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Ausgabe:

1949 Nr. 10

Spalte:

610

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Zeugnis des Geistes 1949

Rezensent:

Heussi, Karl

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609

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 10

610

ment gegebenen Tatbestandes. Dadurch werden die neutesta-
mentlichen Anschauungen nicht gerade verfälscht, aber die
Akzente werden doch so gesetzt, daß die Aussagen des Neuen
Testaments unter eine von vornherein feststehende Meinung
gestellt werden.

Der Verf. verfolgt auch einen praktischen Zweck insofern,
als er sich mit den Anschauungen anderer Kirchen und Gruppen
auseinandersetzt; immer von den theologischen Grunderkenntnissen
aus, die durch die Freien evangelischen Gemeinden
gegeben sind.

Die Schrift trägt nichts Wesentliches zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung und Erkenntnis bei. Sie wird
über den Kreis der Freien evangelischen Gemeinden hinaus
keine große Bedeutung haben. Immerhin läßt sich aus ihr
manches über die gegenwärtige Gestaltung des Gemeindelebens
entnehmen.

Berlin Johannes Schneider

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Loewenich, Walther von: Humanitas — Christianitas. 3Vorträge.

Gütersloh: Bertelsmann [1948]. 131 S. kl. 8°.' Pp. DM4.—.

Das Büchlein enthält drei Vorträge: „Menschsein und
Christsein bei Augustin", „Gott und Mensch" (eine Einführung
in Luthers Schrift De servo arbitrio) und „Jacob
Burckhardt und die Kirchengeschichte". Sie sind eme Zusammenfassung
früherer Veröffentlichungen und unter dem
Titel Humanitas Christianitas ein wertvoller Beitrag zu dem
in der Gegenwart neu gestellten Problem. An drei entscheidenden
Begegnungen zwischen humanitas und christianitas
bei Augustiu, Luther-Erasmus und Jacob Burckhardt hat der
Verf. das Problem angefaßt, ohne, wie er selbst betont, den
Versuch zu machen, zu einer systematischen „Lösung" zu
kommen.

Der erste Beitrag geht von der besonderen geistesgeschichtlichen
Stellung Augustins aus, in dem sich das geistige
Gut der Spätantike und des frühen Christentums vereinigt.
Die 300jährige Geschichte des Christentums trug in sich die
Frage nach dem Verhältnis von Menschsein und Christsein.
Der Verf. weist dann wesentlich an Hand von Augustins Konfessionen
das Menschsein des Kirchenvaters als Erbteil seiner
Eltern nach und zeigt, wie schwer Mensch und Christ in
Augustin um die innere Einheit gerungen haben. Das Ergebnis
ist in keiner Weise eindeutig. Der Verf. stellt eine
Reihe Beobachtungen zusammen, die auf den Gegensatz von
Menschsem und Christsein bei Augustin hinweisen. In Antithese
und Synthese wird deutlich gemacht, daß Menschsein
und Christsein sich bei Augustin zu keiner spannungslosen
Einheit zusammengefunden haben. Wenn man auch an dem
einen oder anderen Punkt die Dinge etwas anders sehen kann,
so wird doch der Beitrag, der wertvolle Anregungen gibt,
dem Problem humanitas in entscheidender Weise gerecht.

Das gleiche gilt von dem zweiten Aufsatz „Gott und
Mensch". Er ist ursprünglich als Lehrbrief für kriegsgefangene
Theologen und Pfarrer (1945) eine Einführung in Luthers
Schrift De servo arbitrio. Nach Darstellung der geschichtlichen
Voraussetzungen und einem Aufriß der Diatribe des
Erasmus und Luthers De servo arbitrio wird die Frage nach
Luthers Verständnis des Determinismus, des Deus abscon-
ditus in de servo arbitrio und nach dem Sinn der Prädestination
gestellt. Vom Verf. ist es richtig gesagt, daß man bei
Luthers Lehre vom servum arbitrium von der üblichen Bezeichnung
„Determinismus" absehen sollte. Die Problematik
des Deus absconditus in de servo arbitrio wird von dem Verf.
deutlich gemacht. Der Sinn der Prädestination ist Ausdruck
der persönlichen Erfahrung Luthers von der unerhörten Lebendigkeit
und Freiheit Gottes, die keine bloße Präszienz verträgt
. Eme doppelte Prädestmation läßt sich in de servo
arbitrio nicht nachweisen.

„Jacob Burckhardt und die Kirchengeschichte" ist die
Antrittsvorlesung des Verf.s am 25.Mai 1946, dem 128. Geburtstag
von J. Burckhardt. J. Burckhardt, der sich selbst als
..humaner Spätling" empfunden hat, ist im Zeitalter der
Technik, der Massen und des Totalitarismus Bundesgenosse
im Ringen um die Wahrung des humanuni geworden. So sehr
der Theologie die Wahrung des christianum obliegt, kann sie
an Burckhardt als Vertreter abendländischer humanitas im
Ringen um die Neugewinnung der Grundlagen unserer geistigen
Existenz nicht ohne weiteres vorübergehen. Vor allem
kann die Kirchengeschichte ihn nicht unbeachtet beiseite
bissen, besonders wenn man mit dem Verf. in Burckhardt
trotz Bestreitung dieses Urteils einen Historiker größten Formats
sieht. Es stellt außerhalb jeder Debatte, daß die Kirchengeschichte
von Burckhardt lernen kann. Der Verf. prüft dann
in diesem Zusammenhang eingehend die Frage nach den
inneren religiösen Voraussetzungen zum Verständnis kirchengeschichtlichen
Geschehens. Man kann bei Burckhardt zu dem
Ergebnis kommen, daß Humanität Religionsersatz ist, wobei
der Verf. mit Recht zu einer dreifachen Überlegung (S. 118)
auffordert. Den Abschluß des Beitrages bilden Hinweise zum
Thema aus Burckhardts Werk „Weltgeschichtliche Betrachtungen
", deren Ertrag nicht außerordentlich ist. Trotzdem
meint der Verf., daß die Art der Betrachtung bei Burckhardt
die Kirchengeschichtsschreibung anregen kann. Wenn der
Verf. seine Betrachtung mit der Frage schließt: . . . „sollten
wir vielleicht an dem Punkte der abendländischen Geistesgeschichte
angelangt sein, an dem die reformatorische Streitschrift
gegen den Fürsten der humanistischen Frühzeit zum
wirksamsten Schutze des Vermächtnisses des .humanen Spätlings
' aufgerufen ist?", so ist diese Frage heute wirklich ernsten
Nachdenkens wert.

Berlin Walter Delius

Casel, Odo, D. Dr., O.S.B, f. Heilige Bronnen. XII Opstellen over Liturgie
en Monnikendom. Steenbrugge/Brüssel/Amsterdam: de Kinkhoren u.
DescI6e de Brouwer [1947]. XII, 264 S. 8°= „Pretiosas Margaritas" Bd. I.

Zeugnis des Geistes. Gabe zum Benedictus-Jubiläum 547—1947. Dargeboten
von der Erzabtei Beuron. Beuron: Beuroner Kunstverlag 1947.
236 S. m. 1 Abb., 4 Abb. auf Taf. gr. 8°= Beiheft v. 23. Jg. d. Benedik-
tinischen Monatsschrift. DM5.40.

Severus, Emmanuel von, o.s.B.: Der heilige Benedikt von Nursia und
die abendländische Sendung seiner Regula. Düsseldorf: Bastion-Ver-

Iag 1948. 63 S., 1 Abb. kl. 8°. Pp. DM2.—.

Die erstgenannte Veröffentlichung, buchtcchnisch mit
vollendetem Geschmack ausgeführt, enthält, in holländischer
Übersetzung, 12 Aufsätze liturgiegeschichtlichen und mönchs-
geschichtlichen Inhalts von Odo Casel, die dem geistigen
Schaffen ihres Urhebers ein ehrenvolles Denkmal setzen. Die
Themen sind: Das Opfer im Geist; die Messe als heilige
Mysterienhandlung; die ostchristliche Opferfeier als Mysteriengeschehen
; zur Idee der liturgischen Festfeier; Offizium und
Messe der heiligen Jungfrauen; der österliche Lichtgesang der
Kirche; die Neuheit in den Weihnachtsorationen; die Taufe
als Brautbad der Kirche; Altchristliches in der Totenliturgie;
die Perle als religiöses Symbol; vom heiligen Schweigen;
Mönchtum und Pneuma.

Die von der Erzabtei Beuron zum Benediktus-Jubiläum
(die Benediktiner nehmen 547 als Todesjahr an) dargebotene
Sammlung von 13 Beiträgen benediktinischer Verfasser umfaßt
sieben Untersuchungen zur Geschichte Benedikts sowie
vier liturgiegeschichtliche und zwei biblische Studien. Als
von allgemeinem Interesse sei der erschütternde Bericht über
den Untergang von Monte Cassino am 15. Februar 1944 hervorgehoben
.

Das Büchlein von E. von Severus gibt eine durch die
Werke seines Abtes Ildefons Herwegen angeregte allgemeinverständliche
Darstellung vom Lebensgang Benedikts und
vom Geist seiner Schöpfung sowohl nach der ethischen wie
nach der liturgischen Seite.

Jena Karl Heussi

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Barth, Karl: Dogmatik im Grundriß im Anschluß an das apostolische
Glaubensbekenntnis. München: Chr. Kaiser 1947. 181 S. DM5.40.

— Die christliche Lehre nach dem Heidelberger Katechismus. Vorlesung
in Bonn im Sommersemester 1947. München: Chr. Kaiser 1949. 110 S.
gr. 8°. DM4.50.

Diese beiden Bücher geben die Vorlesungen wieder, die
Karl Barth im Sommer 1946 und 1947 an der Universität
Bonn gehalten hat. Beide Male handelt es sich um mehr oder
weniger bearbeitete Nachschriften. Sie tragen naturgemäß die
Spuren des Gedränges, in das jeder Dogmatiker gegen Ende
des Semesters zu kommen pflegt. In der Vorlesung über das
Apostolikum blieb für den dritten Artikel nur noch sehr wenig
Raum; die Auslegung des Heidelberger Katechismus reicht
nur bis zur Frage 80, zu allem Folgenden sind nur noch Leitsätze
abgedruckt. Auch sonst sind die beiden Arbeiten kein
„Buch" im Stile der anderen Arbeiten des Verf.s geworden.
Sie geben den wesentlich freien Vortrag wieder. Bringt das —
wie Barth selber sagt — hie und da Mangel an Präzision mit
sich, so wird man dafür entschädigt durch die Lebendigkeit
des gesprochenen Wortes, die auch in der gedruckten Gestalt
erhalten geblieben ist.