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Ausgabe:

1949 Nr. 10

Spalte:

607-608

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Noack, Bent

Titel/Untertitel:

Satanás und sotería 1949

Rezensent:

Bauernfeind, Otto

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607

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 10

608

NEUES TESTAMENT

Noack, Bent: Satanäs und Soterfa. Untersuchungen zur neutestament-
lichen Dämonologie. Kopenhagen: Q. E. E. Gads Forlag 1948. 141 S. 4°.

Es gibt im NT keinen Text, „dem sich nicht auch ohne
eingehendere Kenntnis der Vorstellungen vom Teufel ein
einigermaßen vernünftiger und befriedigender Sinn abgewinnen
ließe". Damit hängt es zusammen, daß die Gestalt
des Satans in der neutestamentlichen Forschung verhältnismäßig
selten Gegenstand einer Sonderuntersuchung geworden
ist; der Ausfüllung dieser Lücke dient die vorliegende Monographie
. N. geht von den „Voraussetzungen im Judentum"
(S. 12—49) aus; in dem Hauptteil der Arbeit („Die Verwertung
im Neuen Testament", S. 50—122) werden, sachgemäß
in sechs Abschnitte aufgegliedert, die einschlägigen
Einzelprobleme des NT besprochen; den Abschluß (S. 123 bis
137) bildet eine systematische Zusammenfassung.

Wer die Aussagen des NT über den Satan und die ihm
— mehr oder minder nah — verwandten unsichtbaren Mächte
als nebensächlich und für das Verständnis der urchristlichen
Botschaft unerheblich einschätzen wollte, der würde den
Texten nicht gerecht. Es ist auf diesem Gebiete zwar manches,
aber zweifellos nicht alles von sekundärer Bedeutung. Demnach
erhebt sich die Frage, was denn die neutestamentlichen
Autoren über das Verhältnis des Satans zur Welt und zum
Menschen eigentlich übereinstimmend an Neuem zu bieten
haben. Wer jedoch die Texte unter Beschränkung auf diese
Fragestellung durchgeht, der wird über die Peripherie der
eigentlichen neutestamentlichen Anliegen gleichfalls nicht hinauskommen
; er stößt auf Anschauungen, die untereinander
stark variieren und wenig Originalität aufweisen. Zu einer
theologisch fruchtbaren Fragestellung kommt nur, wer sein
Hauptaugenmerk statt auf kosmologische und anthropologische
Probleme auf das Zentrum der neutestamentlichen Verkündigung
, auf die Soteria richtet; das deutet N. gleich durch
die Überschrift seiner Arbeit an. Als Antwort auf diese „sote-
riologische" Fragestellung ergibt sich die Erkenntnis, daß die
Hauptfunktion des Satans und der Mächte in der aktiven Todfeindschaft
gegen die Soteria besteht und daß demgegenüber
die anderen Funktionen, die sonst etwa mit dem Begriff der
teuflichen Macht verbunden werden, beträchtlich zurücktreten
. Die Verführerrolle des Satans liegt viel seltener im
Blickfeld des NT, als man gemeinhin annimmt und wo sie erscheint
, ist sie manchmal eng begrenzt; an den himmlischen
Ankläger und an den Beherrscher der Hölle aber ist (vielleicht
abgesehen von je einer Ausnahme, Apok. 12, 10 bzw. Jak. 3, 6)
überhaupt nicht gedacht. Der Leser darf darum diese Funktionen
nicht seinerseits stillschweigend in die Texte eintragen.
Wesentlich ist nur folgendes: Der glaubende Mensch sieht
sich auf dem ihm vorgezeichneten Wege machtvollen Anfeindungen
ausgesetzt, über deren transzendente Herkunft
ihm kein Zweifel besteht. Er darf sich aber auch in den schwersten
Stürmen durch die Botschaft Jesu und durch seine exorzistischen
Taten etwas gesagt sein lassen, dessen ihn keine
anderweitige „Dämonologie" versichern kann (S. 72), nämlic h
daß die Gottesherrschaft der Gegenmacht ein Ende setzt. Er
darf sich durch das apostolische Zeugnis (in verschiedenartiger
Ausgestaltung) sagen lassen, daß der Tod Jesu, sein scheinbares
Unterliegen, in Wahrheit gerade schon die entscheidende
Niederlage der Gegenmacht bedeutet und daß diese Niederlage
trotz aller noch sehr spürbaren und womöglich gesteigerten
satanischen Aktivität vollendet werden wird. „Die Aussagen
über die dämonischen Mächte im NT sind nicht durch bestimmte
Anschauungen über diese Wesen bestimmt, sondern
durch den Glauben an Christus und das in ihm verwirklichte
Heil" (S. 136). Die „Anschauungen" sind im großen und
ganzen ohne charakteristische Weiterbildung aus der jüdischen
Dämonologie übernommen (S.49). Ja, man wird mit einigem
Recht sogar von einer gewissen Rückbildung der Anschauungen
sprechen dürfen. Das geht m. E. aus N.s Untersuchungen
hervor, wenn er diese Tatsache auch nicht besonders unterstreicht
. Das Erscheinungsbild des Satans verliert weithin die
Prägung, die ihm der nachprophetische Dualismus gegeben
hatte; was an ihre Stelle tritt, erinnert nicht so sehr an die
Gebilde der zeitgenössischen dualistischen Gnosis, als vielmehr
an den älteren vorprophetischen, „vielleicht sogar vormosaischen
" (S. 124) Dualismus (Archaisierung ist hier längst
nicht so irreführend wie Modernisierung, also etwa die Eintragung
des dem NT fremden Begriffs „Dämonie", vgl. N.
S. 9). Man mag sich fragen, ob im NT die Dämonologie das
einzige Gebiet ist, auf dem hinter dem Zeitgeschichtlichen
auch Urtümliches überrachend stark in Erscheinung tritt.

Eine Reihe von wichtigen umstrittenen Stellen des NT und der jüdischen
Literatur bespricht N. eingehend; er hätte die Auseinandersetzung mit den
hier gegebenen Anregungen erleichtert, wenn er dem Buch einen Index oder
ein detaillierteres Inhaltsverzeichnis beigegeben hätte. Hier und da zieht er seine
Linie wohl allzu scharf durch. Über die Versuchungsgeschichte z. B. sagt er
S. 85: „Der Bericht nennt den Teufel ö 7ttLqdt,o>v, setzt also voraus, daß er als
solcher auftreten kann, und die Form ist die einer Versuchungsgeschichte. Der
Inhalt ist aber ganz anderer Art". Das in den Texten ausdrücklich genannte
Hungergefühl Jesu, das immerhin für einen wirklich versucherischen Inhalt
der Geschichte — und somit gegen N. — geltend gemacht werden kann, findet
keine Erwähnung. Verf. betont dann weiter, daß die Besessenheitsvorwürfe
gegen Jesus im Johannesevangelium nur im abgeblaßten Sinne einer Geisteskrankheit
zu verstehen seien; die dem entgegenstehende Verbindung des Besessenheitsvorwurfs
mit dem Hinweis auf die samaritische Art Jesu (8,48;
S. 66) bleibt gleichfalls unbeachtet. Mir scheint nach wie vor, daß hier der Ge-
dani e an ein daimonion aus der Welt des samaritischen Offenbarungszaubers
am nächsten liegt. Auch bei Paulus (l.Kor. 10, 20) scheint mir zwischen
Dämonen und Fremdgöttern doch eine nähere Verbindungsmöglichkeit zu bestehen
, als Verf. zugibt; seine Bemerkung zu 1. Kor. 8, 4 f. (S. 51, Anm.2;
vgl. S. 12, Anm. 2) halte ich für anfechtbar. Den von Paulus nach Act. 16, 18
ausgetriebenen Python, dessen Beziehung zur heidnischen Götterwelt kaum
bestritten werden kann, scheidet N. offenbar von vornherein aus dem Bereich
der NT-Dämonologie aus, aber mit welchem Recht? Zu Apok. 12, 10 wäre zu
fragen, weshalb Verf. hier (S. 115) die Möglichkeit eines gottfeindlichen Anklägers
im Himmel ausschließt, die er vorher zu 1. Henoch 40, 7 (S. 36) und
Jubil. 48, 15 (S. 42) doch anerkannt hat. Was schließlich die Dämonen in den
synoptischen Evangelien betrifft, so ist ihr Wirkungsbereich schwerlich radikal
auf das somatisch-physische Gebiet (allerdings einschließlich der Geisteskrankheiten
) zu begrenzen. Sie haben zwar keine verführerische Funktion, das betont
Verf. mit Recht, aber da ihr „ich" in den von ihnen befallenen Menschen
offensichtlich die Führung zu übernehmen und sich weithin an die Stelle des
menschlichen „ich" zu drängen vermag, reicht die Gefährdung, die sie bringen,
doch über das hinaus, was man „Geisteskrankheit" nennen könnte. Sie betriff
den ganzen Menschen. Daß die Dämonen sprechen können, hält Verf. zwar für
wahrscheinlich (S. 68), es ist aber bezeichnend, daß er die Frage danach — die
m. E. gar keine Frage ist — überhaupt stellt. Durch eine etwas gelöstere
Linienführung würde N. das Gewicht seiner Argumente nicht etwa abgeschwächt
, sondern verstärkt haben. Wer N. wirklich widerlegen will, der
müßte die Behauptung wagen, daß im NT letztlich eine einheitliche Vorstellung
der teuflichen Macht bestehe und daß die im einzelnen Falle nicht genannten
satanischen Funktionen doch jeweils immer mit gemeint seien. Eine derartige
Gegenthese Ist aber unhaltbar.

Aufs Ganze gesehen wirkt die Beweisführung durchaus
überzeugend, zumal da Verf. auf alle ihm bewußten etwaigen
Fehlerquellen selbst nachdrücklich aufmerksam macht und
vor einem „non liquet" auch dann nicht zurückschreckt, wenn
es seine Kreise stört. Man faßt zu der ruhigen und unvoreingenommen
-selbständigen Denkweise des Verf.s schnell Vertrauen
. Der dänische Leser wird für die dänische Inhaltsübersicht
am Schluß dankbar sein; der deutsche Leser wird es begrüßen
, daß ihm das wertvolle Buch in seiner Muttersprache
zugänglich ist. Es bedeutet unbestreitbar eine wesentliche
Förderung der neutestamentlichen Wissenschaft; ist doch gc'
rade auf dem Gebiet der Dämonologie mancher Irrweg dadurch
zustande gekommen, daß man sich vorschnell mit dem
„einigermaßen vernünftigen und befriedigenden Sinn" begnügte
, zu dem gerade Texte von tieferer Bedeutung bisweilen
verleiten. Es ist im Interesse der Forschung zu hoffen, daü
Verf. sich entschließen möchte, auch die vorläufig zurückge'
stellten Aufgaben (S. io) bald in Angriff zu nehmen.

Tübingen Otto Bauernfeind

Bussemer, Konrad f: Die Gemeinde Jesu Christi. Das Wesen der ße"

meinde Jesu nach dem Neuen Testament besonders hinsichtlich ihrer Glieder
und Ordnungen. Hrsg. in Verbindung mit mehreren Brüdern. 5. Aufl. ^
ten: Bundes-Verlag [1948]. 112 S. 8° = Schriftzeugnisse 5. Folge. Kar1-
DM 2.—.

Der Verf. war theologischer Lehrer am Predigerseniina1
der Freien evangelischen Gemeinden. Dadurch ist die Eigen"
art der vorliegenden Schrift bestimmt. Es wird wohl eine sachgemäße
Darstellung des Wesens der Gemeinde nach dej»
Neuen Testament gegeben. Die wichtigsten Gesichtspunkt
sind klar herausgearbeitet. Die Arbeit hätte aber an Wert gewonnen
, wenn die Ergebnisse der neueren neutestamentlich6
Forschung auf diesem Gebiete stärker berücksichtigt w°rcV3.
wären. Man vermißt vor allem die Aussagen des Neuen Test
ments über die Gemeinde als den Leib Christi, die grl111
legend für das von dem Verf. behandelte Thema sind. BcclaU.pfl
lieh ist, daß die Schrift nicht frei ist von einer bestimm^
Tendenz. Die den Freien evangelischen Gemeinden el£ejj.
Lehre von der Gemeinde kommt immer wieder zum Uurgis
bruch. So ist das dogmatische Interesse zuweilen stärker »
das sachliche Bemühen um die Erkenntnis des im Neuen Tes