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Ausgabe:

1949 Nr. 7

Spalte:

422

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Christenlehre 1949

Rezensent:

Költzsch, Fritz

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 7

422

Welt kann allenfalls durch die Verkündigung des Gesetzes,
das bei dem Verf. eine so erhebliche Rolle spielt, christianisiert
, unter die Norm einer allgemeinen „iustitia civilis" gebracht
werden. Eine „theonome" Welt ist nur eine eschato-
logische Möglichkeit. Das gilt vermutlich auch für die Kirche,
aber in ihr kann wirklich echte Buße sich ereignen (sie kann
freilich gerade auch in ihrer Frömmigkeit unbußfertig bleiben).
Das Volk Gottes, die Schar der Erlösten, Versöhnten und Gerechtfertigten
kann wirklich dem „Autotheismus" entsagen
und Gott gehorsam werden. Hier allein ist der Bußruf sinnvoll.

Man kann dann bei dem, was in der gegenwärtigen Situation
von der Kirche zu erwarten ist, in vielen Punkten mit
dem, was v. J. fordert, zusammengehen. Es ist in der Tat notwendig
, daß die Kirche ihrem privatisierten Christentum entrissen
werde, es ist notwendig, daß sie für eine gerechte Wirtschaftsordnung
einzutreten hat, für ein friedliches Zusammenleben
der Völker, daß sie dem Nationalismus entsagt, daß sie
den totalen Staat ablehnt. Sie wird freilich in dem allen sehr
viel reservierter sein als v. Jüchen, sie wird noch ängstlicher als
er bemüht sein müssen, nicht unversehens fremden Ideologien
dienstbar zu werden. Sie wird keine Programme christlichen
Handelns entwerfen und vor allen Dingen, sie wird nie glauben,
daß sie mit dem, was sie zu sagen hat, eine neue Welt schaffen
wird, daß sie damit das Reich Gottes oder auch nur einen
Reichgottesersatz herbeiführt.

Dort wo man Gott und die Geschichte in unmittelbare
Beziehung zueinander setzt (die mittelbare wird niemand leugnen
wollen), muß die Weltgeschichte notwendigerweise zur
Heilsgeschichte werden, womit dann natürlich auch die Escha-
tologie der Heiligen Schrift unverwendbar wird. Man wird
dann, ob man will oder nicht, in einen idealistischen Entwicklungsglauben
hineingedrängt, v. Jüchen lehnt ihn freilich ausdrücklich
ab, aber ich weiß nicht, wie er dieser Konsequenz
entgehen will. Ist die Geschichte der Ort „der gnadenvollen
und gnadenlosen Heimsuchungen Gottes" (S. 70), ist „alle Geschichte
Gottes Geschichte", kann jeder Augenblick m dieser
Geschichte uns zur Heilsgeschichte werden (a. a. 0.), ist die
Geschichte „Gottes eigne Geschichte" (S. 114), dann muß es
auch in ihr letzte Erfüllung geben. Das bedeutet dann freilich
Einebnung des evangelischen Geschehens in das allgemeine
Weltgeschehen und damit Verdünnung der Botschaft zu Anweisungen
für ein religiös-ethisches Handeln. Nicht ohne
Grund kehrt v. J. immer wieder zum mosaischen Gesetz und
zur politischen Predigt der Propheten zurück. Von Golgatha
ist wohl einmal (S. 156 f.), sicher in großem Ernst, die Rede,
aber der Tod Jesu wird in erster Linie psychologisch als Offenbarung
menschlichen Wesens gedeutet. Von der Auferstehung
ist kaum die Rede. Das will doch sagen, daß hier dem Gesetz
eine größere Rolle zuerkannt wird als der Gnade, wie ja auch
Jesus im Grunde in die Reihe der Propheten, wenn auch als
ihr Vollender, hineingestellt wird.

Ohne das Wissen um das Wesen der Kirche und um ihre
nur zeugende und hinweisende Bedeutung für die Welt und,
damit im engen Zusammenhang stehend, ohne das Wissen um
den Sinn der biblischen Eschatologie, droht dem christlichen
Penken die Säkularisierung. Die religiös-soziale Bewegung
lst gefragt, wie sie sich ihrer erwehren will.

Bonn Günther Dehn

E'lul, Jacques, Prof.: Le Fondement theologique du Droit. Neuchätel/

Paris: Delachaux & Niestie [1946J. 111 S. gr. 8'= Cahlers theologiques de
''actuallte protestante Nr. 15/16. Schw. Fr. 4.25.
""" Die theologische Begründung des Rechtes. (Aus dem Franz. übers.
v°n Prof. Otto Weber/Göttingen.) München: Chr. Kaiser Verlag 11948].
'04 S. 8'= Beiträge zur Evangelischen Theologie, Theol. Abhandl. hrsg.
von Ernst Wolf. Kart. DM 4.—.

Unter den zahlreichen neueren Arbeiten zum Problem
?JJ** ,.überpositiven" Begründung des Rechts — sei es durch
uen Naturrechtsgedanken, eine philosophische Rechtsidee oder
**» Politisches Postulat — ragt diese Arbeit des Professors der
■^echtsgcschichte in Bordeaux hervor. Sie ist ausgezeichnet
sowohl durch wissenschaftliche Exaktheit der Problemstellung
und Methode, als auch durch menschliche Wärme
«ad geistige Tiefe; es ist in ihr kein überflüssiges oder gehalt-
°ses Wort zu finden. Ideologische Phraseologie und glatt-
^adeniisch-unverbindliches Gerede fehlen gänzlich. Das
•Uacht die Lektüre zu einem erfrischenden, ansprechenden und
Ur Stellungnahme zwingenden Erlebnis.

Das Buch besitzt aber auch unter den neueren theolo-
l'sdien Versuchen, eine Grundlegung der Rechtsprobleme zu
'eten, eigenen Rang. Der Verf. steht mitverantwortlich in
er Arbeit der Laienbewegung innerhalb der Eglise Rcformee
ue France, er nimmt an den Diskussionen der ökumenischen
uristlichen Studentenvereinigungen teil und er gehört zu den

ständigen Mitarbeitern ökumenischer kirchlicher Kommissionen
. So ist ihm kein Problem, kein Aspekt und kein Termin
der gegenwärtigen theologischen Auseinandersetzung fremd.
Auch spürt man allenthalben in seinen Argumentationen den
lebendigen Glauben, dessen Zeugnis überzeugt.

Zwei Fragen sind es, die ihn vor allem bewegen: gibt es
eine wahrhaft biblische Begründung des Rechts? und: kann
es ein evangelisches Naturrecht geben ? Auf beide Fragen ist
seitens der lutherischen Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts
(nicht aber der des 16. und 17.!) eine verneinende Antwort
gegeben worden. Aber auch in den Schriften reformierter
Theologen, die sich mit diesen Fragen befassen, war das der
Fall. Selbst was Brunner in seinem, sonst in vielen Richtungen
bahnbrechenden Buch über „Gerechtigkeit" (1943)
dazu gesagt hat, läuft auf die Ablehnung einer spezifisch biblischen
„Theologie des Rechts" hinaus und ersetzt sie durch
die allgemein abendländischen humanistisch-scholastischen
Traditionen; und was Barth in seinem Essay „Rechtfertigung
und Recht", der das Problem in seiner ganzen Tiefe sichtbar
gemacht hat, 1939 dazu gesagt hat, ist eine dezidierte Verwerfung
des Naturrechtsgedankens. Ellul aber bringt nun
wirklich, ohne traditionalistisch-philosophische Wege zu
gehen, eine direkte, unmittelbar biblische Grundlehre vom
Wesen des Rechts, gestützt auf das rechtliche Handeln des
unter den Menschen Recht stiftenden Gottes des Alten wie
des Neuen Bundes. Und er findet einen Weg, das echte Anliegen
des Naturrechtsgedankens, nämlich die unverzichtbare
Funktion einer legitimierenden und gleichzeitig kritisierenden
Grundordnung aller staatlichen oder sonstigen „positiven
" Rechtssetzung, festzuhalten, ohne die thomistische,
antike oder rationalistische Konstruktion der Naturrechtsidee
zu übernehmen.

In diesen, aber auch in vielen anderen Ergebnissen, z. B.
in der Lehre vom Naturrecht als rechtsgeschichtlicher (nicht
nur ideengeschichtlicher) Realität, ist die Schrift von Ellul
nicht nur originell und anregend, sondern wegweisend. Es ist
besonders dankenswert, daß sie nun auch in deutscher Ubersetzung
(besorgt durch den Göttinger reformierten Theologen
Otto Weber) im Verlag von Chr. Kaiser in Münschen erschienen
ist.

Freiburg 1. Br. Erik Wolf

Christenlehre. Ein Buch für die evangelische Jugend. Für den klrchl. Gebrauch
hrsg. v. d. Thür. Bibelgesellschaft. 2. Aufl. Altenburg 1946. XI,
268 S. 8'. Geb. DM 1.70. »
Das Erscheinen eines solchen Buches dokumentiert Not
und Armut unserer Zeit: Bibel, Gesangbuch, Katechismus
können im Elternhaus unserer Religionsschüler und Konfirmanden
nicht mehr als vorhanden vorausgesetzt werden. Da
mag denn dies Buch nützlich sein, das das Notwendigste vereinigt
: Stücke aus der Bibel (76 Seiten AT, 69 NT), 92 Choräle
, den Kleinen Katechismus, die Gottesdienstordnung und
je eine ganz kurze Einführung in die Heilige Schrift und in
die Kirchengeschichte. Der praktische Nutzen hängt freilich von
der Möglichkeit ab, je eineganze Abteilung mit diesem Buch auszurüsten
. Die Auswahl ist im Hinblick auf den Zweck nicht ungeschickt
. Daß jeder Benutzer hier etwas anderes vermißt, was
gerade ihm unentbehrlich zu sein scheint, ist selbstverständlich
(z. B. hätte ich mehr von den ethischen Partien der Episteln geboten
und dafür von den Chorälen stets nur die wichtigsten
Strophen gegeben), das begründet keinen Vorwurf. Fragen
darf man aber, ob man sich nicht in den kirchenkundlichen
und bibelkundlichen Abschnitten entschlossener hätte von den
traditionellen Formeln freimachen sollen: nicht ein Kompendium
kirchlichen Wissens, sondern lebendiges Gespräch mit
der christentumsfremden Jugend von heute über Bibel und
Kirche wäre die Aufgabe. Auch sollte eine solche Bibelauswahl
in Druckbild, Ubersetzung und „Aufmachung" von den
neuen Formen lernen, die sich in den Volks- und Jugendbibeln
unserer Bibelgesellschaften in den letzten Jahrzehnten bereits
bewährt haben. Auch abgesehen von der heutigen Notlage ist
es eine Aufgabe, die die Kirche erkennen und ernstuehmen
muß: unserem kirchenfremden „Kirchenvolk" ein solches
Buch zu geben, in dem volkstümlich und doch nicht flach
zusammengestellt und gesagt ist, was der „Christ" zur Hand
haben und wissen muß. Dazu gehört auch ein Kurz- und Not-
Gesangbuch der etwa 100 (heute) wichtigsten Lieder für das
ganze deutsche evangelische Kirchengebiet.

Leipzig Fritz Koitzsch

Schmidt, Gerhard: Katechetische Anleitung. München: Chr. Kaiser
1946. 119 S. 8». DM 2.50

Wir glauben nicht, daß man von Kindergottesdienst und
Religionsunterricht her die lebendige Volksküche „wiederauf-