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Ausgabe:

1949 Nr. 1

Spalte:

42-43

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Ortiz de Urbina, Ignacio

Titel/Untertitel:

El simbolo niceno 1949

Rezensent:

Altaner, Berthold

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 1

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Die Verschiedenheit solcher aus verschiedenen Motiven
erwachsenden Formeln steht am Anfang. Die Entwicklung
vollzieht sich in einer Zusammenfügung und in fortschreitender
Assimilation.

Mir scheint, daß, wenn es das Ziel ist, die Entwicklung
der altkirchlichen Symbole zu rekonstruieren, möglichst ein
fester literarischer Begriff von „Bekenntnis" zugrunde gelegt
werden müßte. Gewiß ist kein Zweifel, daß in Texten wie
Phil. 2, 6—11 inhaltlich Motive zum Ausdruck kommen, die
auch im Bekenntnis ihren Platz haben; aber ist Phil. 2, 6—11
oder Kol. 1, 16 f. (bzw. 1, 15—20) ein Bekenntnis und nicht
vielmehr ein Lied ? Man sollte doch zwischen den literarischen
Gattungen unterscheiden, also zwischen Bekenntnis und Lied,
und diese auch gegen andere liturgische Texte abgrenzen wie
Gebet und Doxologie. Die „Lieder" in Apok. sind doch meist
nur Doxologien. 'Auf den Inhalt gesehen, besteht zwischen
allen diesen Gattungen eine große Gemeinsamkeit, auf die
Form gesehen auch eine gewisse Verwandtschaft des feierlichen
liturgischen Tones der Sprache. Indessen hat doch jede
Gattung ihre charakteristische Form, die zu beschreiben wäre,
damit das Eigentümliche des Bekenntnisses und damit auch
seine Geschichte deutlicher hervortritt.

Sollte von hier aus (wenngleich nicht von hier aus allein)
nicht auch ein auffülliges Phänomen Licht erhalten, nämlich
die Tatsache, daß in christologischen Bekenntnissen zu Anfang
offenbar zwei Motive wirksam waren: die Charakteristik
der Person Christi und die Beschreibung seines Heilswerkes ?
Zeugnisse für den zweiten Typus dürften z. B. Rm. 3, 25 und
4, 25 sein, Stellen, die der Verf. leider nicht berücksichtigt
hat, die mir aber tradierte Formeln zu enthalten scheinen.
Warum werden solche Sätze im Laufe der Bekenntnisbildung
reduziert bzw. der Charakteristik der Person Christi subordiniert
? Wird die Ausgestaltung dieses Motivs vielleicht
vom Lied übernommen? Es dürfte z.B. 1. Pt. 2, 21—24
schwerlich aus einem Bekenntnis, vielmehr wahrscheinlich aus
einem Liede stammen. Auch 1. Tim. 3, 16 dürfte eher aus
einem Liede als aus einem Bekenntnis entnommen sein, während
z. B. 1. Kr. 15, 3—5 (7) natürlich nicht aus einem Liede
stammen kann. (Ich darf zu solchen Fragen auf meinen Aufsatz
„Bekenntnis- und Liedfragmente im ersten Petrusbrief"
in der Festschrift für Anton Fridrichsen, Coniect. Neotest. XI,
1947, verweisen.)

Das 3. Kapitel untersucht die Struktur der alten Formeln
und ihre Entwicklung. Die meisten alten Formeln sind ausschließlich
christologische, aber neben ihnen stehen schon
binitarische Formeln, bis dann, zuerst bei Irenaus greifbar,
die trinitarische Formel erscheint. „La proelamation du Christ
est le point de döpart de toute confession chr^tienne" (31).
In den binitarischeu Formeln ist auch das Interesse an der
Christologie das Beherrschende, da Gott in ihnen als derjenige
bekannt wird, der Christus von den Toten auferweckt
und zum Flerrn erhöht hat. Aber auch die trinitarischen Bekenntnisse
sind durch die Christologie bestimmt: der Geist ist
der von Christus gesandte oder das 7ivtvfia 7tQO(pr]nx6v, das im
AT auf Christus hinwies. Freilich kommt für die binitarischen
Formeln dazu der Kampf gegen das Heidentum, dem gegenüber
der Monotheismus im Bekenntnis seinen Ausdruck finden
mußte (vgl. 1. Kr. 8, 6; 1. Tim. 2, 5; 6, 13 f.;2. Tim. 4, 1 usw.).
Als besonderes Motiv für die Entstehung der trinitarischen
Formeln nennt der Verf. sehr einleuchtend die Tatsache, daß
das Bekenntnis seine besondere Rolle bei der Taufe spielte,
in der der Gtist die wirkende Kraft ist; die Bedeutung des
nvivfta für die Sündenvergebung und die Auferstehung sei
auch der Grund dafür, daß diese Themen in den 3. Artikel aufgenommen
wurden.

Das 4. Kapitel fragt, was nach den ersten Bekenntnissen
als der wesentliche Inhalt des christlichen Glaubens zu bezeichnen
sei. Die Antwort ist durch das 3. Kapitel eigentlich
schon gegeben: der Kern des Bekenntnisses ist das christologische
Bekenntnis, von dem aus das Bekenntnis zu Gott und
zum Geist zu verstehen sind. Für das christologische Bekenntnis
sind typisch die Sätze von der Gottessohnschaft Christi
und von seiner Auferstehung und Erhöhung zum Herrn (wobei
der Schwerpunkt auf dem zweiten liegt); weniger regelmäßig
begegnet in den alten Formeln der Satz von seiner
Wiederkunft. Dagegen kommt das Faktum der Herrschaft
des Erhöhten stark zum Ausdruck in den Sätzen von der
Unterwerfung der kosmischen Mächte unter ihn. Eben deshalb
, meint der Verf., bedurfte es der ausdrücklichen Erwähnung
der Hoffnung nicht; es war ja gesagt, daß Christus
den Sieg schon errungen hat. Darin scheint mir der Verf. freilich
nicht recht zu haben. Ich glaube, daß der Satz von der
Parusie zu den ältesten Bekenntnissätzen gehörte, auch wenn
sie nicht ausdrücklich von dem „Kommen" Christi redeten,

wie später das Symb. Rom. Sie brachten den Parusiegedanken
durch die Wendung von Christus als dem (künftigen) Richter
der Lebendigen und der Toten zum Ausdruck (2. Tim. 4, I;
i.Pt. 4, 5; Act. 10, 42; Barn. 7, 2; Pol. Phil. 2,1; 2. Clem.
1,1). Und daß dies älteste Tradition ist, scheint mir daraus
hervorzugehen, daß es die jüdisch-christliche Tradition ist,
nach der der kosmische Abschluß des Heilswerkes noch bevorsteht
. Die andere (verschieden variierte) Formel, nach der der
kosmische Sieg Christi mit seiner Auferstehung und Erhöhung
schon erkämpft ist (Phil. 2, 11; Kol. 1, 19 f.; 2, 15;
1. Tim. 3, 16; 1. Pt. 3, 22, und kombiniert mit jenem anderen
Motiv Ign. Tr. 9, 1; Pol. Phil. 2, i), ist erst in der hellenistischen
Gemeinde entstanden, indem das Heilswerk Christi
nach dem Schema des gnostischen Erlösermythos beschrieben
wurde. — Letztlich ist der eigentliche Sinn des Bekenntnisses
— dies der Schluß der verdienstlichen Untersuchung —,
Christus als den zu bekennen, der seit seiner Erhöhung der
Herrscher über'jede Gegenwart ist.

Schade, daß.der Verf., der reichlich auf Literatur Bezug
nimmt, sich nicht mit den auf das Thema bezüglichen Arbeiten
von Alfred Seeberg auseinandergesetzt hat und auch
das Büchlein von E. von Dobschütz „Das Apostolicum in
biblisch-theologischer Beleuchtung" (Aus der Welt der Religion
, Bibl. Reihe, Heft 8, 1932) nicht berücksichtigt hat.

Marburg Rudolf Bultmann

Ortiz de Urbina, P. Ignacio, S. J., Profesordel Pontlflcio Institute Orien-
tal de Roma: El SimbolO Niceno. Madrid 1947. 300 S. = Consejo Superior
de Investigaciones Cientificas, Patronato „Raimondo Lulio"-Instituto „Francisco
Suarcz".

Die Symbolforschung, die nach dem ersten Weltkrieg
unter Führung von H. Lietzmami und K. Holl von neuem
kräftig einsetzte, wurde besonders seit den 30er Jahren außerhalb
Deutschlands mit Eifer fortgeführt; vgl. z. B. die zusammenfassende
Darstellung von J. de Ghelliuck, Patristique
et Moyen Age t. I: Les recherches depuis cinq siecles sur les
origines du Symbole des Apotres, Bruxelles-Paris 1946 (X u.
280 S.), die ein wichtiges Teilgebiet behandelt. Auffallend
stark haben sich in der jüngsten Zeit spanische Gelehrte wie
J. de Aldama, Gonzales, J. Madoz, J. de Perez, Restrepo-
Jarmillo, G. Villada an diesen Forschungen beteiligt und beachtliche
Beiträge geliefert.

Der Verf. der vorliegenden Monographie über das nizä-
nische Symbol, der als Forscher auf dem Gebiete der östlichen
Kirchen- und Literaturgeschichte des Altertums bekannt ist,
hat sich bereits früher mit Einzelfragen der Symbola von
Nizäa und Konstantinopel beschäftigt; vgl. Orient. Christ.
Periodica 1936, 330—350 und 1946, 275—285. Der Inhalt der
Schrift ist klar und übersichtlich disponiert. Das 1. Kapitel
(S. 7—23) bringt eine genaue Übersicht über die direkte und
indirekte Textüberlieferung des Symbols. Es folgt in Kap. 2
(S. 25—6i)eine Untersuchung über die redaktionellen Bestandteile
des Symbols und sein Verhältnis zu verwandten
Dokumenten des 4. Jahrhunderts. Das 3. und wichtigste
Kapitel (S. 63—272) gibt einen ausführlichen Kommentar und
eine genaue Vorgeschichte aller im Symbol anzutreffenden
theologischen Termini. Abschließend wird dann im letzten
Kapitel (S. 273—295) ein Überblick über die theologische
Wertung des Glaubensbekenntnisses bis zum Konzil von
Chalcedon geboten.

Bei seiner quellenkritischen Untersuchung unterscheidet
de U. im 2. Kapitel drei Gruppen von theologischen Aussagen
: erstens Formulierungen, die original nizänisch sind und
als Novum in die theologische Begriffssprache eines Symbols
hineingestellt wurden; sie flössen aus alexandrinischer Tradition
; zweitens Ausdrücke, die nicht original nizänisch sind
und sich auch nicht im Symbolum von Cäsarea (Paläst.) finden,
aber aus einer allerdings nicht wesentlich älteren Zeit stammen.
Die dritte Gruppe der Termini, die zum Corpus der trinitarischen
und christologischen Aussagen gehören, und zum
großen Teil auch wörtlich im Caesareense anzutreffen sind,
lassen sich in einer wesentlich früheren Zeit (besonders bei
Irenäus) nachweisen. Mit A. Harnack (Z. ntl. W. 1925, 203)
hält der Verf. die endgültige Formulierung des Symbols nicht
f ür das Werk einer einzelnen Persönlichkeit (Hermogenes von
Cäsarea oder Athanasius), sondern für das Ergebnis der redaktionellen
Tätigkeit einer Kommission von Bischöfen. Die von
H. Lietzmann (Z. ntl. W 1925, 193—202) vertretene These,
daß das Symbolum nicht, wie die sententia communis es annimmt
, vom Caesareense, sondern von einem nicht erhaltenen
Typ des Jerusalemer Symbolum abhängt, lehnt der Verf. ab.

Im 3. Kapitel wird dem Dogmenhistoriker in gewissem
Sinne ein bequemes Repcrtorium und Nachschlagewerk an die
Hand gegeben, das durch Sammlung aller aus der vornizä-