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Ausgabe:

1949 Nr. 9

Spalte:

552-554

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schlink, Edmund

Titel/Untertitel:

Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften 1949

Rezensent:

Lau, Franz

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 9

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halten und immer neu auf dem Weg in die Zukunft wirksam
werden zu lassen, soweit das in menschlicher Möglichkeit liegt.
Es gibt schon heute sehr viele Menschen, die von dem Kirchenkampf
kaum noch etwas oder überhaupt nichts mehr wissen;
die für das, was sich da ereignet hat, auch kein Interesse haben.
Dazu gehören sogar Studenten der evangelischen Theologie.
Es wird von einer Universität berichtet, daß von etwa 220 Studenten
der evangelischen Theologie etwa 20 an einer Vorlesung
teilnehmen, die ein Professor über die Geschichte des Kirchen-
kampfes hält (!). Das gibt doch zu denken.

So gewiß es richtig ist, daß eine umfassende und abschließende
Darstellung und Beurteilung des Geschehens in
einem bestimmten Zeitabschnitt erst nach einer gewissen Zeit
möglich ist, nämlich dann, wenn der nötige Abstand von diesem
Zeitabschnitt und seinen Ereignissen gewonnen ist, so
nötig ist es doch, mit der Sammlung und Sichtung des Materials
nicht zu lange zu warten, sondern damit zu beginnen,
solange man die noch nach ihren Kenntnissen und Urteilen
fragen kann, die tätigen, kämpfenden und leidenden Anteil an
dem bewegten Geschehen hatten. Daß der Verf. selber daran
teilgenommen hat, ist kein Nachteil, sondern ein Vorteil des
Buches. Hierjcann tatsächlich kein Unbeteiligter reden und
schreiben; sondern nur der kann das Wesentliche erkennen
und darstellen, der es miterlebt hat. Er kann es vor allem
dann, wenn er gleichwohl die Dinge nüchtern sieht und beurteilt
und sich nicht durch die Leidenschaft — die an sich verständlich
und entschuldbar wäre — zur Unsachlichkeit und
zu einer verzerrten Schilderung und Beurteilung hinreißen
läßt. Niemöller bewahrt diese Nüchternheit und Sachlichkeit,
und das macht sein Werk bedeutsam und wertvoll. Die Ereignisse
werden weder durch eine rosarote, noch durch eine graue
Brille gesehen, sondern so, wie sie waren und ohne Schönfärberei
, noch auch in der Schwarzweißmalerei dargestellt.
Schlicht und anspruchslos, aber darum um so wirkungsvoller.
Wir sehen hinein in einen schweren Geisteskampf, in viel Not
und Anfechtung, in viel menschliche Schwäche und mannigfaltiges
Versagen. Aber wir erfahren auch, wie vielfältig Gottes
Kraft in den Schwachen mächtig ist. Und darum geht es dem
Verf.: ,,Ich wollte bezeugen, daß Gott heute noch Wunder
tut, und daß Er durch Seine Wundermacht eine müde und
satte, kampfentwöhnte und leidensscheue Kirche gezwungen
hat, eine bekennende Kirche zu werden". Die Zeit des Kirchenkampfes
war eine Zeit des Gerichtes Gottes über die Kirche;
aber in diesem Gericht wurde Seine Gnade deutlich.

Das Buch ist sorgfältig und zuverlässig gearbeitet bis in
die Einzelheiten und Kleinigkeiten hinein, und dafür sind wir
dankbar; denn es ist ja eine Schrift, die man nicht nur einmal
liest, sondern zu der man immer wieder greift, um sich über
dies und jenes zu unterrichten, was einem nicht mehr gegenwärtig
ist. Ein rechtes Nachschlagewerk. Und ein solches muß
genau und sorgfältig sein. Dabei wird der eine oder andere
vielleicht manches vermissen, was er sucht; aber das Buch
macht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist ein
erster — aber wohl gelungener — Versuch auf einem Gebiet,
das bisher noch nicht angebaut worden ist. Gut, wenn es den
Anstoß und Anreiz zu weiteren Arbeiten gibt.

Wie dem Verf. für seine Sorgfalt und Genauigkeit, so ist
dem Verlag für Druck und Ausstattung des Werkes zu danken,
die — abgesehen von einigen der Bildbeilagen — als mustergültig
angesprochen werden dürfen. Ich habe nur einige
wenige Druckfehler entdeckt. Der Preis des Buches ist in Anbetracht
seines Inhaltes und seiner Form nicht zu hoch. Wer
das Werk nicht anschaffen kann, tue sich mit anderen zusammen
. In alle öffentlichen Bibliotheken gehört es ohnedies.

Ein Literaturverzeichnis und ein genaues Personenverzeichnis
erleichtern den Gebrauch des Buches; das Inhaltsverzeichnis
hilft jedem, sich schnell darin zurecht zu finden.

Alles in allem: es liegt uns hier ein Stück Kirchenge-
schichte vor, für deren Darstellung wir nur herzlich dankbar
sein können. Wir wünschen Niemöller, sein bedeutsames Werk
möchte die Wirkung haben, die er sich dafür erhofft: daß die
Schilderung des Kampfes der Bekennenden Kirche ein lebendiges
Zeugnis von den großen Taten Gottes sei und bleibe,
das auf unsere Gegenwart und in die Zukunft unserer Kirche
hineinwirke zu ihrem Segen. —

Als Einführung in das große Werk kann der Tatsachenbericht
über den Kirchenkampf dienen, den der Verf. unter
dem Titel „Gottes Wort ist nicht gebunden" herausgegeben
hat. Hier hat er auf knappestem Raum das Wichtigste und
Wesentliche des Kirchenkampfes klar und anschaulich dargestellt
. Auch hier werden die Dinge beim Namen genannt,
ohne etwas zu vertuschen oder zu idealisieren. Man nehme das

Heft zur Hand und lese; es wird einen sobald nicht mehr los
lassen und in dem Leser den Wunsch wachrufen, auch das
große Werk durchzuarbeiten. Auch für diese treffliche Gabe
gebührt dem Verf. aufrichtiger Dank. Wer sich über diesen
wichtigen Abschnitt unserer neuesten Kirchengeschichte zuverlässig
unterrichten will, kann au beiden Büchern nicht vorübergehen
.

Frankfurt a. M. Wilhelm Fresenius

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Schlink, Edmund: Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften.

2. Aufl. München: Chr. Kaiser 1946. 434 S. gr. 8» = Einführung In die
evangelische Theologie Bd. VIII.

In der altprotestantischen Zeit hat es eine Einführung in
die symbolischen Bücher der eigenen (lutherischen) Kirche als
eine Art Hilfswissenschaft der Dogmatik gegeben. Diese einfache
„Symbolik" als Wissenschaft von den eigenen Lehrbekenntnissen
ist im 18. und 19. Jahrhundert abgelöst worden
von einer „vergleichenden Symbolik", die gleichzeitig auf die
Bekenntnisschriften der anderen Konfessionskirchen Bezug
nahm und insofern mit anknüpfte an die „Polemik" der altprotestantischen
Zeit. An die Stelle der vergleichenden Symbolik
ist schließlich die moderne „Konfessionskunde", der die
Bekenntnisschriften der Konfessionen nur noch ein Gegenstand
neben anderen sind, getreten. Edmund Schlink ist, als
er uns im Jahre 1940 erstmalig seine „Theologie der lutherischen
Bekenntnisschriften" vorlegte, den ganzen Weg bis an
den Anfang zurückgegangen. Er hat uns wieder eine Art Einführung
in die symbolischen Bücher der lutherischen Kirche
geschenkt. Aber was er darbietet, soll nicht nur hilfsweise Zu-
arbeit zur Dogmatik sein, sondern gibt sich als Prolegomeua
zur Dogmatik, die offenbar an die Stelle dessen zu treten bestimmt
sind, was man üblicherweise so nennt. Daß Schlink
diesen Austausch vornimmt, ist zutiefst in seiner Theologie —•
die nicht nur die seine ist, sondern Ausdruck des Offenbarungspositivismus
, der jüngstens in der Theologischen Erklärung
von Barmen festgelegt wurde — begründet: Eine
außerhalb der kirchlichen Lehre einsetzende Hinführung zur
Dogmatik ist innerhalb der evangelischen Theologie überhaupt
keine legitime Angelegenheit. Die Frage, ob die Dogmatik unbedingt
andere Prolegomena braucht — also nun so, wie
Schlink sie vorlegt —, oder ob sie nicht unmittelbar bei der
Schrift einsetzen könnte, wird nicht ausdrücklich gestellt; sie
beantwortet sich wohl aber damit von selber, daß die Bekenntnisse
als Zeugnis des Schriftverständnisses der lutherischen
Kirchen tatsächlich vorhanden und rechtlich in Geltung sind-
Es ist nunmehr die zweite Auflage des Werkes erschienen,
in 5000 Exemplaren. Sie wird vermutlich wieder Abnehmer
finden und, hoffentlich zusammen mit den Texten der Bekenntnisse
, ausgiebig studiert werden. Das ist gut so. Der ZU'
stand, daß der evangelische Theologe wohl auf die symbolischen
Bücher ordiniert wurde, aber ihnen gemeinhin innerlich
fremd war, war unwürdig genug. Wesentliches hat sie'1
an dem Buche nicht geändert. Die Literaturzusammenstellungen
, die trefflich sind und den Sachfragen, die in d*f
Bekenntnisschriften gestellt sind, auch über den Rahmen der
letzteren hinaus nachgehen (Luther; 16. Jahrhundert; lutherische
Kirche überhaupt), sind ergänzt und auf den neuesten
Stand gebracht.

Der Aufbau des Buches ist höchst einfach. Es enthält viej
weniger Kapitel, als die einzelnen Bekenntnisse Artikel haben •
I. Schrift und Bekenntnis; darüber: Folgerungen für <ne
Dogmatik; II. Die Offenbarung Gottes des Schöpfers; III-
setz und Evangelium (i.Teil); IV. Gesetz und Evangeliur0
(2. Teil); V. Taufe und Abendmahl; VI. Die Kirche; VII- Weltliches
und geistliches Regiment; VIII. Der Jüngste Tag. v}
vorangeschickte Einleitung heißt: Theologie der Bekenntnisschriften
als Prolegomena zur Dogmatik, ein besonders wie"'
tiger Anhang: Anleitung zur dogmatischen Arbeit. Dann
noch eine Einführung in die Literatur und ein Begriffsregiste•
Innerhalb jedes Kapitels werden eine Reihe von Thesen 1?
muliert und dann ausführlich erläutert, ein Verfahren, <!
glücklich ist und die Lektüre erleichtert. Der Aufbau d
Buches ist bedingt durch die Aufgabe, wie sie Schlink sich g
stellt hat. Er will nicht die Bekenntnisschriften kirehenfe
schichtlich erforschen bzw. die Ergebnisse der k.irc'1L'n>^r.
schichtlichen Forschung betreffs der Bekenntnisschriften u
bieten; man spürt aber auf Schritt und Tritt, daß er mit cit
Werden und Wachsen der einzelnen Bekenntnisse und mjt .
damit zusamnienliängenden Forschungsproblenien wohl '
traut ist. Er liest auch nicht die einzelnen Bekenntnisse