Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1949 Nr. 9

Spalte:

563-564

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Kunzelmann, Adalbero

Titel/Untertitel:

Einführung in den gregorianischen Choral 1949

Rezensent:

Dohmes, Ambrosius

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

563

Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 9

564

Kirchenmusik einführt und darum in hohem Maße gesinnungsbildend
wirken muß. Aber auch der Fachmann wird aus manchem
Weisheitsspruch und mancher klugen Beobachtung Gewinn
ziehen.

Berlin Oskar Söhngen

Kunzelmann, Adalbero, p. Dr., o.e.s.a.: Einführung in den gregorianischen
Choral. 2. Aufl. Tübingen: Schultheiß 1947. 48 s. kl. 8»= Lebendige
Kirchenmusik. Kleine Schriftenreihe für Organisten und Chorleiter.
Hrsg. p. Dr. A. Kunzelmann. H. 1. Kart. DM 1.—.

Das Büchlein behandelt in sieben kurzen Abschnitten
Eigenart und Geschichte des Chorals, Noten und Notenschrift,
die Choraltonarten, den Rhythmus, den Vortrag, die Psal-
modie und die Choralbegleitung. Es bietet so „das allernot-
wendigste Rüstzeug" (Vorwort) für Organisten und Chorleiter
. Auf knappem Raum ist viel Wertvolles zusammengetragen
.

Auf einige der zu beanstandenden Einzeilheiten sei kurz eingegangen:
Das Quilisma wurde ehedem wohl nicht „wie der jetzige Doppelschlag oder
Triller ausgeführt" (S. 10), es war eine portamentoartig ausgeführte Schleiffigur
(s. P.Wagner, Einführung in die gregorianischen Melodien II, 149). —
Abschwächen des Klanges liqueszierender Noten (S. 10), leichteres Nehmen der
Noten vor und nach dem Pressus (S. 12) oder vor und nach „der schweren
Zeit" (S. 20) sollte man nicht vorbehaltlos anraten, damit nicht doch das vom
Verf. verurteilte „Hämmern" (S. 20) entsteht. Betonte wie unbetonte Noten
sind organisch der dynamisch sich steigernden linearen Melodieführung einzugliedern
. Damit sei nicht mit dem Verf. ein absolutes Crescendo für jedes
Ansteigen und Decrescendo für jedes Absteigen der Melodie (S. 28) empfohlen
. Es sei vielmehr eigens hervorgehoben, daß man der dynamischen Eigenart
der Neumen Rechnung tragen muß. Ein Trigon ist auch in einer melodisch
ansteigenden Linie oder auf ihrem Höhepunkte weniger stark, eine Bistropha

bzw. Tristropha sogar leise zu nehmen. Ist das Ziel der melodisch absteigenden
Linie eine Bivirga, Trivirga oder Pressus, so hat man hier bis zum Erreichen
dieser starken Töne crescendo zu singen. Weder in der Literatur noch in der
Praxis wird der Ausdruckscharakter der Neumen hinreichend berücksichtigt
(eine rühmliche Ausnahme macht das soeben wieder erschienene Choralmeßbuch
von P. Andreas Winninghoff, O.S.B., Verlag Schwann, Düsseldorf). Und
doch fußt gerade hierauf eine dynamisch elastische, dabei allem Subjektivismus
bare und von jeglicher Romantik freie, vielmehr der Blütezeit der gregorianischen
Gesangspraxis nördlich der Alpen (9.—11. Jahrhundert) am ehesten
gerecht werdende Wiedergabe der Choralgesänge. — Die Ratschläge für die
Zeitmaßbestimmung der Melodien (S. 28 u. 31 f.) kann man nicht in allem
billigen. — Die Charakteristik der Tonarten (S. 17) trifft nicht immer das
Wesentliche. So schickt sich z. B. die zweite Tonart nicht nur „zur Trauer";
auch das jubelnde österliche Graduale „Haec dies" oder der majestätische In-
troitus „Ecce advenit" und ähnliche Gesänge stehen in der zweiten Tonart.
Ebenso unhaltbar ist die Auffassung, die vierte Tonart „schmeichle". Zur
Widerlegung dürfte der Hinweis genügen auf das mit starker, wenn auch verhaltener
Energie geladene Osteroffertorium „Terra tremuit" oder das von gewaltiger
innerer Spannung erfüllte Pfingstoffertorium „Confirma hoc" u. a. —
Bei der Frage nach den Vorzeichen der transponierten Gesänge für die Choralbegleitung
ist das Beispiel des Intfoitus von Epiphanie (S. 44) nicht gut gewählt
. In der Transposition um eine Quint nach oben wird hier die Begleitung,
wenn es auch theoretisch nicht falsch wäre, praktisch das Fis nicht benutzen.

Trotz seiner kleinen Mängel kann das Werkchen ebenso
wie das im gleichen Jahre von P. Bonifatius Gatterdam, O.S.B.,
vorgelegte Heftchen ,,Cantate Domino — Einführung in den
Choral" (Münster, Regensbergschc Buchhandlung) seinen
Zweck erfüllen, das erste „Verständnis für den Choral zu erschließen
" und „zu eingehenderem Studium dieser heiligen'
Kunst zu begeistern".

Maria Laach Ambrosius Dohmes

VON PERSONEN

In memoriam Andreas Evaristus Mader

Wieder ist vor kurzem ein hervorragender Palästinaforscher aus dem
Leben geschieden, dessen hier gedacht werden soll. P. Dr. Andreas Mader,
S.O.S., war am 9. Januar 1881 zu Großlangheim (Unterfranken) geboren, trat
frühzeitig der Gesellschaft der Salvatorianer bei und legte am 8. Oktober 1897
In Rom die Ordensprofeß ab. Den theologischen Studien widmete er sich in
Rom und in Freiburg (Schweiz), wo er am 25. Juli 1903 zum Priester geweiht
wurde. Zum Doktor der Theologie promovierte er mit der Abhandlung „Die
Menschenopfer bei den alten Hebräern und benachbarten Völkern", Freiburg
i. Br. 1909, die schon alle Vorzüge seiner späteren Arbeiten in Gründlichkeit
und Gewissenhaftigkeit zeigte. Seine Studien setzte er am Päpstlichen Bibel-
Institut in Rom fort, worauf er einige Zeit Professor am Regionalseminar in
Tivoli war. 1911 entsandte ihn die Görresgesellschaft zu Forschungen nach
Palästina. Ich landete am 3. November 1911 In Jaffa zugleich mit ihm und
lernte ihn dort kennen. Wiederholt sind wir uns Im Lande begegnet, und daraus
entstand eine Freundschaft, die sich bis zu seinem Tode im gegenseitigen Austausch
bewährte. Er war ein stiller, bescheidener Mensch, der sich nie hervordrängte
, aber alles, was er unternahm, mit Gewissenhaftigkeit vorbereitete
und dann mit aller Zähigkeit und Umsicht verfolgte. Zweimal (22. Dez. 1923
und 15. Jan. 1934) hat er mich besucht und mit berechtigter Freude von seinen
Plänen berichtet. Ein regelmäßiger Briefwechsel behandelte alles, was ihn in
Palästina beschäftigte, insbesondere Hebron und seine Geschichte, also eine
Gegend, die er schon in seinem monumentalen Werke „Altchristliche Basiliken
und Lokaltraditionen in Südjudäa", Paderborn 1918, behandelt hatte. Als er
Feldprediger im ersten Weltkriege war, traf ihn im Schützengraben eine Ora-

nate und verletzte ihn an Schulter und Bein so schwer, daß er monatelang im
Krankenhaus lag und beinahe keine Hoffnung auf Oenesung hatte. Aber mit
eiserner Willenskraft raffte er sich auf und war 1925—1932 als Direktor des
Orientalischen Instituts der Görresgesellschaft in Jerusalem tätig. Dabei ging
er trotz seiner Schwäche weit über die Grenzen des Landes hinaus und war
1928 in Antiochia, Seleukcia und hamä. Im Lande selbst erforschte er eifrig die
vorgeschichtlichen Denkmäler (Dolmen) und leitete erfolgreiche Ausgrabungen
an wichtigen Stellen, so auf ramet el-challl bei Hebron, der Stätte der berühmten
Tereblnthe mit einer Basilika Konstantins, bei der Kirche der Brotvermehrung
am See Genezareth mit ihren wundervoll ausgeführten und erhaltenen
Mosaiken und bei dem Winterschlosse eines omajjadischcn Kalifen
des 8. Jahrhunderts auf chirbet el-minje. Diese letzte Grabung haben dann
A. M. Schneider und O. Puttrich-Reignard fortgesetzt. Zu seinem großen
Schmerz verbot ihm sein wesentlich schlechter gewordenes Befinden die Rückkehr
in das Land seiner Sehnsucht. Jahrelang lag er krank, oft von schweren
Herzanfällen und Schwäche geplagt, aber treulichst gepflegt, in Krumbad,
Percha bei Starnberg, zuletzt im Salvatorlaner-Krankenhause In München,
wo er am 13. März 1949 entschlafen ist. Mit eiserner Willenskraft hatte er doch
noch seinen ausführlichen Bericht über die Grabung auf ramet el-challl fertig'
gestellt, den Prof. D. Dr. F. Stummer herausgeben wird. Auf die Ausführung
aller anderen Pläne hatte er, ergeben In Gottes Willen, verzichtet, obwohl er
der Wissenschaft noch viel Wertvolles hätte sagen können. Aber alle, die rn"
ihm in Berührung traten, werden dem kenntnisreichen Gelehrten, dem erfolg"
reichen Forscher, dem treuen Priester und Seelsorger ein dankbares Oedäclitms
bewahren.

Dresden Peter Thomsen

BERICHTE UND MITTEILUNGEN

Noch einmal: Velut ille ad Rombum.

C. Stange hat in ThLZ 1949, Nr. 6, Sp. 359 ff. auf meine Ausführungen
in ThLZ 1948, Nr. 11, Sp. 690 ff. geantwortet und seine abweichende Auffassung
erneut begründet. Im folgenden sei kurz gesagt, warum ich ihm bei
aller Würdigung des lehrreichen neuen Materials, das er heranzieht, im Ergebnis
doch nicht zustimmen kann.

1. Stange fragt: „Kann Luther nicht an den beiden Stellen (sc. WA 2,
664 u. 18, 603) verschiedene Motive aus der nach verschiedenen Seiten sich
wendenden Satire Juvenals herausgegriffen haben, so daß er sie das eine Mal
in diesem, das andere Mal in jenem Sinne verwendet?" (Sp. 359). Gegen diese
Möglichkeit spricht, daß der Anspielung Luthers offenbar eine sprichwörtliche
Verwendung des Rombus zugrunde liegt. Luther schaltet nicht frei mit der
Satire Juvenals, sondern er bedient sich einer geprägten Redensart. Ist deren
Sinn aber an einer Stelle eindeutig zu ermitteln, so wird man zunächst versuchen
müssen, die andern einschlägigen Stellen von da her zu deuten. Ers
wenn dieser Deutungsversuch nicht glückt, wird eine andere Lösung zU
suchen sein.

2. WA 2, 664, I ff. spielt zweifellos auf Catullus an. Die Frage ist »j*
ob WA 18, 603, 19 ff. so gehalten ist, daß hier die Rombusanspielung
selben Sinn ergibt wie dort. Ein Vergleich zeigt, daß an beiden Stellen ein Ve
fehlen des Gegenstandes, der zur Verhandlung steht, gegeißelt werden so «
vgl. WA 2: „Ich beschwöre dich, wenn du demnächst einen Einäugigen I«
willst, so lobe nicht einen Tauben" mit WA 18: „Es sei denn, daß du . • •
eine vornehmen und das andere behandeln wolltest" (übers.). Vgl. auch die
Stange (Sp. 361) herangezogene Stelle EA 7, 317 (= WA 18, 753): Qu" ^ 0
rhetor ille fugit, qui dicturus de palma nihil dicit nisl de Cucurbita? — EA ' ft
(= WA 18, 756) scheint (gegen Stange Sp. 361) mit dem Rombtis-SpricM f
nicht zusammenzuhängen. — Dagegen verweisen wir auf die ehemals gel»'
Redewendung „nihil ad rhombum" in der Bedeutung: „das dient nich