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Ausgabe:

1949 Nr. 8

Spalte:

490-491

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Müller, Aloys

Titel/Untertitel:

Welt und Mensch in ihrem irrealen Aufbau 1949

Rezensent:

Jacoby, Günther

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 8

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Marieukultes aufs beste. Ihr widerspricht im Grunde auch,
daß der Verf. die ganz sachlich-kuusthistorische Liste aller
,, Stand- und Sitzfiguren der Madonna mit Kind" am Schluß
des Buches einleitet mit dem biblischen Vers von der Erscheinung
des Sonnenweibes (Offb. Joh. 12, 1) und beschließt
mit einem schönen und frommen alten Marienlied, das die
Mutter der Barmherzigkeit anruft. Darin zeigt sich übrigens
auch ein das ganze Buch kennzeichnender Zwiespalt: es ist
eine halb kunstwissenschaftliche, halb schöngeistige Publikation
. Die Aufnahmen des Photographen Lauterwasser sind
eher effektvoll ästhetisierend als sachlich, die Plastik der
Werke herausarbeitend. Was bei der malerisch empfundenen
Barockskulptur erlaubt sein mag, ja, hin und wieder zu fordern
ist, darf bei gotischen Bildwerken keinesfalls geschehen.
Übrigens täuschen die malerischen, „blendenden" Aufnahmen
Lauterwassers oft darüber hinweg, daß die meisten Figuren
keine alte Fassung mehr haben, sondern durch neue Glanzvergoldungen
elendiglich verrestauriert sind. Der Druck der Autotypien
, auf weitere Sicht und bei gedämpftem Licht sehr schön
erscheinend, hält dem genauer hinschauenden Auge bei hellem
Licht nicht stand.

Trotz solcher Mängel ist die Publikation, aufs Ganze gesehen
, wertvoll, weil sie ein wundervolles Bildmaterial zusammenstellt
und zum Teil neu erschließt und in dem knappen
kuiisthistorischen Katalog am Ende des Buches zahlreiche
Hinweise auf Marienfiguren in abgelegenen Orten gibt, die in
Pehios Handbuch der Kunstdenkmäler zum großen Teil
fehlen.

Berlin Hans Möhle

Weinhold, Gertrud: Gaben und Kräfte der Hände. Berlin: Christlicher
Zeitschriftenverlag 1948. 75 S. kl. 8«= Schriften der Werkbruderschaft der
Inneren Mission Bd. 2. Kart. DM 3.—.

Eine schöne und beschwingte Meditation über die Schöp-
fungsgabe der menschlichen Hand. Die in der Schriftenreihe
der Werkbruderschaft der Inneren Mission erschienene Schrift
möchte Liebe zum Handwerk wecken und der Wiederbesin-
JjWHg auf die Werte einer handwerklichen Kultur dienen. Sie
kann darum auf eine scharfe begriffliche Unterscheidung
'wischen der Hand als Werkzeug, der Hand als Medium
geistiger und seelischer Kräfte und der Gebärdensprache der
Hand verzichten. Es steckt viel kluge Beobachtung, reiche
Erfahrung und seelsorgerliche Weisheit in dem Büchlein, das
seinen Stoff in einer Reihe von Kapiteln entfaltet (darunter:
Mensch und Urwerkzeug Hand, Von den Handlinien, Die
Handschrift, Das Handwerk, Heilende Hände, Handauflegen
Nach der Schrift, Die schöpferische Hand, Die Heilandshände).
Angesichts mancher plerophorischer Wendungen und allzu
glatter Deutungen hätte man freilich den Wunsch, die Verfasserin
möchte an der anthropologischen Forschung unserer
Tage nicht ganz vorübergegangen sein. Aufhorchen läßt, was
über die Weckung natürlicher künstlerischer Gaben durch bewußtes
meditatives (daubensleben auf Grund der Erfahrungen
einer Heim-Volkshochschule berichtet wird. Freilich sollte
man vorsichtig sein damit, aus solchen Beobachtungen ein
'eicht praktikables „christliches" Geschichts- und Weltbild zu
begründen. Es stimmt auf dem Hintergrund des künstlerisch
so überwältigend reichen 19. Jahrhunderts, des „Jahrhunderts
Pnae (lott" (Müller-Armack) einfach nicht, was die Verfasserin
auf s. 23t. schreibt: „Von dem Tage an, da der Mensch sich
°ste aus dem innig gläubigen Bezogensein auf seinen Schöpfer,
;(l!s ihm die Möglichkeit der Freiheit von Gott und seinem
yebotswort begehrenswert erschien, beginnt das Nachlassen
?*J wahren Schöpferkräfte des Menschen. Nie hören sie ganz

aber es wird, je mehr es dem Ende dieses Äons zugeht,
Qas Gestalten immer matter und schwächer".

Berlin Oskar Sühngen

Schnell, Hugo: Die Fürsläbtliche Residenz zu Kempten und ihre

prunkräume. München: Schnell & Steiner 1947. 68 S. m. Textabb.,

80 Taf. 4». Oeb. DM 24.—.
Ii Schnell hat in seiner Monographie über die fürstäbt-

clic Residenz in Kempten zwei teilweise unbearbeitete For-
'(, ll"igsaufgaben ihrer Lösung entgegengeführt: er hat die

esanitanlage des Stiftes untersucht und eine genaue Betreibung
und stilistische Einordnung der Prunkräume ge-
|lbeii. Die /-um Stift gehörige Kirche von S. Loreuzo läßt er

llßer Betracht, da bereits eingehende Arbeiten vorliegen.
Eine geschichtliche und eine baugeschichtliche Einleitung
|eben Aufschluß über Alter und Schicksale des Benediktiner-
t °sters. 1632 bzw. 1634 sind die schicksalhaften Daten. Stift
j.'d Kirche wurden durch den Schwedeneinfall vernichtet.
e "Jter dem Fürstabt Roman Giel von Gielsberg (1639—1673)

'Wand der barocke Neubau — die erste große Bauanlage

nach dem 30 jährigen Kriege in Deutschland. Und unter Fürstabt
Anselm Reichlin-Meldegg (1728—1747) kam die Rokoko-
Ausstattung der Prunkräume hinzu, die dem Stift noch heute
seinen Glanz und seinen künstlerischen Rang verleihen.

Zum Meister erwählte sich Abt Roman den Alemannen
Michael Beer (keinen Italiener!). Die Grundsteinlegung von
Stift und Kirche erfolgte 1651/52. 1654 wurde Beer durch
Johann Serro verdrängt, die Gründe seiner Entlassung sind
unbekannt, auf alle Fälle ist er der genialere Baumeister gewesen
. — Den Rokoko-Schmuck verdanken die Prunkräume
dem durch zahlreiche andere Werke berühmt gewordenen
Johann Georg Ubelher, dessen Gesamtwerk nach Meinung des
Verf.s dringend einer eingehenden Bearbeitung bedarf. Die Gemälde
der Prunkräume stammen von Franz Georg Hermann
und ein spätes von der Hand seines Sohnes.

An Hand eines sehr guten und reichhaltigen Abbildungsmaterials
gibt der Verf. eine genaue Vorstellung des Außenbaus
und der Innengestaltung, und, als Resultat seiner Forschung
, eine kunstgeschichtliche Einordnung der Kcmptener
Residenz. Das Ergebnis ist kurz folgendes: 1. „Kempten
dürfte das erste Kloster sein, das seine Kirche wie ein Haupt
frei vor das Kloster und das Stift hinstellte" (S. 25). Das geht
sicherlich auf den Plan von Michael Beer zurück, dem vielleicht
der Genius loci die entscheidende Anregung gab. 2. Entscheidende
Motive: z. B. Regelmäßigkeit der rechteckigen
Klosteranlage, zwei Höfe, vier Ecktürme, Arkaden usw. sind
dem gleichzeitigen Schloßbau entnommen. Es wird der Nachweis
geführt, daß sich die Kemptener Residenz der schwäbischen
Schloßbau-Tradition prinzipiell angeschlossen hat.
Als weitere Anregung kommt der österreichische Klosterbau
in Frage. 3. Das Stift Kempten ist das bedeutendste Früh-
werk in ganz Süddeutschland und steht am Anfang einer
machtvollen Baubewegung.

Das zweite Problem des Buches sind die Prunkräume
der Residenz. Es handelt sich um die im 18. Jahrhundert von
Ubelher und Hermann im Rokokostil neu hergerichteten
Räume für den Fürstabt. Der Verf. gibt eine eingehende, sorgfältige
Beschreibung an Hand der Abbildungen. Bisherige
Untersuchungen werden im wesentlichen bestätigt (R. Guby),
im einzelnen erweitert und differenziert. An der Reihenfolge
der Ausstattung (Schlafzimmer, Tagzimmer, Bibliothek,
Thronsaal) wird festgehalten, die Gesamtarbeit auf die Jahre
1734/36—1742 eingeschränkt. Das allgemein interessierende
Ergebnis der Untersuchung der einzelnen Räume ist immer
wieder dies, daß dem Schaffen Uberhers eine viel größere Selbständigkeit
zugeschrieben wird, — der Einfluß Frankreichs
und Dominikus Zimmermanns auf ihn wird durchaus richtig
gesehen, aber Übelher wird zum verantwortlichen Meister der
Ausstattung erhoben, ihm wird der Gesamtplan zugeschrieben.
Nur für den Thronsaal wird die Heranziehung eines Architekten
angenommen, wahrscheinlich ist es D. Zimmermann
gewesen. Auf die interessante, abwechslungsreiche Thematik
in den einzelnen Räumen (Bibel, Geschichte, Symbolik, Geistliches
und Weltliches) kann hier nur hingewiesen werden.

Der Wert der vorliegenden Untersuchung für die Forschung
dürfte vor allem darin zu suchen sein, daß hier eine
der wichtigsten Vorarbeiten für eine Monographie über Ubelher
geleistet worden ist. Weiterhin aber ist der Band mit seinen
guten Abbildungen als erste Monographie über das Kemptener
Stift fortan unentbehrlich für die Kunstgeschichte des süddeutschen
Barock und Rokoko.

Jena Hanna Jursch

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE
Müller, Aloys, Prof. Dr.:Welt und Mensch in ihrem irrealen Aufbau.

Eine Einführung in die Philosophie. 3., völlig neubearb. Aufl. Bonn: Diiinm-
ler 1947. 236 S. 8». DM 8.—.

Das Werk hieß in den früheren Auflagen „Einleitung in
die Philosophie". Der neue Titel befremdet zunächst. Aber
„Welt" heißt bei Müller Gesamtheit des Realen, Idealen und
der Werte. Dabei sind die letzteren das in dem Buchtitel genannte
„Irreale". Sie „formen" die Welt. Zu ihnen gehören
bei Müller die „Gedanken", aber nicht als zeitliche Akte des
Ich, sondern als diesem zeitlos vorgegeben. Sie sind die eigentlichen
weltformenden „Werte". Ihre Gesamtheit ist für Müller
die ontische Struktur der Welt. In der hebt er den Menschen
als das allein Werte Begreifende heraus. Unter diesen Gesichtspunkten
geht er die wichtigsten Formen durch, in dem
ersten, kleineren Teile des Buches die der „Welt", die Werte,
die ideale und die reale Sphäre, in dem zweiten, größeren die
des Menschen, Anthropologie, Logik, Erkeuntuislehre, Ethik,