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Ausgabe:

1949 Nr. 7

Spalte:

414-415

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lang, Hugo

Titel/Untertitel:

Der Historiker als Prophet 1949

Rezensent:

Hermelink, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 7

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zwingen uns zur Imitatio Christi. Das Bekenntnis ist das vornehmste
Zeugnis der Gnadenlehre! Auf drei Ebenen hat er
seinen Kampf um die Gnadenlehre zu führen gehabt: auf der
ersten gegen Pelagius, hat er die Kirche seiner Zeit vom
Rechte seiner Sache zu überzeugen gewußt. Auf der zweiten,
in der Kampffront gegen die menschliche Freiheit, hat er noch
glücklich gesiegt. Auf der dritten, als es um die Prädestination
ging, hat er den Sukkurs erst bei Luther gefunden.

über Wulfila und Gottschalk, in deren Bekenntnissen
noch etwas von der steinernen Starrheit germanischen
Schicksalglaubcns nachlebt, und über das „Symbolum Qui-
cuunue", das augustinisch gefärbte „Athanasianum",
eilt die Darstellung dem Reformator zu. Nicht im Mittelalter
mit seinen Kreuzzugsrufen ,,Gott will es", sondern erst im
16. Jahrhundert wird die Christenheit wieder vor Entscheidungen
gestellt. Erst Worms, wie wir schon hörten, bedeutet
einen Bekenntnisakt. Noch dreimal sah sich Luther aufgerufen
zu einem solchen: in der großen Schrift „vom Abendmahl
Christi" (1528), dessen Einzelstimme aufgenommen ist
vom vielstimmigen Chor der Confessio Augustana, sodann in
den „Schmalkaldischen Artikeln" von 1537, endlich in der
Schrift über die drei Symbole oder Bekenntnis des Glaubens
Christi" (1538). Sie münden für Luther in dem Hymnus „Herr
Gott, dich loben wir", mit dem er das Bekenntnis in den deutschen
Gottesdienst aufnimmt.

Im Abschnitt über das Bekenntnis der evangelischen
Kirche, wird Vor- und Nachgeschichte samt den Inhalten der
Augustana besprochen. Mich dünkt, die Konkordienformel
Werde zu kurz behandelt. Auch die beiden Katechismen
Luthers kommen wohl etwas zu kurz. Die brauchbarste Bekenntnisformel
für den ökumenischen Bedarf ist die Erklärung
des zweiten Artikels aus dem Kleinen Katechismus. Er ist in
Lausanne von dem norwegischen Bischof I. N. Stören als vornehmstes
Einhtitsbekenntnis der protestantisch-ökumenischen
Christenheit in englischer Sprache angeboten worden.

Vom Calvinismus wird die Bekenntnispflicht, wie sie
von Calvin gegen das „Nikodemitentum" betont worden ist,
herausgehoben, unter gebührendem Hinweis auf die „Insti-
tutio". Scheinbar herrscht da ein Widerspruch zwischen Calvin
und Luther, der in seinem „Praeludium" „De captivitate
Babylonica", die mit ihrer lateinischen Sprache den Gelehrten
aUer Lande zugänglich war, wie auch in seinen Invokavit-
predigten Anweisungen gibt, wie man mit der Messe ohne
«Izu große Radikalität sich gewissensmäßig abfinden kann.
Doch beide Reformatoren sind sich einig in dem später formulierten
Satz, der auch im Kirchenkampf in Deutschland gegen
den Nationalsozialismus wieder Bedeutung gewonnen hat:
Nihil est adiaphoron in casu scandali! Den kürzesten und
sichersten Ausdruck findet das von Calvin Gemeinte in dem
berühmten Wort, das in die südfranzösische Turmzelle des
■Hugenottengefängnisses eingekritzelt war: R6sistez!

Es folgt der Abschnitt über den Pietismus, der in seinen
drei Hauptvertretern Spener, Francke und Zinzendorf vorgeführt
wird. Ist hier nacheinander die Heiligung, die echte
Bekehrung und der lebendige Eindruck der Passion als das,
!*as zum Bekenntnis gefordert wird, gegen alles äußerliche
Bekennen ausgespielt, so droht doch gerade im Pietismus das
Bekennen gegenüber dem Auskosten einerseits des Sünden-
Elends und andererseits der Seligkeitsempfindungen in den
Hintergrund zu kommen. Es scheint mir, daß der Pietismus
5^ gut, und die Aufklärung zu schlecht behandelt wird,
c^enn das Bekenntnis wird aufgelöst, drüben wie hüben. Der
XerL spricht freilich vom Bekenntnischarakter der drei Grundideen
der Aufklärungsreligion (Gott, Tugend und Unsterblich-
jeit), er sucht aber dann sowohl aus dem Hannoverschen
^andeskatechismus der Aufklärungszeit, als auch aus den
j^raWnschriften des Gartenkirchhofs in Hannover die Unzu-
angliehkeit des Aufklärungsbekenntnisses zu erweisen.

Im 19. Jahrhundert wird die Rückkehr zum Bekennt¬
's besonders auch wieder bei den Hannoveranern Louis und
neodor Harms nachgewiesen: „Unsere Kirche ist eine durch
°d durch bekennende Kirche" sagt der erstere. „In der Auf-
ahine des Bekenntnisses der Väter rüstete sich die Kirche
SJ* l(J- Jahrhunderts zu dem eigenen Bekennen, das das neue
fünfhundert von ihr fordern sollte."

y». Aus dem 20. Jahrhundert wird die „Bekennende
£~Jae" in zwei Unterabschnitten geschildert: Die „deutschen
l( 'risten" bis zur Sportpalastversammlung und ihre Auf-
1 .'Su"g, so daß eigentlich nur noch in der Thüringer national-
f üblichen Einung ein Kern überblieb. Darauf der Kirchen-
j?nipf der Bekennenden Kirche, wertvoll als erster Versuch,
gj- Zeitereignisse, die wir alle zusammen miterlebt haben,
rclienjreschichtlich zu ordnen und zu deuten. Die Ordnung
" aber nicht nur in der Aneinanderreihung der Reichssynoden
der Bekenntniskirche bestehen. Hier dürfte wohl
historische Intuition und reichhaltigere Aktenpublikation
noch zu genauerer Periodisierung des Kirchenkampfs vor und
während dem Kriege kommen können. (Vgl. auch die von mir
im Auftrag der beiden Landesbischöfe D. Meiser und D. Wurm
herausgegebene Aktensammlung „Kirche im Kampf", im
Verlag von W. Kohlhammer in Stuttgart 1950.)

München Heinrich Hermelink

Lang, Hugo, O.S.B.: Der Historiker als Prophet. Leben und Schriften des
Abtes Rupert Kornmann (1757—1817). Nürnberg: Sebaldus-Verlag |1947].
215 S. kl. 8». Kart. DM 9.—.

Rupert Kornmann aus Ingolstadt ist 1776 in den Benediktinerorden
eingetreten, studierte in Salzburg, und lehrte
1785—1790 im Kloster Prüfening an der Donau bei Regensburg
Philosophie, Mathematik und Geschichte. Am 8. Februar
1790 wurde er dort zum Abt gewählt. Er bemühte sich,
eine „wissenschaftliche Commerce" der bayrischen Abteien
im Anschluß an die Bayrische Akademie der Wissenschaften
in München herbeizuführen, bis er am 19. Dezember 1803 das
der Säkularisation anheimfallende Kloster verlassen mußte,
um von da ab in Kumpfmühl, teilweise auch in Regensburg
seinen wissenschaftlich-literarischen Interessen nachzugehen.
Unmittelbar vor seinem Tode, am 23. September 1817, beendigte
er seine zwei Schriften, die er hinterließ: „Die Sibylle
der Zeit" und „Die Sibylle der Religion". Aus ihnen hat Hugo
Lang, sein Ordensbruder, Auszüge veröffentlicht.

Als „Sibylle der Zeit" will er die Geschichte ausnutzen,
oder wie es Lang umschrieben hat, der „Historiker" will aus
dem Vielerlei der Geschichtsereignisse heraus als „Prophet"
die Zukunft deuten. Im ersten Einleitungsabschnitt verfolgt
der Herausgeber eine dreifache Linie der Geschichtsbetrachtung
im 18. Jahrhundert: t. die „rationalistische" (Ferguson,
Voltaire, Friedrich II. von Preußen, Isaak Iselin); 2. die „antirationalistische
" (Jean Leclerc, Vico, Condorcet, Goethe, Hamann
undHerder in seinen Anfängen); 3. die „kulturkritische"
(Rousseau und Herder, auch Moser und Winckelmann, denen
Kornmann angeschlossen werden kann). Für diesen ist bezeichnend
die besondere Hochschätzung der Antike, mit entsprechender
Geringschätzung des Mittelalters. Das Buch Korn-
manns wurde Mode in der Gesellschaft in Bayern zu Anfang
des 19. Jahrhunderts. Er wirkte besonders auf einen Mann,
der der Träger der Zukunft werden sollte: Kronprinz Ludwig,
auf den hauptsächlich das Eindruck machte, daß er die Historie
wieder energisch theologisierte.

Man wird gestehen müssen, daß der heutige Eindruck
weniger stark ist. Die These, daß nur die Geschichte, und
weniger die anderen Wissenschaften, die nacheinander durchgesprochen
werden, die Aufgaben der Zukunft am wahrscheinlichsten
lösen könne und namentlich auch für die Fürsten,
und Diplomaten notwendig sei, wird ausführlich, unter Anführung
zahlreicher Zeugen dargelegt. „Wer sich und die Zukunft
sehen will, der blicke in den Spiegel der Geschichte".
Aber die „Maximen", die aus der Historie gezogen werden,
und ihre Beispiele aus der Geschichte sind doch zu vage
und führen über alltägliche Beobachtungen kaum hinaus.
Neben allgemeinen Tugendregeln, wie sie das Zeitalter der
Aufklärung liebte, bleibt schließlich der Haupteindruck einer
polyhistorischen Gelehrsamkeit, die hauptsächlich das griechische
und vorgriechische Altertum umfaßt: ein Sammelsurium
merkwürdiger Männer und Aussprüche aus der alten
Geschichte. Vollends die „Sibylle der Religion" verliert sich
in mehr oder weniger rationalistische Schwärmerei über das
Christentuni als „die einzige wahre Philosophie der Zeit und
Ewigkeit". Rührsam geschwärmt wird auch über die „Weisheit
derWelt" bei der,.Betrachtungin einer Bibliothek", mit der
aus den „Historischen Betrachtungen" des Verf.s ein Beispiel
dargeboten wird. Ein anderer Exkurs aus der „Sibylle
der Religion" über den „Einfluß des Frauenzimmers auf
Sitten, Vaterland und Religion" ist mit 14 „Historischen Belegen
" versehen, aus denen der Herausgeber den Abschnitt
über „Theodolinde, Königin der Langobarden" mitteilt. „Es
ist sehr merkwürdig, daß in diesem Zeiträume eines Jahrhunderts
die vier berühmtesten Nationen von Europa das
Licht und die Sanftmut der christlichen Religion vorzüglich
durch die mächtige Mitwirkung von vier Frauenzimmern erhalten
haben: die Franken in Gallien durch Chlotilde, die
Goten in Spanien durch Ingunde, die Langobarden in Italien
durch Theodolinde und die Bayern durch Reginotrude".

Nach dem Tode Kornmanns wurden schließlich noch
„Nachträge zu den beyden Sibyllen der Zeit und der Religion"
herausgegeben (448 S. kl. 8°, Regensburg 1818), welche 1000
kurze Sätze und 62 längere „Aphorismen aus der Geschichte
und Poesie", sowie ein „Fragment über Spaltung und