bevorzugt, die dem Unterschiede von
Gesetz und Evangelium gegenüber neutral ist. Die gleiche
Diskrepanz kehrt wieder bei dem Abschnitt über „Gottes
Urteil" (S. 35) und dem über Gottes Gerechtigkeit (S. 41).
Diese Ausführungen sind, wie die meisten Abschnitte, lehrreiche
, im einzelnen zum Teil Neues bietende Darstellungen
der Dogmatik Barths. Aber daß sie sich in der Gestalt einer
Auslegung des Heidelberger Katechismus geben, kann ich
unter systematischem und didaktischem Gesichtspunkte
nicht glücklich finden. Interessant ist es freilich, in diesem
Buche Barths Verhältnis zu der reformierten Orthodoxie des
Katechismus — ausgesprochen und unausgesprochen — abgeprägt
zu sehen. Das gilt z. B. von Barths bestimmter Kritik
an der altreformierten (wie der altlutherischen) Christologie
und demgemäß auch der Abendmahlslehre (S. 71 f.; — die berühmten
Fragen 47 und 48 des Katechismus kommen als ein
„theologischer Betriebsunfall" zu stellen; weiter S. io6f.). Ich
stimme dieser Kritik zu, ebenso auch dem Satze, daß der
christologische und der Abendmahlsstreit, „wie er im 16. Jahrhundert
geführt wurde" (S. 107), überholt ist. In der ganzen
Sakramentslehre freilich bleibt ein nicht unbedeutender
Gegensatz zur lutherischen Kirche bestehen, der tiefste aber
in der Auffassung des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium
.

Beide Darstellungen Barths sind auf alle Fälle willkommen
, weil sie, schon ehe die „Kirchliche Dogmatik" vollendet
vorliegt, einen Eindruck von dem Ganzen seiner Lehre
bieten.

Erlangen Paul Althaus

Bcnktson, Benkt-Erik: Den naturliga teologiens problem hos Karl

Barth (Das Problem der natürlichen Theologie bei Karl Barth). Lund:

C. W. K. Gleerup 1948. XLII, 302 S.

Der Lunder Theologe Benktson legt mit dieser Arbeit
über das Problem der natürlichen Theologie bei Karl Barth
nichts weniger vor als eine mit größter bibliographischer Sorgfalt
und sachlicher Umsicht gearbeitete Theologiegeschichte
der Gegenwart, unter dem Gesichtspunkt der natürlichen
Theologie dargestellt. Er gliedert seine Arbeit um die fünf
Probleme: den Streit um den Anknüpfungspunkt; die Debatte
um die existenzialphilosophische Grundlegung der Theologie;
die Religion des natürlichen Menschen; Inkarnation und
Kirche; Schöpfung und Gesetz. B. will sich nicht bei derfl
Aufweis etwaiger Widersprüche bei Barth und seinen verschiedenen
Entwicklungsstadien oder dem „Kampf gegen eine
Attrappe" aufhalten, sondern dem wirklichen Anliegen der
dialektischen Theologie gerecht werden. Dies gelingt B. in der
Tat recht gut. Er sieht, daß man keine „Entwicklung" bei
Barth von der dialektischen zur existenzialistischen und
schließlich zur kirchlichen Theologie konstruieren darf, da
weder die Dialektik als selbstzweckliche philosophische Methode
, noch das Existentielle als Eigenwert, noch das Kirchliche
als Verzicht auf die Existentialität gesehen werden darf'
vielmehr muß dogmatisches Denken alle drei Momente in sich
enthalten: die Dialektik als das Wissen um den Unterschied
von Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf, das Existentielle
als das Wissen darum, daß es um „meine Sache" geht»
und das Kirchliche als das Wissen darum, daß der Glaube an
den Raum der Kirche gebunden ist.

B. sieht in der Kontroverse zwischen Brunncr und Barth
in der Frage des Anknüpfungspunktes eine Parallele zu <ler
Schwerpunktsverschiebung der Ratio - Revelatiokoinbinatio0
der Spätorthodoxie und Aufklärung. Barth merkt richtig, dJ5
es für Brunner letzten Eudes unhaltbar ist, bei einem rei°
„formalen" imago-Begriff stehen zu bleiben. Er hat darurü
recht mit seiner kategorischen Ablehnung. Der letzte GruOfl!
warum Barth eine „theologia naturalis" für unmöglich hält, w>
nicht sein Neukantianismus, auch nicht seine dialektisch
Denkart, sondern die Furcht vor einer Übertretung des erste
Gebotes, die Scheu vor einem Verfügcnwollen über Gott, als
ein echtes Glaubensmotiv. — Trotz dieses weitgehenden Verständnisses
für das Anliegen Barths setzt die Kritik Benktso»
an der Stelle ein, da ihm die unbiblische Antithetik Got '
Mensch, Himmel-Erde in der Sakramentslehre und der EkJÖ.
siologie zum Auseinanderbrechen zu führen scheint, weil o-
Tatsache der Inkarnation für den reformierten Theolog
Barth nicht im biblischen Vollsinne auszusagen ist. p**5
Antithetik nimmt Gott die Möglichkeit, wahrhaftig und rc
Mensch zu werden. „Für Barth stehen Gott und Mensch KcKjet
einander. Das ist kein biblischer Gegensatz. Aber mau fu'a