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Ausgabe:

1949 Nr. 9

Spalte:

546-548

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Luther, Martin

Titel/Untertitel:

Tischreden 1949

Rezensent:

Althaus, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 9

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Osten endgültig zu bezwingen und in das Gesamtreich einzuschließen
, nochmals das Reich Alexanders gegenüber: „Beiden
hat der Tod die Möglichkeit der Vollendung ihrer Weltreiche
genommen. Alexander die Ausdehnung in die Welt des westlichen
Mittelmeerbeckens, Cäsar die Ausdehnung des Reiches
nach Osten und Norden hin durch die geplante Eroberung des
parthischen und dakischen Reiches. Da diese Ziele nicht erreicht
wurden, ist Alexander nur als Bewältiger Asiens, Cäsar
nur als Bezwinger Galliens in die Geschichte eingegangen,
während beide doch etwas ganz anderes erstrebten, nämlich
die Gründung eines mittelmeerischen Weltreiches, das sich
zwischen der Straße von Gibraltar und der Grenze Indiens,
also vom Atlantischen bis zum ludischen Ozean erstrecken
sollte".

Eine bedeutsame Rolle, die wohl in dem noch zu erwartenden
zweiten Bande (Von Augustus bis Muhammed)
noch mehr hervortreten wird, spielt auch die Auffassung Kor-
nemanns von der nicht nord-südlich, sondern west-östlich gelagerten
geopolitischen Struktur Europas. Nach seinen drei
westöstlichen Wasserstraßen: Nord- und Ostsee, Donauraum,
Mittelmeer, teilt er den Erdteil in eine baltische, eine pota-
mische und eine mittelmeerische Zone; und das sind Gedanken
, die mit den Ahnungen Hölderlins ebenso tief zusammenhängen
dürften, wie mit den aktuellsten Fragen der
heutigen Politik.

Es ist bei einer großartigen und temperamentvollen Geschichtsdeutung
dieser Art unausbleiblich, daß ihr Urheber
manches im Sinne seiner These überspitzt, daß er manchmal,
Wenn man so sagen darf, die Zielpunkte seiner Gedanken gewaltsam
zueinander biegt. Aber das korrigiert sich im Verlauf
der Zeit von selbst; die Kritik wird nachmessen, vergleichen,
berichtigen. Aber sie wird die durchaus schöpferische Anregung
, die von dem Werk ausgeht, nicht übersehen können.

Gerade indem ich dieses Schöpferische mit so freudigem
Nachdruck betone, kann ich allerdings eines um so weniger
verschweigen, was den Verf. von einem letzten Verständnis
der Geschichte ausschließt. Wer eigentlich Christus und was
das Christentum ist, weiß er nicht. Schon das Wort vom „religiösen
Sektor", das gelegentlich fällt, ist hier verräterisch;
denn das ist natürlich (insofern er, wie hier, das Christentum
mit zu umfassen beansprucht) ein unmöglicher Begriff. Wo
immer in dieser säkularisierenden Weise geredet wird, muß
man als Christ widersprechen — niclit, weil ein „Programm" es
Verlangt, sondern weileinem an solcher Redeweise plötzlich klar
Wird, daß innerhalb der Kolumne vielleicht alle Ziffern stimmen
, daß aber die ganze Rechnung ohne den Wirt gemacht
ist. Es ist also nicht Unbcscheidenheit, nicht Mangel an Achtung
vor der Leistung des Forschers, was mir hier das Nein
abnötigt. .

Vordcrleitcn b. Brannenburg/Obb. Bernt von Heiseler

Vööbus, A., Prof. Dr. theol.: Les messalliens et les riformes de Bartauma
de Nisibe dans l'fglise perse. Pinneberg 1947. 30 S. 8" = Contri-
butions of Baltic University. Nr. 34.

Auf schlechtem Papier und in denkbar bescheidener Aufmachung
veröffentlicht, verdient diese gehaltvolle kleine Studie
der „Baltischen Universität" doch alle Beachtung. Sie
klärt in lehrreicher Weise die Voraussetzungen, unter denen
der Messalianlsmus in der persischen Kirche des 5.—6. Jahrhunderts
zu bedrohlicher Macht gelangt und auch sonst das
Mönchtum, zum Teil mit monophysitischem Bekenntnis, zur
fiestorianischen Landeskirche in Gegensatz geraten ist.

Auf einem wenig beachteten Gebiet aus den Quellen arbeitend, braucht
8'ch der Verf. mit früheren Autoren kaum auseinanderzusetzen. Es liegt zunächst
durchaus in der Linie Walter Bauers (Rechtgläubigkeit und Ketzerei
l934) und Karl Müllers (Die Ehelosigkeit für alle Getauften 1927), wenn er
die Eigenart des syrischen Mönchtums (auch gegenüber dem ägyptischen) in
einer Weise betont, daß seine Verwandtschaft mit marcionitischen, mani-
chälschen und messallanischen Vorstellungen als ursprünglich gegeben erscheint
. Der Katholizismus und seine klerikale Organisation haben sich erst
sPäter durchgesetzt und die älteren Ideale nicht völlig verdrängt. Es scheint
nun, daß der hier bestehende Gegensatz mit voller Schärfe erst durch eine
^86 inaugurierte Wendung der offiziellen Kirchenpolitik aufgerissen wurde, für
die Barsauma von Nisibis in erster Linie verantwortlich ist. Damal wurde auf
einer Synode von Seleucia-Ktesiphon nicht nur der dogmatische Gegensatz
Kegen das Henotikon von 482 herausgekehrt, sondern gleichzeitig auch allen
°eistlichen und Mönchen die Ehe freigegeben und nahezu empfohlen. Beide
Beschlüsse müssen im Zusammenhang gesehen und als Maßnahmen der politischen
Anpassung verstanden werden. Denn bei allen Verfolgungen des
Christentums in Persien spielte neben dem Verdacht einer politischen Hinneigung
zum Bekenntnis des römischen Reiches die Klage über die
christliche Ehcfeindscliaft eine Hauptrolle. Es ist aber klar, wie das Mönchtum

jetzt in die Opposition geraten, wie seine ursprüngliche individualistische und
spiritualistische Kirchenfremdheit und -feindschaft von neuem erwachen mußte
und nicht nur der Monophysitismus, sondern auch der Messalianismus eine
neue Chance gewann. Diese Vorgänge werden von verschiedenen Seiten beleuchtet
und auch belegt. Nur sind die direkten Zeugnisse allerdings spärlich,
und so liegt die Versuchung nahe, alles, was über die kirchlichen Zustände berichtet
wird, möglichst schnell mit den hier interessierenden Fragen zusammenzubringen
. Es müßte m. E. vorsichtiger geprüft werden, wo z. B. von allgemeinen
Christen- und wo wirklich nur von kirchlichen Asketenverfolgungen
mit staatlicher Unterstützung die Rede ist. Aber Im Ganzen ist die Darstellung
der Zusammenhänge nicht nur anregend, sondern auch durchaus einleuchtend.
Heidelberg H. v. Cam penhausen

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Diem, Hermann: Luthers Predigt in den zwei Reichen. München: Chr.

Kaiser 1947. 40 S. 8° = Theologische Existenz heute. N. F. Nr. 6.

Luther kenne, meint der Verf., „keine andre Zuordnung
der beiden Bereiche als die durch die Predigt des einen Wortes
Gottes in Gesetz und Evangelium" (S. 22). Dieser Satz macht
das zunächst rätselhafte Thema verständlich. Ob er richtig ist
und ob sich der Verf. überhaupt der Tragweite der darin enthaltenen
Negation bewußt ist, kann hier dahingestellt bleiben.
Dem Verf. selbst kommt es jedenfalls nur auf die Predigt an.
Er nimmt den von K. Barth gegen das deutsche Luthertum
erhobenen Vorwurf auf, es habe in seiner „politischen Predigt"
niclit erst unter dem Nationalsozialismus, sondern bereits seit
Jahrhunderten „versagt", und faßt sein Ergebnis dahin zusammen
, die Predigt Luthers sei in der Anwendung auf die
Reformationszeit „schriftgemäß" gewesen, in der Anwendung
auf die politische Situation des 20. Jahrhunderts sei sie es
jedoch nicht mehr. Luther habe mit seiner Predigt in Gesetz
und Evangelium die ganze „Christenheit" angeredet, nicht
nur die Kultgemeinde, sondern auch die weltlichen Stände,
und habe das Herrsein Christi über beide Reiche gepredigt.
Nach der Auflösung der „Christenheit" (in Luthers Sinne),
insbesondere durch das autonomistische Selbstverständnis des
modernen Staates habe sich aber das Luthertum verleiten
lassen, die beiden Bereiche Luthers als Bereich des Evangeliums
und Bereich des Gesetzes zu unterscheiden und in seiner
„politischen Predigt", wo sie überhaupt noch geübt wurde, die
politische Welt ausschließlich als Bereich des Gesetzes angesprochen
. „Die Freudigkeit, mit welcher der Herrschaftsan-
spruch Christi der Welt verkündigt werden könnte", sei ganz
verloren gegangen.

Der Verf. beruft sich für die Lutherinterpretation auf das
Buch seines gefallenen Bruders Harald Diem über „Luthers
Lehre von den zwei Reichen" (1938). Allein die Vielgestaltigkeit
des Lutherschen Ansatzes, die dieses Buch in anerkennenswerter
Zurückhaltung unter Verzicht auf jede Systematisierung
aufzeigte, erscheint bei Hermann Diem so sehr vereinfacht
, daß eine Auseinandersetzung über das Lutherverständnis
unfruchtbar wäre. Der Verf. setzt sich auch von Ernst
Wolf ab, der das Luthertum der Gegenwart zu dem, wie er
glaubt, allein richtig interpretierten Luther zurückzurufen versuchte
. Insofern dient die Schrift Hermann Diems der Klärung
der theologischen Lage. Die Anwendbarkeit der Lutherschen
„Predigt in den zwei Reichen" wird von ihm für die
Gegenwart, eine Lehre von den zwei Reichen bei Luther aber
„eigentlich" (S. 40) überhaupt bestritten. Die Lutherinterpre-
tation hat demnach nur noch historisches Interesse. Das
Axiom, das der ganzen Untersuchung vorausliegt und mit dem
ihr Ergebnis steht und fällt, ist die Meinung, daß das Kriterium
der Schriftgemäßheit einer Lehre ihre Zeitgemäßheit ist. Wir
können dieser Meinung nicht beipflichten.

Erlangen W. Eiert

Luther, Martin: Tischreden. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [Lizenzausgabe
Leopold Klotz, Gotha] 1948. 308 S. kl. 8° = Luther Deutsch. Die Werke
Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart hrsg. v. Kurt Aland.
Bd. 9. DM8.—.

Mit diesem Bande beginnt eine neue Luther-Ausgabe zu
erscheinen, herausgegeben von Kurt Aland. Sie wendet sich
„an alle Menschen der Gegenwart, denen der Name Luthers
etwas bedeutet" (so der Prospekt). Daher gibt sie eine Auswahl
aus Luther, die aber doch den „vollständigen Luther"
darbieten soll, „d. h. das Bleibende und Zeitlose" aus Luthers
Gesamtwerk. Ferner übersetzt sie die lateinischen Schriften,
möglichst in Anlehnung an Ubersetzungen aus der Zeit Luthers.
Den Text der deutschen Schriften Luthers will sie so gestalten,
„daß er dem modernen Menschen ohne weiteren Kommentar"
verständlich ist. Vorgesehen sind zehn Textbände, dazu drei