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Ausgabe:

1949 Nr. 9

Spalte:

559-561

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lewis, Edwin

Titel/Untertitel:

The creator and the adversary 1949

Rezensent:

Beth, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 9

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Leise Anfälligkeit nach der Seite der Anthroposophie ? Ich
warne.

4. Ist die Auseinandersetzung mit Männern wie Gunkeb
Greßmann, Harnack, Bultmann, Wellhausen usw., also mit
dem theologischen Liberalismus, nicht zu leicht genommen ?
Ich weiß wohl, daß manche Probleme in der Geistesgeschichte
nicht wirklich gelöst werden, sondern daß es mit ihnen geht
nach dem Satz: „Es kam ein neuer König über Ägypten, der
wußte nichts von Joseph". Aber das ist ebenfalls sehr gefährlich
. Ungelöste Probleme brechen eines Tages wieder auf wie
schlecht geheilte Wunden. Daß die Dialektiker weder in der
Schöpfungslehre, noch in der Christologie, noch in der Pneu-
matologie und Ekklesiologie mit dem Liberalismus wirklich
fertig geworden sind, sollte den Antidialektiker nicht zu einem
Triumphgesang verführen. Magnum est onus. Die Philosophie
ist mit dem Positivismus auch durchaus noch nicht fertig.
Etwa die Medizin oder das Recht ? Die Art, wie einige methodenkritische
Überlegungen der Naturwissenschaftler von heute
theologisch ausgenutzt werden, wird nachgerade peinlich nicht
für die Naturwissenschaft, sondern für die Theologie.

5. Der zweite Band des D.sehen Buches ist ohne Zweifel
besser als der erste. Hätte er doch ganz schlicht eine kräftige
Abhandlung über die Lehre vom Heiligen Geist, von der
Kirche und den Sakramenten geschrieben ohne den Anspruch,
daß das gleich eine ganze Dogmatik sein soll. Hier sind wichtige
Dinge gesehen und mit Mut ausgesprochen. Er hätte damit
der Kirche einen wahrhaft ökumenischen Dienst tun
können. Denn wir haben tatsächlich alle einen mehr oder
weniger konfessionell beengten Blick. Die Dogmatik hat auch
noch in keiner Weise ausgenützt und angewendet, was die
Exegese an neuem Material zutage gefördert hat. Sammeln,
sichten, in Zusammenhang setzen, konfessionelle Scheuklappen
abnehmen, die Basis für eine Aussprache mit den
Katholiken herstellen (denn darauf läuft es bei Dillschneider
schließlich hinaus, was in meinen Augen kein Fehler ist), das
ist und bleibt eine wichtige und lohnende Aufgabe.

Mainz Friedrich Delekat

Lewis, Edwin, Prof. Dr.: The Creator and the Adversary.New York, Nash-

ville: Abingdon-Cokesbury Press 1949. 279 S. Geb. »3.—.

Langsam in vergangenen Jahrzehnten sind Breschen in
das efeu-umrankte Mauerwerk des Monismus geschlagen worden
. Das mühsam mit den Mitteln exakter Forschung gezimmerte
System eines Verständnisses des Universums aus
Einem Prinzip zeigte morsche Stellen, sobald die Ereignisse
der menschlichen Geschichte, die Groß- und Größttaten
menschlicher Kultur rückwärts und vorwärts, nach Ursache
und Erfolg beleuchtet wurden; beleuchtet nicht vom optimistischen
Idealismus bürgerlicher selbstgefälliger Weltmoral,
sondern vom harten Realismus unbedingter Objektivität. Das
neueste Werk von Edwin Lewis, Professor für systematische
Theologie am Drew Theological Seminary in New Jersey, Verfasser
von ,,A Christian Manifesto", ,,A Philosophy of the
Christian Revelation" u. a., ist ein entschiedener Aufruf an
Theologie und Kirche, die Wirksamkeit jenes Geistes zu begreifen
, durch dessen verkannte, übersehene, aus dem Bereiche
unsres gewöhnlichen Erkennens verdrängte Herrschgewalt
die christliche wie die übrige Welt in ihre Katastrophe
hineingetaumelt ist. Das Buch ist ein höchst schätzenswerter
Versuch, die theologischen Konsequenzen aufzuzeigen, die
sich ergeben müssen aus der Einsicht, daß die moderne Welt,
als die dem Teufel voll ergebene Sphäre, nichts als ihren
völligen Untergang vor sich sieht, vor sich sehen darf, wenn
anders noch eine Rettung erspäht werden sollte. L. stellt den
Leser unerbittlich vor die nackte Tatsache, daß „Gott und
sein Widersacher miteinander um den Menschen ringen".

Hiermit greift das Buch aufrüttelnd in die theologisch-
kirchliche Lage ein. Das seit der Renaissance und Aufklärung
aus den für Leben und Wissenschaft anerkannten Existenzen
herausgedrängte diabolische Element heischt erneute Würdigung
. Das eben war der fortgeschleppte Fehler einer theologischen
wie kirchlichen Betrachtung seit ihrer De-satani-
sierung, daß sie die Welt, wie sie tatsächlich ist, als das alleinige
Werk der gütigen göttlichen Erschaffung und Fürsehung verstellen
wollte; geschweige daß der Schöpfer selber mit seinem
ewigen Plane durch eine solche Momentaufnahme gesichtet
werden konnte. Seit Karl Daubs theologischer Restitution
Satans (in seinem selbst unvollendet gebliebenen,, Judas Ischa-
riot") und deren ziemlich entschlossener Zurückweisung als
gnostisch durch die Zeitgenossen ist ein Jahrhundert lang
nichts von ähnlicher Bedeutung hervorgetreten. Daher dürfen
wir die beiden geistreichen Annäherungen an das diabolische
Problem, die (in 2. Ausgabe) 66 Abschnitte von Denis de

Rougemont's „La Part du Diable" (1944) und die elegant
.satirischen „Screwtape Letters" aus der Feder von unseres
Verf.s britischem Namensvetter C. L. Lewis (1941) als den
journalistischen Auftakt zu einer philosophisch-theologischen
Behandlung des völlig vernachlässigten Gegenstandes ansehen,
(übrigens erwähnt E. L. keinen dieser drei soeben genannten
Autoren. Seine Lösung der Frage ist denn auch eine sehr
andere.)

Während ältere Satanologie den Teufel als ein dem (und
gewöhnlich auch seinem) Schöpfer den Gehorsam aufkündigendes
höheres Geistwesen auffaßte, nimmt E. L. ihn entschlossen
als gleich ewig mit Gott. Das Göttliche und das Dämonische
sind absolute Gegensätze, und zwar von Ewigkeit her. Beide
sind gleich „notwendig", keins von beiden kann das andere
zerstören, weil jedes ein notwendiges Existierendes ist. Das
Göttliche ist das mit Notwendigkeit Schaffende, das Dämonische
das mit Notwendigkeit Zerstörende; jedes kann das
andere beeinflussen, wenn auch nur durch das Medium des
Unschöpferischen, durch die „restliche Konstante" hindurch-
Denn um überhaupt die Entstellung der Welt zu begreifen,
muß man annehmen, daß im Anbeginn „nicht Gott allein
war, sondern desgleichen der Widersacher und die restliche
Konstante, die es für jene zwei möglich macht, einander im
Konflikt zu begegnen. Keines von ihnen hat je zu bestehen
begonnen. Das Einzige, das zu existieren begann, ist der Konflikt
selber, wenigstens der Konflikt in der Form, die die Erschaffung
, wie wir sie kennen, möglich macht. Die Erschaffung
ist wesenhaft „die Ansage von Gottes Herausforderung an den
Widersacher und von des Widersachers Annahme dieser Herausforderung
".

Man sieht sofort, daß es dem Verf. nicht darum zu tun ist,
traditionelle Dogmatik fortzuführen. Eine Menge von Einzelfragen
ist hiermit schon angeschnitten, deren Beantwortung
zu einer Sicht leitet, die sich mit neuen Fragenkomplexen von
der Tradition entfernt. Der mit seinem ganzen Sein und Gehaben
„in die Schöpfungs- und Erlösungswehen verwickelte"
Gott befindet sich weder in kontemplativer oder philosophischer
Ruhe, noch im generativen Genuß der harmonischen
Himmelslieder, sondern, um unsres Dichters Weise zu nützen,
„freudlos war der große Weltenmeister", alles Schaffen ist
(nach E. L.) „ein Prozeß grimmigen Konflikts". Freiheit und
Notwendigkeit in Gott selber lassen sich schwerlich ohne Paradox
ansehen. Wiewohl mit und aus Notwendigkeit schaffend,
ist Gott doch frei in bezug auf den Zweck seiner Schöpfer-
tätigkeit, nicht jedoch mit Bezug auf die Bedingungen, unter
denen er schafft. Die Schöpfung, sonach nicht bloß Ausdruck
göttlichen Willens, begreift in sich noch ein Anderes, nämlich
das Widrige. Sie ist geradezu ein Aufschrei aus creative agony-

Die zum Teil gewiß etwas gewagten Wege der Lcwis'scheU
Spekulation fußen auf dem Gedanken der ewigen an sich
seienden Existenz, welche durch die ihr wesensnotwendig0
Selbstdiffercnzierung sich manifestiert als das Göttliche, das
Dämonische und die Konstante R, welche weder ins Göttliche
noch ins Dämonische eingeht, sondern das entelechische
Formpriuzip für alles zu Erschaffende darbietet, aber auch
als die Arena erscheint, auf der sich der andauernde Kamp*
der beiden anderen Urexistcnzen vollzieht.

Man wird fragen, ob denn dieses kühne Kosmologunieiion
hinreiche, um einerseits den theistischen Standpunkt zu erhärten
, anderseits unsere gegenwärtige Weltstellung innerhalb
der durch die böse Macht beherrschten Kultur so aufzuhellen»
daß sich ein Ausweg eröffnet, auf dem Gott seinen Plan durchsetzen
kann. Und was wird aus uns Menschen angesichts des
im „Abenteuer" tournierenden Gottes — auf den Ausdruck
adventure möchte sich L. festlegen, um Gottes Planen 211
illustrieren.

Damit ist jedoch nicht viel mehr als halbe Arbeit getan-
Das Verhältnis von Gott und Widersacher läßt sich olme
Theodizee nicht abtun. Für des Verf.s Ausführungen wäre eS
vorteilhaft gewesen, wenn er im Rahmen seiner originalen Ej£
wägungen entsprechende Gedanken über die göttliche Welt;
leitung, über Fürsehung, über Förderung des Weltenplanes und
über Gottes Verhältnis zu menschlicher Sünde und Schul0
entwickelt hätte. Den letzten Punkt zu behandeln wäre um -s°
wichtiger gewesen, als Lewis sich darauf festlegt (und zwar
in zwei verschiedenen Zusammenhängen), daß für l'auh^
nicht der ersterschaffene Mensch das Mittelsorgan der Sun«
ist, sondern der Mensch überhaupt, der Mensch eben SOlflf^
Natur nach, weil Adams Geschichte jedermanns Geschieh1
ist. So einfach diese Behauptung dem philosophischen Idean-T
mus erscheinen mag, Verf. macht keinen Versuch, dem «*'
in Rom. 5, 12, geschweige der Adam-Christus-Analogie gerP^L
zu werden. Er begnügt sich mit dem Hinweis auf seine träft*